Hollie Cook spendiert eine Runde Lovers Rock
Ihr Lebenslauf liest sich wie ein Wunschzettel für Retro-Fans: Vater bei den 'Sex Pistols', Mutter bei 'Culture Club', selber Mitglied bei der ikonischen Post-Punk-Band 'The Slits'. Hollie Cook orientiert sich auch für ihre eigene Musik an den späten 70ern und frühen 80ern, sie verknüpft eine damalige Spielart des Reggae mit einer zeitgemäßen Dub-Produktion.
Von Marc Mühlenbrock
"Tropical Pop" nennt Hollie Cook ihre Musik, am besten serviert zur Happy Hour, jener Stunde mit preisgünstigen Drinks in der Dämmerung, in der man zurückblickt auf einen Tag in der Sonne oder sich warm macht für eine Nacht, in der alles passieren kann. Diese Stimmung spiegelt auch ihre Musik wider. Im dubbigen Titeltrack wirft Hollie Cook einen melancholischen Blick zurück auf eine Liebesbeziehung, in "Moving On" scheint sie diese überwunden zu haben. In "Love in the Dark" erlebt sie eine panikerfüllte, in "Move My Way" eine partyerfüllte Nacht. "Happy Hour" ist ein funkelnder, spätabendlicher Gefühlscocktail, dessen Geschmack alle kennen, die schon mal geliebt haben.
Lovers Rock nennt Vivien Goldman die Musik von Hollie Cook. Die britische Punk- und Reggae-Musikerin und -Journalistin hat für ihre Freundin ein Exposé verfasst und deren Musik mit einem Genre verknüpft, mit dem Hollie gut leben kann. Lovers Rock ist eine britische Version von Reggae, entstanden in den späten 70er Jahren als Amalgam von Reggae, Soul und R'n'B, eine musikalisch leichtfüßigere, romantischere Gegenthese zur politisch aufgeladenen Rastafari-Bewegung.
Als einer der ersten Produzenten des Genres gilt Dennis Bovell, der ungefähr zur selben Zeit in den späten 70ern auch das erste Album von 'The Slits' produzierte. Die Band gilt heute noch als Vorreiterin der Vermischung von Punk und Reggae und des feministischen Einzugs in die männerdominierte Gitarrenmusik. Hollie Cook war von 2005 bis 2010 Bestandteil des letzten Line-Ups, für sie die Erfüllung eines Teenagertraums, der aufgrund ihrer Herkunft nicht so unwahrscheinlich war.
Die Verbindung zu zwei der wichtigsten britischen Musikrichtungen der späten 70er und frühen 80er, Punk und Reggae, liegt Hollie Cook nämlich schon im Blut: ihr Vater ist Paul Cook, ehemals Drummer der Sex Pistols, ihre Mutter Jeni ist mit Culture Club getourt, deren Sänger Boy George ist Hollies Patenonkel. Punk als Genre findet man auf "Happy Hour" zwar nicht, aber als Attitüde in der Rohheit der Produktion von Producer Youth, insbesondere für eine so poppige Variante von Reggae wie Lovers Rock.
Die Delays des Dub und die deepen Bässe erzeugen eine nächtliche Atmosphäre, in deren euphorischsten Momenten Hollie Cook die Weiblichkeit feiert: im mystischen, heidnischen Ritual "Full Moon Baby", in der entspannten Weed-Hymne "Kush Kween" und in "Gold Girl", ein James-Bond-Song für eine bessere Welt, sollte der Geheimagent nochmal nach Jamaika kommen.
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