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Rückkehr von LeBron James: Der Mann, der den König eine Hure nannte - SPIEGEL ONLINE

Scott Raab ist 62 Jahre alt, Journalist und Autor, Familienvater, trockener Alkoholiker und Ex-Junkie. Über all das schreibt er in seinem Buch "The Whore of Akron" ("Die Hure von Akron"). Er kehrt sein Innerstes nach außen, seine Schmerzen, seine Sucht, seine Liebe, seinen Hass. Von beidem, Liebe und Hass, hat Raab reichlich.

Das Buch, 2012 erschienen, ist eine Abrechnung mit LeBron "King" James, er ist für Raab die Hure von Akron. Dort wuchs LeBron auf, wurde ein Basketball-Wunderkind, dann ging er ins 50 Kilometer entfernte Cleveland und wurde erwachsen. Auch Raab liebte ihn, den Heilsbringer, der die Cavaliers zum Meister machen würde. Doch dann wechselte der Star nach Miami.

Bis dahin war Raab dabei, ein fröhliches Buch über die Cavaliers zu schreiben. Daraus wurde dann eine Abrechnung, und daraus wurden zugleich seine Memoiren, wie er selbst sagt.

Am Anfang des Buches spricht Raab mit James in den Katakomben der Quicken Loans Arena, der Heimspielstätte der Cavaliers. Es wird das einzige Gespräch der beiden bleiben. Damals sagte Raab zu ihm: "Du bist besser als Oscar, besser als Michael, besser als Magic." Raab ist ein Fan. Eigentlich war er aber viel mehr.

Er beschreibt sich selbst als Suchtmenschen, früher süchtig nach Drogen, nach Alkohol, nach Sex, jetzt süchtig nach Essen, nach der Liebe seiner Frau und seines Sohnes und ein bisschen nach den Schmerzmitteln, die ihm etwas Erleichterung von den Rückenschmerzen verschaffen. Und sehnsüchtig nach dem ersten Titel eines Teams seiner Heimatstadt, seitdem er 1964 den Sieg der Footballmannschaft der Cleveland Browns über die Baltimore Colts im Stadion miterlebte. Seitdem wartet Cleveland vergebens, Raab trägt seine Eintrittskarte von 1964 im Portemonnaie mit sich herum, wie andere die Fotos ihrer Kinder.

Nun ist LeBron James wieder zurück, und die Cavaliers starten als großer Favorit gegen die New York Knicks in die neue Saison, ein neuer Anlauf Richtung Titel.

Scott Raab, Jahrgang 1952, ist ein US-amerikanischer Jorunalist und Autor. Geboren und aufgewachsen in Cleveland, lebt Raab inzwischen in New Jersey. Seit 1997 schreibt er für "Esquire", vor allem über Sport und Prominente. Homepage Scott Raab

SPIEGEL ONLINE: Herr Raab, wo sind Sie heute Abend, wenn LeBron James sein NBA-Comeback für die Cavaliers gibt?

Raab: In der Halle! Ich bin mit meinem Sohn die 450 Meilen von New Jersey nach Cleveland gefahren. Wir können es kaum erwarten.

SPIEGEL ONLINE: Kaum zu glauben, wenn man Ihr Buch gelesen hat. Darin klangen Sie ziemlich verbittert. Jemanden als Hure zu bezeichnen, ist nicht sehr nett.

Raab: Man darf das nicht zu eng sehen. Das Wort liegt ja nah als Metapher für Athleten, für die Geld an erster Stelle steht. Im Fall von LeBron kam noch dazu, dass ich mich geärgert habe, wie er auf seine Loyalität gegenüber seiner Heimat gesch... hat, na Sie wissen schon. Außerdem war der Titel ja nicht nur böse gemeint, sondern auch ein bisschen lustig. Es ist kein ganz ernstes Buch, ich als Erzähler mache mich darin auch oft genug lächerlich.

SPIEGEL ONLINE: Nun ist James zurückgekommen in seine Heimat. Glauben Sie, er hat sich verändert? Bereut er gar den Wechsel nach Miami?

Raab: LeBron ist LeBron. Er ist immerhin 2012 und 2013 Meister geworden und beide Male auch MVP ("most valuable player"), bereuen wird James das sicher nicht. Aber ich glaube tatsächlich, dass er sich verändert hat. Seinen Brief in "Sports Illustrated" etwa nehme ich ihm schon ab. Dollar und Meisterringe sind wichtig, aber die Familie ist wichtiger. Und die wohnt nunmal hier. Er hat jetzt zwei Söhne und ist reifer geworden, dass er weniger egozentrisch ist als früher, bezweifle ich aber - soweit ich das aus der Distanz überhaupt beurteilen kann.

SPIEGEL ONLINE: Im Buch sprechen Sie nur einmal kurz mit James, später versuchen Sie, ihm ein Exemplar zu überreichen, kommen aber nur bis zu seinem Security-Mann. Haben Sie James nach Erscheinen des Buches noch mal gesehen oder gesprochen?

Raab: Nein. Ich bin auch bei den Cavaliers nicht mehr erwünscht. Ich bin damals zu seinem ersten Spiel für die Miami Heat gefahren und habe im Buch darüber geschrieben, wie ich mir wünsche, dass LeBron sich verletzt. Das kam nicht so gut an. Bisher wurden alle meine Akkreditierungswünsche für die neue Saison abgelehnt.

SPIEGEL ONLINE: Wie wird er sich bei den Cavaliers einfügen?

Raab: Ob er das überhaupt tun wird, ist die Frage. LeBron hat mehr Kontrolle über den Klub, als das jemals in der Geschichte des US-Sports der Fall war, Michael Jordan bei den Chicago Bulls eingeschlossen. Er ist größer als der Verein und mindestens so viel wert.

SPIEGEL ONLINE: Keine leichte Aufgabe für den Trainer, einem solchen Star Anweisungen zu geben.

Raab: Die Beziehung zwischen Coach David Blatt und LeBron wird der vielleicht spannendste Aspekt der kommenden Saison werden.

SPIEGEL ONLINE: Und ich dachte, für Sie ist jede Saison der spannendste Aspekt, ob es diesmal endlich mit der Meisterschaft klappt?

Raab: Daran glaube ich ganz fest. Das Team ist das beste der Liga.

SPIEGEL ONLINE: Angenommen, die Cavaliers schaffen es tatsächlich bis ins Finale, LeBron James bekommt im entscheidenden Spiel kurz vor Schluss den Ball, wirft und trifft zum Sieg. Wie reagieren Sie?

Raab: Ich werde ausrasten vor Freude! Wenn Cleveland den Titel holt, kann ich mich ohne Vorbehalt freuen. Titel sind größer als Spieler, und wenn LeBron der Held wird, dann ist er auch für mich ein Held. Und jetzt fahren wir los nach Cleveland, mein Sohn sucht gerade das Trikot raus, das er beim Spiel anziehen wird.

SPIEGEL ONLINE: Welches wird's?

Raab: Vielleicht das von Kyrie Irving. Er hat aber auch noch ein altes von LeBron. Wahrscheinlich nimmt er das.

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