José González: "Local Planet"
Sounds of Silence, Songs of ScienceVon Marc Mühlenbrock
José González ist zurück mit seinem ersten Album seit sechs Jahren. "Local Valley" ist der melancholische Soundtrack zum Herbstanfang, ein ungewohnt vielseitiges Sammelsurium an Sounds, Sprachen und Perspektiven, das die großen Dinge des Lebens sehr intim nahebringt.
Die Akustikgitarre ist ein so oft und gern verwendetes Instrument. Und doch ist die Art, wie José González sie spielt, einzigartig. Mit warmen und melancholischen Klängen wurde der Schwede mit argentinischen Wurzeln Anfang des Jahrtausends zum Held des Indie und zum Anführer einer neuen akustischen Bewegung. Die Texte damals - meist auf Englisch. Eine Sache der Gewohnheit, seit er als Teenager in einer Hardcore-Punk-Band gespielt hat und Bands wie Black Flag oder den Bad Brains nachgeeifert hat. Und auch ein Schutz, weil Texte auf Schwedisch und Spanisch viel mehr über ihn verraten hätten, als das universelle Englisch, so José González. Auf seinem neuen, vierten Album "Local Valley" versucht er sich zum ersten Mal auch in seinen beiden Muttersprachen. Er singt über familiäre, interkulturelle und kosmische Verbindungen und Trennungen.
Mit "Valle Local", dem "heimatlichen Tal" oder englisch "Local Valley", ist der Planet Erde gemeint, dieser kleine blaugrüne Ort im weiten, dunklen Weltall, den wir unser Zuhause nennen. In "Visions" referiert der Singer / Songwriter wie einst John Lennon in "Imagine", wie schön das Leben auf diesem Planeten sein könnte, wenn wir uns alle besser verstehen würden. Schon im ersten Song des Albums, "El Invento", stellt José González die großen Fragen der Menschheit: Wer sind wir? Woher kommen wir? Wohin gehen wir?...und warum? Die unterschiedlichen Antworten auf diese Fragen aus den Religionen und Kulturen der Welt sind für ihn alles "Erfindungen", die dem Song seinen Titel geben. Er vertraut auf die Naturwissenschaft, hat Biochemie studiert, bevor er sich der Musik gewidmet hat. Noch größerer Fan als vom kubanischen Liedermacher Silvio Rodríguez oder Reggae-Legende Bob Marley, ist er vom australischen Philosophen Peter Singer oder dem amerikanischen Neurowissenschaftler Sam Harris.
Trotzdem ist die Musik von José González spirituell, durch ihre Wärme, durch mantra-artige Wiederholungen oder Aufnahmen von Waldvögeln vor seinem Haus in der Nähe seiner Heimatstadt Göteborg. Diese Loop Machine Sounds und Field Recordings machen "Local Valley" auch zu José González' vielseitigstem Album. "Swing" klingt ungewohnt tanzbar, "Head on" und "Valle Local" nach Sahel-Wüstenmusik, "Lilla G" ist ein wunderschön kindliches Indie-Wiegenlied. Der volle Name des Songs ist "Lilla Gumman", was übersetzt "Schätzchen" heißt und seiner kleinen Tochter gewidmet ist. Für die zweite große Liebe in seinem Leben, seine Frau, hat er "Honey Honey" aufgenommen. Es ist ein akustischer Re-Take von "Music on my Teeth", ein Song, den José González für das letzte Album des deutschen Elektronik-Pioniers DJ Koze eingesungen hat.
Die dritte wichtige Frau in seinem Leben ist verstorben. Seine Mutter. Eine Wahrheit, die so traurig ist, dass José González nicht darüber reden kann - geschweige denn schreiben. Er lässt deswegen die Worte seiner Göteborger Musik-Kollegin Laleh für sich sprechen und interpretiert ihren Song "En Stund på Jorden" ("Ein Moment auf der Erde") neu. Laleh hatte den ihrerseits für ihre verstorbene Mutter geschrieben. Es ist signifikant für "Local Valley", dass sich der Schwede derselben Thematik nicht nur aus der persönlichen Perspektive, sondern auch noch einmal aus globaler Sicht widmet. In "The Void" denkt er über das Leben nach dem Tod nach, das getreu seiner naturwissenschaftlichen Weltsicht natürlich nur aus einer großen Leere besteht. Ob persönlich oder global, ob man gläubig ist oder nicht, und auch egal, ob man schwedisch oder spanisch versteht - die Musik von José González spendet Trost.