Marcel Braune

Redakteur, Journalist, Reporter, Berlin

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Titelgeschichte SPORT BILD: Die dunkle Seite von Messi

Von Marcel Braune und Torsten Rumpf

Neben dem Platz ist der Superstar oft ein Ekel und sieht vor allem seinen eigenen Vorteil. In jeder Hinsicht ...
In Barcelona erzählt man sich gern die Geschichte, wie Lionel Messi (33) regelmäßig seinen ältesten Sohn Thiago (7) vom Kindergarten abholte. Und vor allem, wie er noch dablieb, um mit den anderen Kindern Fußball zu spielen. Begeistert wird vom kindlichen Verhalten des sechsmaligen Weltfußballers berichtet. Wegbegleiter schwärmen, er sei noch der kleine Junge von damals.
Jetzt will Messi nach 20 Jahren weg vom FC Barcelona, trotz eines Vertrags bis 2021! Er behauptet, eine Klausel zu haben, wonach er ablösefrei gehen kann. Barcelona behauptet, diese sei abgelaufen und fordert dagegen 700 Mio. Euro Ablöse und bekommt Unterstützung von der Liga. Ein hässlicher Rechtsstreit droht. Am vergangenen Sonntag ließ Messi seinen obligatorischen Corona-Test beim Verein sausen. Der Weltstar macht Ernst.
Ja, es gibt sie tatsächlich: Messis dunkle und böse Seite. Den beleidigten Allesbestimmer, der Mitspieler drangsaliert, der vor allem seinen Vorteil sieht, Steuern hinterzieht und mit seiner Familie ein Firmengeflecht aufgebaut hat, das es bis in die berüchtigten Panama Papers schaffte.
Ramon Besa (61), spanischer Journalist und Barça-Insider: "Wenn Messi verliert, sucht er die Schuld bei anderen. Diesmal ist es eben Barcelonas sportliche Leitung. Zwar hat Barça seit 2015 keinen sportlichen Plan, aber auch Messi ist für das Scheitern verantwortlich. Durch ihn hat sich ein Klima der Trägheit und Routine breitgemacht."
Mit Barcelona gewann Messi zehn Meisterschaften, vier Champions-League-Titel, holte sechs Pokalsiege, achtmal den Superpokal und je dreimal die Fifa-Klubweltmeisterschaft sowie den Uefa-Supercup. Mit jedem Titel wuchs seine Macht. Er diktierte über Jahre die sportliche Ausrichtung des Klubs.
2012 beschwerte sich Messi bei der Geschäftsführung über die schlechten Leistungen von David Villa (38). Der musste zu Saisonende gehen. Auch Zlatan Ibrahimovic (38) flüchtete aus Barcelona. Der Schwede sagt rückblickend: "Messi fing an, das Wort zu erheben. Er wollte in der Mitte spielen, nicht auf dem Flügel. Ich wurde dann geopfert."
Im Umfeld des Klubs erzählt man sich, wie Ex-Trainer Gerardo Martino (57) vor sieben Jahren im Training zu Messi sagte: "Ich weiß, wenn du jetzt den Präsidenten anrufst, werde ich heute Abend entlassen. Aber daran musst du mich nicht täglich erinnern."
2015 hatte sich Messi mit Trainer Luis Enrique (50) überworfen. Um Messi zu besänftigen, wurde Sportdirektor Andoni Zubizarreta (58) entlassen. Das reichte ihm nicht. Messi meldete sich mit angeblicher Magen-Darm-Grippe vom Training ab.
Im Februar 2020 ätzte der Stürmer bei Instagram gegen Sportdirektor Éric Abidal (40), weil er sich kritisch gegenüber der Mannschaft in einem Interview geäußert hatte. Mittlerweile ist Abidal zurückgetreten. Im Juni brachte Messi seine Abneigung gegen das später entlassene Trainerteam um Quique Setién (61) zum Ausdruck. Vor laufender Kamera ignorierte er die Ansagen von Co-Trainer Eder Sarabia (39), drehte ihm den Rücken zu.
Interessant ist auch, wie Messi sein Gehalt hochgeschaukelt hat. Hintergrund war ein Gehalts-Wettstreit mit Cristiano Ronaldo (35) vom Konkurrenten Real Madrid. 2013 unterzeichnete Messi einen neuen Vertrag für zwölf Mio. pro Jahr. Wenig später erhielt Ronaldo bei Real 17 Mio. pro Jahr. Messi wollte daraufhin einen Nachschlag, den ihm der damalige Vizepräsident Javier Faus (56) verweigerte. Messi polterte: "Er versteht nichts von Fußball." Messi siegte dennoch, bekam eine Gehaltsaufstockung auf 20 Mio. Euro. Mittlerweile ist er bei einem Einkommen von 50 Mio. Euro netto pro Jahr angekommen.
"Wir haben ein Monster geschaffen", sagte selbst Freund und Förderer Pep Guardiola (49) am Ende seiner Amtszeit 2012 in Barcelona über die Macht seines Lieblingsspielers.
Seit einem Jahr kracht es zwischen Messi und Präsident Josep Bartomeu (57), der mittlerweile selbst seinen Rücktritt angeboten hat. Im Sommer 2019 forderte Messi die Barça-Rückkehr von Neymar (28). Per WhatsApp schrieb er dem Brasilianer: "In zwei Jahren ist für mich bei Barça Schluss. Dann bist du alleine, wirst meinen Platz einnehmen." Bartomeu hatte sich aber nur halbherzig um einen Transfer bemüht. Das kränkte Messi zutiefst.
Dann feuerte Bartomeu den von Messi geschätzten Trainer Ernesto Valverde (56). Nach dem "Barça-Gate" war das Vertrauensverhältnis endgültig erschüttert. So soll das Präsidium sogar eine Agentur beauftragt haben, um aktuelle und ehemalige Akteure (Messi, Guardiola, Puyol) in sozialen Medien schlecht aussehen zu lassen. Grund sei der zu große Einfluss der Vereinslegenden auf den Klub. Als Revanche zeigte sich Messi als harter Verhandlungspartner, als es um Gehaltsverzichte im Zuge der Corona-Pandemie ging.
Die dunkle Seite von Machtmensch Messi zeigt sich auch in der argentinischen Nationalmannschaft, mit der der Barça-Star noch nie einen Titel gewann. Die Schuld sieht er nie bei sich.
Nach dem verlorenen Finale der Copa América 2016 gegen Chile kündigte Messi seinen Rücktritt an. Diese Entscheidung revidierte er wenige Monate später.
Bei der WM 2018 soll Messi vor dem Gruppenspiel Trainer Jorge Sampaoli (60) in der Kabine entmachtet und eigenständig fünf Änderungen in der Aufstellung vorgenommen haben. In Argentinien kursiert dazu folgender Dialog:
Messi: "Wir vertrauen dir nicht mehr. Wir wollen das Sagen haben."
Sampaoli: "Das Sagen bei was?"
Messi: "Bei allem." Sampaoli: "Bei der Mannschaftsaufstellung, im Training, bei allem?"
So sorgte Messi bei der WM dafür, dass die Stammspieler Federico Fazio (33) und Giovani Lo Celso (24) Bankdrücker wurden. Die Tageszeitung "Clarín" berichtete, Messi habe sich über deren Passspiel beschwert, das nicht zu ihm passe.
Im selben Jahr machte Ex-Co-Trainer Sebastián Beccacece (39) den Fehler, die Position Messis bei einem Training zu korrigieren und seine Hand auf die Schultern des Stars zu legen. Messi beschwerte sich anschließend beim Verband. Beccacece und Sampaoli wurden 2018 entlassen.
Die dunkle und böse Seite von Messi. Wenn es ums Geld geht, dann entwickelt er mit seiner Familie eine kriminelle Energie.
2013 veröffentlichte die spanische Staatsanwaltschaft für Wirtschaftsdelikte ihre Untersuchungen gegen den Fußball-Multimillionär wegen nicht erklärter Einnahmen in Höhe von 10,1 Mio. Euro, die er aus Werbeverträgen erhalten haben soll. Damit entgingen dem spanischen Fiskus 4,1 Mio. Euro. Um diese Gewinne zu vertuschen, hätte sein Vater Jorge Horacio Messi (62) Scheinfirmen außerhalb Europas gegründet, die dann Verträge mit anderen Scheinfirmen abgeschlossen hätten. Das geht aus den sogenannten Panama Papers hervor. In einem ersten Urteil wurde Messi zu 21 Monaten Haft auf Bewährung sowie einer Geldstrafe von 2,1 Mio. Euro verurteilt. Das Gericht wandelte die Gefängnisstrafe später in eine Geldbuße von 252 000 Euro um, weil er Ersttäter ist. Sein Vater bekam 15 Monate Haft und 1,6 Mio. Strafe aufgebrummt. Das Gericht wandelte auch diese Haftstrafe später in eine Geldbuße von 180 000 Euro um. Unabhängig davon zahlten beide die 4,1 Mio. Euro Steuern plus 900 000 Euro Zinsen nach.
Ende 2016 hatte Messi weitere zwölf Millionen Euro an das spanische Finanzamt nachgezahlt. Grund waren millionenschwere Beraterhonorare, die Barcelona an Messis Vater und dessen Stiftung gezahlt hatte. Das spanische Finanzamt sah das als Einkommen an, was zu versteuern sei. Um eine erneute Strafverfolgung zu vermeiden, zahlte Messi die Steuern nach.
Man stelle sich vor, Messi wäre Steuerzahler in Deutschland, wahrscheinlich säße er längst im Gefängnis. Im April wurde z.B. der deutsche Profiboxer Felix Sturm (41) wegen Steuerhinterziehung von rund einer Million Euro zu einer dreijährigen Freiheitsstrafe verurteilt.
Die dunkle und böse Seite Messis. Den Barça-Fans ist sie egal. Sie hoffen nach wie vor, dass ihr Liebling bei ihrem Klub bleibt.