Marcel Braune
Im Tatort und im Kino sorgt Schauspieler Christian Ulmen (41) für Lacher. Im B.Z.-Interview erklärt er, warum er sich auch vom Lieblingsklub Hertha mehr Humor wünscht und warum ihn Alex Baumjohann mal fast geschlagen hätte.
Herr Ulmen, Sie sind seit über 20 Jahren Hertha-Anhänger. Was sagen Sie zur aktuellen Saison?
Ich bin natürlich außer mir vor Glück. Es geht wieder um was! Früher bist du öfter mit der Sorge ins Stadion gegangen: hoffentlich wird's nicht so schlimm. Heute fragst du dich, wie hoch der Heimsieg diesmal wohl ausfällt. Ich versuche es bei jedem Heimspiel ins Stadion zu schaffen. Gegen Hoffenheim bin ich vielleicht wieder da.
Kommt Ehefrau Collien auch mit?
Ja. Meine Frau nutzt die Zeit im Stadion, um E-Mails zu checken oder alte Freunde zurückzurufen. Ich habe gedacht, ich kann die Begeisterung in ihr wecken. Sie bekommt das aber bei aller Mühe nicht gebacken mit der Faszination für den Fußball. Nicht mal unsere Hertha fesselt sie. (lacht)
Das geht in der Stadt ja einigen so.
Unfassbar, oder? Mitten in Berlin musst du dich dafür rechtfertigen, Fan der Berliner Hertha zu sein. Als Freiburg-Anhänger oder Nürnberg-Fan kriegst du in jeder Prenzlberg-Bar ein Freibier. Das liegt an den ganzen Zugezogenen, die ihre Vereine mit nach Berlin gebracht haben. Es scheint, als Union-Fan gehörst du zu den Cooleren in der Stadt. Noch! Wir Herthaner arbeiten daran. In dem wir Kinder kriegen, zum Beispiel, die sehr coole Fans werden. Außerdem habe ich mich dran gewöhnt: Das Image der Hertha riecht noch immer etwas nach Herrengedeck in einer alten Weddinger Eckkneipe.
Die neue Image-Kampagne soll das ja ändern. Gelingt das?
Ich finde: ja. „We try, we fail, we win" ist der wahrhaftigste Leitspruch, den Hertha je hatte. Anders als das Null-Schlagwort „play berlin" sagt der neue Slogan ehrlich, wie es ist. Das eigene Scheitern so offensiv zu benennen, das ist nicht nur groß; der Spruch fängt eine tatsächliche Haltung der Stadt ein. Und das ist echt schwierig. Weil Berlin ja ein Nebeneinander absolut grundverschiedener Bezirks-Charaktere ist. Friedrichshains Geist ist ein vollkommen anderer als der Schönebergs. Wie willst du die vielen Geister der Stadt für einen Stadtverein zusammenfassen?
Sie sind Experte. Wie finden Sie den neuen Hertha-Image-Film?
Sehr gut. Herrlicher Pathos. Und das ist eben die Kunst: pathetisch und emotional zu erzählen, ohne dass es peinlich wird. Ein ganz schmaler Grat. Und ich schäme mich sehr schnell. Diesmal nicht.
Wie würde es Hertha aus Ihrer Sicht schaffen mehr Menschen zu erreichen?
Mit Selbstironie, glaube ich. Sich nicht um den Anstrich des schillernden Weltstadtclubs bemühen, sondern den Lästerern aus Frankfurt und Bremen den Wind aus den Segeln nehmen, in dem Hertha die Erste ist, die einen Witz über ihren Spandau-Ballet-Charme macht. Der Effekt könnte sein, dass eine solche Lässigkeit dich tatsächlich zum Weltstadtclub macht. Aber der Staub verschwindet ohnehin allmählich: ich finde, dass Preetz überraschend lustige, mitunter gar saulustige Tweets absetzt.
Was würden Sie noch gern ändern, wenn Sie könnten?
Ich muss ja gottseidank nichts ändern. Ich bin Fan. Ich gehe wahnsinnig gern ins Stadion. Gut, ich fände es toller, wenn Seeed eine Hymne für Hertha machen würde. Oder wenn Frank Zander wenigstens live aufträte vor jedem Spiel, so wie Lotto King Karl in Hamburg, er hätte doch sicher die Zeit. Und Lust hätte er sicher auch. Ich wollte mal Frank Zander in eine Fernsehsendung einladen. Sein Sohn und Manager schickte mir eine Absage und empörte sich sehr, weil ich schon mal die Hertha-Hymne kritisiert hatte. Im Stadion konnte ich ihn aber überzeugen, dass ich seit früher Kindheit wirklich großer Frank-Zander-Fan bin. Ich finde nur die Hymne nicht so toll.
Was stört Sie?
Ich verstehe den Refrain nicht. „Nur nachhause gehen wir nicht". Was soll das? Das ist ein Kneipen-Song. Auch noch ein Cover. Von Rod Stewart. Und diese Sprache: „Dann wollen wir unseren Jungs mal die Däumchen drücken". Da schüttelt's mich (lacht.) Ich fände toll, wenn unsere Hymne ein echtes Liebeslied für Berlin wäre. Aber es ist okay so. Denn ich habe Hertha lieben gelernt. Mit all ihren Macken. Das ist wie mit den Eltern: die liebt man, auch wenn sich manchmal für sie schämt. Und wenn ich den Schal nach oben recke und voller Inbrunst dieses ja doch ungeile „Nur Nachhause" mitsinge, dann ist das die größte Liebeserklärung, die ein Mensch seinem Verein machen kann. St. Pauli super zu finden, ist keine Leistung.
Hertha muss sich immer wieder den Vorwurf gefallen lassen, es gäbe keine kantigen Spielertypen mehr. Stimmt das?
Brooks oder Ibisevic sind Typen. In Köln hat Ibisevic Weiser nach einem eigentlich perfekten Pass zusammengestaucht, nur weil der Ball ein dreiviertel Meter über dem Boden flog und nicht flacher gespielt war. Da stimmt der Anspruch. Und die Wut. Es sind diese Momente, an denen du die Typen erkennst. Nicht mehr in Interviews; da sind die Antworten leider durchweg professionelle Routine.
Also blicken Sie nicht wehmütig zurück?
Nicht zwingend. Aber ich erinnere gern die Spielzeiten um 2005 bis 2007 herum, da war Hertha BSC ein Berliner Gangster-Club. Die Boatengs, Salihovic, Ebert oder Dejagah. Das war fantastisch. Nur Typen. Kongeniale Berliner Besetzung. Leichter Proll-Appeal, teure Brillen. Derbe war das. Hertha hatte ein einzigartiges, echtes Gesicht. So trat kein anderer Verein auf. Da standen regelmäßig elf gebürtige Berliner auf dem Platz. Und sie spielten so herrlich. Leider hatte Hoeneß die Gangsterrapper auf dem Platz einem sogenannten „Persönlichkeitstraining" unterzogen und Spieler verkauft, weil ihm ihre Mentalität nicht gefiel. Ich fand das extrem schade.
Wer ist Ihr Lieblingsspieler?
Marvin Plattenhardt. Weil meine Tochter ihn so liebt. Sie kann seinen Namen nicht richtig aussprechen und ruft immer „Plattttnhaaart". Ich glaube, sie liebt ihn für seinen Namen. Das färbt auf mich ab. Seine Freistoß-Tore sind sensationell. Julian Schieber mag ich auch sehr gern. Und mit Alex Baumjohann verbindet mich eine besondere Begegnung (lacht).
Erzählen Sie!
Ich habe mal für einen Werbe-Dreh mit ihm vor der Kamera gestanden, da war er noch bei den Bayern. In einer improvisierten Kunstfigur war meine Aufgabe, den Spielern vom FC Bayern auf den Sack zu gehen. Ich habe Baumjohann geknuddeln und die ganze Zeit versucht, ihn zu streicheln. Er fand das überhaupt nicht lustig und stieß mich jedes Mal weg. Er hätte mir fast eine geknallt.
Und dann?
Seither mögen wir uns sehr gut leiden und schreiben uns hin und wieder.
Welchen Hertha-Spieler würden Sie gern in ihrer Serie Jerks einladen?
Das hängt natürlich von der Handlung einer Episode ab. Spontan fällt mir kein Spieler ein, der unbedingt in die jerks-Welt müsste. Dazu brauchst du jemanden, der ein plakatives Image hat, mit dem du spielen kannst. Es müsste ein Spieler mit herausstechender Eigenschaft ein, die über das Fußballerische hinaus geht. So wie Pantelic für Divenhaftigkeit stand. Oder Marcelinho für ausgedehnte Disco-Nächte mit seiner brasilianischen Entourage. Das würde zu jerks passen, das kannst du brechen oder überhöhen. Die große Sorgfalt aber, mit der die Vereine darauf achten, ihre Spieler clean und ohne Makel zu präsentieren, macht sie zumindest für unsere jerks nicht wirklich interessant.
Haben Sie mal über ein Engagement bei Hertha nachgedacht?
Ich engagiere mich bei jedem Spiel, zuhause und im Stadion: ich trage das Trikot, ich schwenke eine Fahne. Und ich singe „Nur nachhause" - mehr geht nun wirklich nicht (lacht).
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