SPIEGEL ONLINE: Herr Eichin, Sie sind jetzt seit zwei Jahren Sportchef bei Werder Bremen. Damals starteten Sie mit drei Niederlagen, das zweite Spiel war ein 1:6 gegen den FC Bayern, danach herrschte Dauerkrise. Jetzt hat Ihr Klub 16 Punkte aus sechs Spielen geholt. Können Sie Ihren Job zum ersten Mal genießen?
Eichin: Nein. Ich hatte auch vorher schon Freude an meiner Arbeit.
SPIEGEL ONLINE: Spielen Sie gern den Krisenmanager?
Eichin: Die Aufgabe ist, Druck von anderen zu nehmen. Der Verein und der Trainer brauchen Rückendeckung, da müssen Brandherde gelöscht, Aufklärungsarbeit geleistet werden. In Krisen braucht der Verein natürlich noch mehr Aufmerksamkeit, als wenn es gut läuft.
SPIEGEL ONLINE: Bei Werder wurden Sie bisher oft kritisiert. Das kennen Sie auch von ihrem ehemaligen Job bei den Kölner Haien, als es sportlich nicht mehr so lief.
Eichin: Der Unterschied ist: Jetzt bekommt auch meine Mutter in Freiburg mit, was ich angeblich für einen Mist gebaut habe. Die TV-Präsenz ist größer als im Eishockey, die Kritik schärfer, du musst pausenlos moderieren. Aber durch die Haie-Zeit bin ich abgehärtet.
SPIEGEL ONLINE: In Bremen mussten Sie sich besonders für Ihre Transferpolitik rechtfertigen. Spieler wie Ludovic Obraniak und Cedrick Makiadi haben den Klub nicht weitergebracht.
Eichin: Wenn man im unteren Tabellendrittel steht, werden Transfers kritischer beäugt. Der einzige, von dem ich sagen würde, dass er nicht eingeschlagen hat, war Obraniak. Und selbst ihn haben wir für relativ wenig Geld von Girondins Bordeaux geholt, wo er Stammspieler war. Jetzt haben wir ihn an einen türkischen Klub verliehen, und wir sind zuversichtlich, dass wir auch bei diesem Spieler ein positives Transferergebnis erzielen werden.
SPIEGEL ONLINE: Izet Hajrovic galt als Bremens neuer Spielmacher, als legitimer Nachfolger von Micoud, Diego und Özil. Wie bewerten Sie seine bisherigen Leistungen?
Eichin: Das ist ihre Interpretation. Mit diesen Erwartungen haben wir ihn nicht geholt. Er ist ein junger, kreativer Spieler, der sich gut entwickelt und den Sprung ins Nationalteam geschafft hat. Er war im Sommer WM-Teilnehmer und für uns glücklicherweise ablösefrei zu haben. Dieser Transfer birgt für uns nur Chancen. Wir suchen immer nach kreativen Wegen auf dem Transfermarkt. Das ist der Werder-Weg. Kritik an dem Transfer könnte ich nicht nachvollziehen.
SPIEGEL ONLINE: Sie sprechen vom Kaufmännischen, aber was ist denn mit dem sportlichen Aspekt? Warum tut sich Hajrovic bisher so schwer?
Eichin: Spieler, die aus dem Ausland kommen und noch nicht die Erfahrung haben, werden in der Bundesliga immer Schwierigkeiten haben. Das Training ist intensiver als in anderen Ländern. Hajrovic hat in Zürich und bei Galatasaray ganz anders trainiert als jetzt bei uns. Zudem müssen sich die Spieler erst an das schnelle Umschaltspiel in der Bundesliga gewöhnen. Das Tempo ist viel höher als in anderen Ligen, da braucht jeder Spieler erstmal ein halbes Jahr.
SPIEGEL ONLINE: Sie sprachen von "kreativen Wegen" auf dem Transfermarkt. Was bedeutet das genau?
Eichin: Man muss bei Transfers einfach früher dran sein als die Konkurrenz. Ich habe am 15. Februar 2013 bei Werder angefangen, und den ersten Kontakt zu Franco di Santo hatten wir im März.
SPIEGEL ONLINE: Wie sind Sie auf ihn aufmerksam geworden?
Eichin: Seine Agenten haben sich gemeldet. Die wussten, dass wir auf der Suche nach einem günstigen Stürmer waren. Er hat bei Wigan nicht mehr gespielt und wollte seinen Vertrag nicht verlängern. Dann haben die ihn auf die Tribüne gesetzt, und wir haben unsere Chance genutzt.
SPIEGEL ONLINE: Di Santo ist das Gesicht des neuen Werder Bremen, das mit vielen jungen Spielern plötzlich wieder guten Fußball zeigt. Warum hat Robin Dutt diesen Neuanfang nicht geschafft?
Eichin: Da widerspreche ich. Wir haben in beiden Jahren unter Robin Dutt die Einsatzzeiten der jungen Spieler aus der U23 teilweise verdoppelt. Man kann nicht alles von heute auf morgen umstellen. Viktor Skripnik macht das allerdings noch schärfer und mutiger. Auch, weil er die U23-Spieler noch besser kennt. Aber den richtigen Weg hatten wir bereits eingeschlagen.
SPIEGEL ONLINE: Bei Skripnik sitzen Sie nicht mehr mit auf der Trainerbank, anders als bei Robin Dutt. Hatten Sie zu dem alten Trainer einen besseren Draht?
Eichin: Nein. Diese Wahrnehmung ist typisch für das Geschäft Bundesliga. Am liebsten hätte ich mich schon vor dem Trainerwechsel auf die Tribüne gesetzt. Als ich neu hier war, wollte ich nah am Trainer und seinem Gespann sein, um mitzubekommen, wie sie ticken. Aber nach einem Jahr hatte ich mir ein Bild gemacht und wollte lieber den etwas erhabeneren Blick aufs Geschehen haben. Dann lief es nicht gut, und der Wechsel von der Bank auf die Tribüne hätte gewirkt, als würde ich von Dutt abweichen. Ich bin aber immer noch genau so oft in der Kabine, wie ich es bei Robin Dutt war.
SPIEGEL ONLINE: Wie überrascht sind Sie selbst von dem derzeitigen Erfolg?
Eichin: Dass es mit Viktor gleich so gut klappt, hat mich überrascht. Wenn man einen Trainer in die Bundesliga holt, der vorher die U17 und die U23 trainiert hat, gibt es im Haifischbecken Bundesliga immer ein Restrisiko. Das hat er grandios gemeistert. Und vor allem ist er ist genauso geblieben, wie er war. Wenn er mal nervös ist, dann sagt er das auch. Das kommt gut an, auch bei den Spielern.
SPIEGEL ONLINE: Was ist der nächste Schritt, den Skripnik mit der Mannschaft schaffen muss?
Eichin: Wir müssen weiter kreative Transfers tätigen und die Nachwuchsspieler fest im ersten Team integrieren, sie fördern, ihnen Chancen geben. Es wäre doch schön, wenn wir sie zu Bundesligastars aufbauen könnten, die sich mit Werder identifizieren. Wenn wir dann für einen von ihnen auch mal ein Millionenangebot bekommen, das für ihn und für Werder interessant ist, wünschen wir ihm viel Erfolg. Und dann geben wir anderen Talenten eine Chance. So stärken wir unseren wirtschaftlichen Spielraum und gleichzeitig unsere sportliche Entwicklung. Unsere Zielvorgabe lautete, eine stabile Saison zu spielen, einen einstelligen Tabellenplatz zu erreichen und wenn möglich an einem europäischen Platz zu kratzen. Da sind wir auf dem Weg.
SPIEGEL ONLINE: Es läuft tatsächlich sehr gut derzeit, Sie haben eine komfortable Situation. Das sah in der Winterpause noch ganz anders aus. Können Sie jetzt lockerer mit Journalisten reden, weil es so gut läuft?
Eichin: Ja klar. Alles, was wir prophezeit haben, ist eingetreten. Wir haben gesagt: Es ist viel Qualität in der Mannschaft. Jetzt fragen die gleichen Journalisten, die uns vorher belächelt oder sogar attackiert haben: Mensch, da ist ja richtig Qualität in der Mannschaft? Ich kann das nicht immer ernst nehmen.
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