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New Englands Super-Bowl-Triumph: Die Sekunde der Patrioten - SPIEGEL ONLINE

Es war der Bruchteil einer Sekunde, der aus einem müden Krieger einen Mann machte, der die Arme in die Höhe riss und auf und ab sprang. Tom Brady hatte zuvor in Glendale beim 49. Super Bowl einen Abend erlebt, der ihn endgültig zum vielleicht größten Quarterback der Geschichte machen konnte. Oder aber zum tragischen Helden.

Die Haare nass vom Schweiß, den Helm in der Hand saß Brady auf der Bank. Der 37-jährige Superstar der New England Patriots und Ehemann von Supermodel Gisele Bündchen wurde gerade nicht gebraucht. Die Seattle Seahawks waren in Ballbesitz und alles sah danach aus, als ob dieser Angriff das Spiel erneut herumreißen würde, wie es schon so oft geschehen war an diesem Abend.

Brady war daran nicht unschuldig, im Gegenteil. Er hatte vier Pässe zu Touchdowns geworfen, aber auch zwei Interceptions, dem Gegner also den Ball zugespielt. Das Schlimmste, was einem Quarterback passieren kann.

Als Brady auf der Bank saß, schien er nicht mehr daran glauben zu wollen, dass sein Team dieses Finale gewinnen könnte, trotz einer 28:24-Führung. Denn Seattle war im Angriff, und bisher hatten die Seahawks unter Führung ihres Quarterbacks Russell Wilson ihre Chancen genutzt.

Es waren noch 20 Sekunden zu spielen, und Seattle hatte die Gelegenheit, in die gegnerische Endzone zu kommen. Es wäre die Führung und mit großer Sicherheit der Sieg gewesen. Wäre.

Runningback Marshawn Lynch hatte bis dahin ein überragendes Spiel gemacht, das 98-Kilogramm-Kraftpaket - Spitzname "Beast Mode" - war für die Patriots einfach nicht zu stoppen. Den Ball schnell zu Lynch, ein Antritt, sichere Punkte und der Triumph - so lautete die einzig sinnvolle Lösung, sollte man meinen.

Doch stattdessen warf Quarterback Wilson zu Ricardo Lockette, wo der Ball aber nie ankam. Denn Patriots-Verteidiger Malcom Butler fing ihn ab und ließ Brady auf der Bank Freudentänze aufführen. Es war die Entscheidung. Ein Fehler, der Sekunden später bei Twitter schon unter dem Hashtag #worstcallever tausendfach kommentiert wurde.

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Die Entscheidung für diesen Spielzug kam nicht von Quarterback Wilson. Der Sport ist derart von taktischen Finessen geprägt, dass die Athleten in solchen Situationen selten frei entscheiden, was gespielt wird. Stattdessen planen Chef-Trainer und Offensiv- und Defensiv-Spezialisten jeden Spielzug. In diesem Fall nahm Head Coach Pete Carroll die Verantwortung auf sich. "Ich habe den Jungs gesagt, dass es mein Fehler war", sagte er NBC. "Wir hatten noch viel Zeit, das Spiel zu gewinnen. Wir wollten den Patriots keine Zeit auf der Uhr lassen. Es hat leider nicht geklappt."

Lynch sagte ESPN auf die Frage, ob er überrascht gewesen sei, dass er den Ball nicht bekommen habe: "Nein, weil wir Football spielen. Es ist ein Mannschaftssport." Offenbar sahen es einige Teamkollegen anders, sie kritisierten die Entscheidung nach Spielende deutlich. "Es ist bitter, so ein tolles Spiel so zu verlieren", sagte Carroll.

Denn die vorangegangenen knapp 60 Minuten waren so mitreißend gewesen wie wenige Super Bowls zuvor. Nachdem im ersten Viertel die Verteidigungsreihen beider Teams dominiert hatten, wurde es in den letzten gut zwei Minuten vor der Pause mit insgesamt drei Touchdowns, davon zwei innerhalb von 29 Sekunden, spektakulär. Ein Vorgeschmack auf die Schlussphase.

Zunächst übernahmen nach der Halbzeitshow, in der Tänzer in Haikostümen Sängerin Katy Perry überstrahlten, die Seahawks die Kontrolle. Quarterback Russell Wilson konnte sich immer besser dem Druck der Patriots-Defensive entziehen und beeindruckte reihenweise mit langen Pässen. Lynch war im "Beast Mode" unterwegs, Seattle zog auf 24:14 davon.

Das Schlussviertel gehörte dann jedoch Brady, der mit Touchdown-Pässen auf Danny Amendola (52. Minute) und Julian Edelmann (58.), die Partie erneut drehte und dabei Super-Bowl-Rekorde für die meisten Pässe in einem Spiel (50) und die meisten Touchdowns in der Endspielgeschichte (13) aufstellte.

Dennoch schien es nach 2007 und 2012 erneut auf eine knappe Niederlage für New England hinauszulaufen. 122 Sekunden vor Ende kam Seattle noch einmal in Ballbesitz, und Wilson fand Lynch mit einem weiteren langen Pass.

Eine knappe Minute später folgte eine unglaubliche Szene: Jermaine Kearse kam nur mit den Fingerspitzen an den Ball, der Wide Receiver und auch Verteidiger Butler gingen zu Boden. Doch der Ball landete auf Kearses Bauch, sprang dann an seinen Arm und wurde schließlich vom Seahawks-Profi gefangen - und das kurz vor der Patriots-Endzone.

Als Lynch die Seahawks mit einem Lauf noch näher heranbrachte, schien es, als würde Seattle den Titel verteidigen. Doch das Glück der Seahawks war aufgebraucht, am Ende jubelten die New England Patriots.

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