Madeline Dangmann

Journalistin, Autorin, München

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Fernbeziehungen: 48 Stunden für immer [1]

Es war Liebe auf den ersten Blick: Bereits mit 16 Jahren verliebte sich Hannah Fricke während eines Zeltlagers in den acht Jahre älteren Manuel Albrecht. Doch nach der Freizeit verloren sich die beiden (die eigentlich anders heißen) aus den Augen, bis Albrecht seine Jugendliebe im Jahr 2012 über Facebook wiederfand. „Das war toll", kommentiert es Fricke, „wir hatten uns beide in all den Jahren nicht vergessen." Nach der erfolgreichen Zusammenführung per sozialem Netzwerk schrieben die beiden fortan jeden Tag - Facebook war das Erste, das morgens nach dem Aufstehen gecheckt wurde, und auch abends schickten die beiden sich über Stunden lange Nachrichten hin und her.

Einen Monat lang riss der digitale Kontakt nicht ab, auch wenn die beiden sich im echten Leben noch nicht wiedergesehen hatten - immerhin lagen 500 Kilometer zwischen ihren Wohnorten. Irgendwann ergriff jedoch Fricke die Initiative und stieg in Stuttgart in den Zug, um nach Hannover zu fahren, wo Albrecht wohnte. „Als ich in Hannover ankam, hat es dann komplett gefunkt", erzählt es die 36-Jährige heute. Sie blieb das Wochenende. Sonntags musste sie jedoch wieder zurück nach Baden-Württemberg. Immerhin warteten dort ihre Wohnung, ihr Job, ja, ihr eigentliches Leben auf sie. Doch nach diesem Besuch war der Beziehungsstatus von beiden klar: vergeben - wenn auch auf Distanz.

Keinen klassischen Alltag, sondern nur ein Feuerwerk der Gefühle

Damit sind Albrecht und Fricke nicht allein: Rund 1,7 Millionen aller Paare leben in Deutschland mehr als hundert Kilometer voneinander entfernt und führen damit eine Fernbeziehung; das ergab eine Studie der Online-Partneragentur Parship. „Jeder achte Deutsche führt eine Fernbeziehung, und die Tendenz steigt", heißt es bei dem Online-Portal „Farlove". Das bestätigt auch der Psychologe und Beziehungsexperte Markus Ernst, der in seiner Hamburger Praxis Paarsuchende und auch eine Online-Partneragentur berät. Mitverantwortlich für die steigende Zahl der Fernbeziehungen seien die sozialen Medien: „Früher lernten sich die Leute noch auf Partys kennen. Heute ist der Radius bei der Partnersuche durch das Internet einfach viel weiter."

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Die erforderliche Mobilität im Beruf ist ein weiterer Grund. Während man früher noch oftmals sein ganzes Leben bei einem Arbeitgeber beschäftigt war, gibt es heute in beruflicher Hinsicht weniger Stabilität. Flexibilität wird gefordert - oft auf Kosten des Privatlebens. Denn Beziehungen können dann meistens nur am Wochenende gelebt werden: Begrüßung am Freitagabend, sonntags dann viel zu schnell schon der Abschied.

So war es auch bei Fricke und Albrecht. Das Paar sah sich nur jedes zweite oder dritte Wochenende. Meistens fuhr sie von Stuttgart nach Hannover, da er dort mit seinen drei Kindern aus einer geschiedenen Ehe lebte. Aber trotz der Kinder nahmen die beiden sich viel Zeit für Zweisamkeit. Es gab keinen klassischen Alltag, sondern nur ein Feuerwerk der Gefühle. 48 Stunden lang. Bis Fricke wieder in den Zug steigen musste. Die schmerzhafte Routine im Verabschieden haben alle Fernbeziehungs-Pärchen gemeinsam und mit der ständigen Sehnsucht wohl auch den Wunsch, irgendwann mit dem Partner das Leben komplett zu teilen. Endlich Gemeinsamkeit, nicht nur beschränkt auf ein paar Stunden in der Woche oder im Monat. Der Zusammenzug quasi als Belohnung für die Gefühlsachterbahn, die eine Fernbeziehung mit sich bringt.

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