Marcel Aburakia

Journalist, Moderator, Redakteur, München

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Haarausfall mit Anfang 20: "Mein Kopf sieht aus wie ein Deo-Roller" | BR.de

Haare sind für Leute in meinem Alter extrem wichtig. Sie gehören zum Style, genauso wie Schuhe, Shirts oder der neueste Rucksack. Da trägt man ja auch nicht einfach irgendwas. Und Haare sind irgendwie auch immer ein Teil der eigenen Persönlichkeit: Dreadlocks oder adretter Undercut - die Frisur zeigt ganz klar die Einstellung zum Leben.

Wenn man es so sieht, dann verliere ich seit einiger Zeit meine Persönlichkeit. Sie fällt mir quasi vom Kopf, denn: Ich habe Haarausfall. Statt des lässigen Dudes mit der Wuschelfrisur sehen die Anderen in mir zunehmend einen alten, konservativen Spießer. Das sagt zumindest eine Studie der Uni des Saarlandes, laut der die Halbglatze jeden weniger liberal, dafür altmodischer, kleiner, unattraktiver und fünf Jahre älter wirken lässt. Ich sehe also mit 22 aus wie ein uncooler 30-Jähriger. Super.

Haarausfall führt oft zu Depressionen

Klar, der Kahlschlag auf dem Kopf wird allgemein als "first world problem" abgestempelt, doch der Haarausfall kratzt keineswegs bloß ein bisschen an der männlichen Eitelkeit. Er treibt fast die Hälfte der Betroffenen in eine Depression. Und ich hab noch nicht einmal einen akzeptablen Haarausfall, bei dem am ganzen Kopf das Haar gleichmäßig lichter wird. Nein, ich habe den Uli-Hoeneß-Gedächtnis-Kranz, der mittlerweile gleichaltrige Frauen und mein komplettes Selbstbewusstsein vertrieben hat. Ich werde gefragt, ob ich schon in der Midlife-Crisis stecke und sogar, ob es an einer Krankheit liegt, dass meine Haare oben so licht seien.

Die Tatsache, dass ich jetzt aussehe wie ein Deo-Roller, tritt eine ganze Reihe an Domino-Effekten los. Einer davon ist die dämliche Reflexion der Diskolichter auf meiner Kopfhaut beim Weggehen. Sie wirkt wie eine Sicherheitsleuchte auf alle Mädels im Raum: "Achtung! Achtung! Typ mit akutem Haarausfall! Abstand halten!" So zumindest fühlen sich mittlerweile Abende im Münchner Nachtleben für mich an: deprimierend. Dabei war früher alles besser. Nicht, dass der Spruch "Hey! Geile Haare" häufig fiel und sich daraus ein netter Flirt entwickelte, aber tatsächlich oft genug, dass ich mir darauf etwas einbilden konnte.

Schuld an der Misere sind nicht mangelnde Pflege, schlechte Ernährung oder ähnliches: Mein Haarausfall ist vererbt vom Vater meiner Mutter. Danke, Opa Anton - das ist dein Erbgut. Seit etwa zwei Jahren spreche ich von meinen Locken wie von einer verflossenen Ex. Versucht selbstsicher und doch immer noch tief verletzt. Mein Versuch, das Unabwendbare abzuwenden, brachte mich zu verschiedenen "Wundermitteln".

"Wundermittel" gegen den Haarausfall

Ich hab sie alle probiert: Haarkuren mit Zink, Eisen oder Magnesium, Kopfmassagen, Olivenöl oder Shampoos aus der Werbung - alles ohne Erfolg. Der Kahlschlag wuchs. Und ich sag mal so: Haarausfall alleine nagt schon an meiner Würde, aber mir den Kopf mit Olivenöl einzuschmieren, hat mich in Sachen Selbstachtung auf ein neues Tief gebracht.

Ein Mittel hat mir kurzfristig Hoffnung gegeben: Minoxidil. Das Mittel muss vom Arzt verschrieben werden und wurde ursprünglich zur Behandlung von Bluthochdruck verwendet. Es hält den Haarausfall auf, aber nur in wenigen Fällen bringt es die wallende Mähne zurück, sorry Freunde. Bei mir hat es passabel gewirkt, aber nur solange ich es morgens und abends brav aufgesprüht habe. Sobald ich es abgesetzt hatte, kam die Glatze zurück. Und diesmal stärker als zuvor.

Nebenwirkung = Impotenz

Helfen soll auch Finasterid. Doch diese Pille kann angeblich Impotenz verursachen, heißt es in einer Studie der North Western University of Chicago. Sollte jemand so über seiner Glatze verzweifeln und denken, das sei ein fairer Preis, dem sei gesagt: Niemals ohne deinen Arzt! Mir war meine Potenz dann doch wichtiger und ich entschied mich für die Komplettrasur - um wenigstens das Gefühl zurückgewinnen, ich hätte die Macht darüber, was auf meinem Kopf passiert.

Für die Zukunft sehe ich also drei Möglichkeiten. Erstens: Ich lasse mir Haare transplantieren. Das kostet allerdings etwa 3.000 Euro. Zweitens: Ich verbringe mein Leben weiterhin unter meiner Cap im Sommer oder einer Mütze im Winter. Der Preis? Mein Lebensgefühl. Oder aber drittens: Ich lerne damit umzugehen und akzeptiere, dass Haare nicht Teil meines zukünftigen Ichs sind. Der Preis? Eine wirklich große Menge Selbstüberwindung.

Sendung: Freundeskreis, 5. September 2017 - ab 10 Uhr
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