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Golf-Star Woods in der Krise: Letzte Zuckungen - SPIEGEL ONLINE

Da es zuletzt nicht viele gute Nachrichten zum Körperzustand von Tiger Woods gab, eine positive Beobachtung vorweg: Tiger Woods Schulter hält. Zumindest bot sie am Donnerstagabend dem Kopf von Lindsey Vonn Halt. Die US-Ski-Pilotin weinte sich aus, nachdem sie bei der WM in Colorado erneut enttäuscht hatte.

Woods musste trösten, dabei ist es doch eigentlich der 39-Jährige, der derzeit Trost braucht, erlebt er doch die schwierigste Zeit seiner Karriere. Vielleicht ist es sogar die Schlussphase.

Der Rücken, die Gesäßmuskulatur, die Abschläge, die Annäherungsschläge, die Putts - nichts funktioniert mehr. Am Mittwoch zog Woods die Konsequenz und verkündete auf seiner Homepage eine vorläufige Auszeit: "Mein Spiel und meine Ergebnisse sind für Turniergolf derzeit inakzeptabel", hieß es in dem Statement.

Woods sprach damit aus, was die gesamte Golfwelt seit Monaten staunend mitangesehen hatte: den Niedergang eines Megastars.

"Episches Versagen"

Seit seinem Debüt auf der Profitour 1996 hat Woods Golf in seiner Gesamtheit von Grund auf verändert, sportlich ebenso wie in der öffentlichen Wahrnehmung. Vor dem Vorzeigeathleten Woods gab es viele Schmerbäuche auf der Profi-Tour, seit Woods sind die Waschbrettbäuche in der Überzahl. Woods hat dafür gesorgt, dass Golf immer weniger nur von reichen weißen Männern gespielt wird und dafür, dass Kinder und Jugendliche auch zum Schläger greifen.

Als dann aber seine damalige Frau Elin Nordegren im November 2009 im Zorn zum Schläger griff und dem flüchtenden Serien-Ehebrecher eine Seitenscheibe seines Autos zertrümmerte, begann der erste Abstieg des ehemaligen Idols. Woods gab den reuigen Büßer, pausierte, kehrte auf die Tour zurück, tat sich schwer, feierte langsam wieder Erfolge, kam 2013 sogar noch einmal zurück an die Spitze der Weltrangliste und fand im Frühjahr in Vonn eine neue Partnerin.

Doch seit August 2013 hat Woods nichts mehr gewonnen, Rückenprobleme zwangen ihn immer wieder zu Verletzungspausen, mehrmals wechselte er den Trainer, um einen geeigneteren Schwung für seinen geschundenen Körper zu finden.

Die Bilanz dieser Bemühungen im Februar 2015: Platz 62 in der Weltrangliste. So schlecht war Woods seit 19 Jahren nicht mehr. Im Januar spielte er in Phoenix die schlechteste Runde seiner Profikarriere (11 über Par). In Torrey Pines gab er anschließend nach zwölf Löchern auf, es war seine sechste Verletzungsaufgabe innerhalb von knapp fünf Jahren. Ein Desaster, oder ein "episches Versagen", wie es Hank Haney nennt, der Woods' Schwung zwischen 2004 und 2010 geformt hatte. Zuletzt hatte Woods seinen Star-Trainer Sean Foley durch den wenig bekannten Chris Como ersetzt.

Zu allen Problemen kommen jetzt auch noch Yips

"Woods oberste Priorität musste sein, einen Schwung zu finden, der ihm nicht weh tut", sagte Haney in einer Radioshow der Vereinigung der US-Golfprofis PGA. Tatsächlich stellte Woods seine Technik enorm um, wie in Phoenix deutlich zu sehen war. "Wenn man bedenkt, wie viel Zeit Woods in den Neuaufbau seines Schwungs gesteckt hat und er dann gleich wieder wegen Schmerzen aufgeben muss, dann ist das gründlich schiefgegangen", analysierte Haney.

Mit einem sich quälenden Woods haben sich die Fans, Experten und Konkurrenten schon länger abgefunden, daran, dass er noch einmal zu alter Stärke zurückfindet, glaubt niemand mehr. Immer größer aber wird die Zahl derer, die sich ein baldiges Karriereende von Woods vorstellen können. Schuld sind "Yips", nervöse Nervenzuckungen, die schon vielen Stars zugesetzt haben.

Seine Annäherungsschläge seien im Prinzip immer noch gut, sagt Haney, aber Woods verreiße sie - wegen der Yips. Weder den Golfer noch Trainer Como treffe daran irgendeine Schuld. "Aber wenn du daran leidest, ist der Effekt auf dein Spiel furchtbar."

Nicht wenige Profis mussten wegen der Yips ihre Karriere beenden. Woods hat sich bisher nicht zu der Ferndiagnose geäußert. Er schob alle Probleme auf die kalte Witterung und damit einhergehende Muskelbeschwerden. Bill Harmon, Bruder von Woods' ehemaligem Trainer Butch Harmon und selbst hoch angesehener Golf-Coach, sagte der Website Golf.com: "Es gibt nur noch sehr wenige Spieler auf der Tour, die nicht glauben, dass Tiger die Yips hat."

Woods' Spiel rund ums Grün, früher eine seiner ganz großen Stärken, sei in den vergangenen Wochen "der schwerste Fall von Yips gewesen, die ich jemals von einem Profi gesehen habe", so Harmon. Der erste Schritt müsse nun sein, sich das Leiden einzugestehen: "Das wäre ein Zeichen von Stärke, nicht von Schwäche."

Bisher galt es als Woods' größtes noch verbleibendes Karriereziel, Jack Nicklaus' Rekord von 18 Siegen bei Major-Turnieren einzustellen (Woods: 14). Inzwischen wäre es ein Riesenerfolg für den einstigen Dominator, wenn er zu einer Form zurückfindet, die bei der Konkurrenz Respekt hervorruft und nicht Mitleid.

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