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Werder-Trainer Skripnik: Einfach überzeugend - SPIEGEL ONLINE

"Aktiv! Aktiv!" - die Profis von Werder Bremen wissen, was sie zu tun haben, wenn Viktor Skripnik mal wieder von der Seitenlinie kurze Kommandos gibt. In diesem Fall: Aktiv den Zweikampf mit dem Gegenspieler suchen, statt abzuwarten.

In der vergangenen Spielzeit und zu Beginn dieser Saison schleppte sich Werder von Woche zu Woche, von Niederlage zu Niederlage. Passiv statt aktiv. Mit jedem Gegentor schien der Glaube an die eigenen Fähigkeiten zu schwinden. Am Ende, als Robin Dutt gehen musste, war der Klub ein Trümmerhaufen.

Jetzt ist das Team Tabellenachter. Viermal in Folge hat Bremen unter dem neuen Trainer gewonnen, darauf hatten Werder-Fans gut fünf Jahre warten müssen. Insgesamt kommt Skripniks Elf auf sieben Liga-Siege aus elf Spielen. Vom Trümmerhaufen zur Traumbilanz in zweieinhalb Monaten.

Wie kann das sein?

Die offensichtlichste Erklärung ist Skripnik. Klare Ansagen, ein guter Draht zu den Spielern, ein verständliches Spielsystem: Der Ukrainer hat Werder mit einfachen Mitteln wieder auf Kurs gebracht. Die Idee, nach Dutt wieder jemanden mit Vereinsbindung, ein Mitglied der vielbemühten "Werder-Familie", zum Cheftrainer zu machen, hatte in der Chefetage schnell Anklang gefunden.

Doch auch wenn Sportchef Thomas Eichin nun in der "Kreiszeitung" schwärmt: "Viktor gibt der Mannschaft mit seiner großen Natürlichkeit ein Selbstbewusstsein, das nicht in Überheblichkeit ausartet" - Eichin hatte eigentlich andere Favoriten. Das Gefühl, erste Wahl gewesen zu sein, durfte Skripnik nie haben.

Es ist das Glück des Vereins, dass dies den 45-Jährigen nicht sonderlich stört. Skripnik ist froh darüber, seine Chance bekommen zu haben: "Jeder Soldat will General werden, jeder Trainer will Bundesligatrainer werden", sagte er im Herbst der "Bild"-Zeitung.

Es ist die Pointe des missglückten Dutt-Experiments, dass der neue Trainer nun genau den Fußball spielen lässt, den man sich an der Weser so lange gewünscht hatte. Und den sich Dutt auch von seinen Spielern gewünscht hatte.

So wie zuletzt in der 17. Minute gegen Leverkusen: Clemens Fritz macht einen Übersteiger und lässt Julian Brandt ins Leere laufen, ein Doppelpass mit Felix Kroos, ein Doppelpass mit Zlatko Junuzovic, ein Steilpass auf Fin Bartels, der flankt per Außenrist auf Davie Selke, der volley zum 1:0 trifft. Schnelles Denken, schnelles Handeln, ein Tor wie aus Dutts Träumen.

Unter dem neuen Stuttgarter Sportdirektor war Werder am Ende fast ausschließlich bei Standards gefährlich. Wenn Werder Bremen in der Hinrunde mal "One-Touch-Fußball" gespielt hat, dann nur aus Versehen. Für Pass-Stafetten wie die vom Wochenende fehlte das Selbstvertrauen. Dutt hatte seine Ideen immer weniger vermitteln können. Seine Detailverliebtheit prallte auf eine Mannschaft, bei der die Grundlagen verschüttet waren, bei der die einfachsten Dinge nicht mehr klappten. Dutt konnte sich verlieren in Fachsimpeleien, wie moderne Sechser zu spielen haben. Skripnik sagt: "Bisschen dicht stehen, bisschen ackern vorne."

"Fußball ist Kopfsache"

Das heißt nicht, dass der Ukrainer keine Ahnung von modernem Fußball hat. Aber vor allem hat Skripnik ein gutes Gefühl dafür, was seine Spieler brauchen. "Wir haben wieder Mut zum Fußballspielen", sagt Junuzovic, einer der besten Bremer in dieser Saison, nicht zuletzt wegen seiner gefährlichen Freistöße (vier direkt verwandelt).

"Fußball ist Kopfsache. Man darf keine Angst vor dem Verlieren haben, sondern muss den Mut haben, zu gewinnen", sagt Skripnik. Es gebe kein Rezept, wie er spielen lassen will. Das ist der große Unterschied zwischen Dutt, dem überragenden Taktiker und Skripnik, dem Praktiker: "Ich versuche, in den Ansprachen zu korrigieren und Überzeugung zu vermitteln."

Bei vielen Spielern ist ihm das gelungen, am auffälligsten vielleicht bei Felix Kroos, Davie Selke und Theodor Gebre Selassie, die bei Dutt kaum noch eine Rolle spielten. Unter Skripnik ist Kroos Stammspieler, Selke im Angriff neben Top-Stürmer Franco di Santo gesetzt, Gebre Selassie steht vor einer Vertragsverlängerung. Im Winter wurden mit Innenverteidiger Jannik Vestergaard von Hoffenheim und Mittelfeldspieler Levin Öztunali von Bayer Leverkusen junge Spieler mit guter Perspektive geholt, die das Team bereits merklich verstärken. Ältere - und vor allem teure - Profis ( Eljero Elia, Ludovik Obraniak, Nils Petersen) wurden abgegeben.

Skripnik hat sich ein Team geformt, das wieder zusammenhält und an sich glaubt. Das war der erste große Schritt. An den nächsten, das Etablieren im Mittelfeld der Liga, wagen noch nicht viele zu denken. Im Moment sind sie in Bremen einfach froh, sich aus dem Keller gearbeitet zu haben.

Auf den Punkt brachte es Fin Bartels nach dem 2:1-Sieg gegen Leverkusen: "Erste Halbzeit war gut, zweite haben wir uns mehr einen zurechtgewurschtelt. Ist dann aber auch kackegal."

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