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"Die meisten weißen Menschen können im Urlaub einfach abschalten. Das ist ein Privileg."

Gehört man nicht zur weißen Mehrheitsgesellschaft, ist Urlaub in Österreich oftmals alles andere als eine entspannende Erfahrung.


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"Heuer macht ihr bitte Urlaub in Österreich!", heißt es aus Regierung und Tourismusbüros: "Hier ist's doch eh so schön!" Schön mag es auf den ersten Blick sein, als Person of Color wird aus der alpenländischen Urlaubsidylle leider oft schnell eine ziemlich unangenehme Rassismuserfahrung. Vier Frauen haben uns erzählt, was sie mit Urlaub in Österreich verbinden und welche Erfahrungen mit Rassismus sie im "Urlaub dahoam" machen mussten.

 

Christl Clear
Bloggerin

"Ich mach grundsätzlich gerne in Österreich Urlaub. Als Schwarze Frau wird mir das aber nicht gerade leicht gemacht. Es macht nicht so viel Spaß, angestarrt zu werden oder, dass Leute mit dem Finger auf dich zeigen und dir das Gefühl geben, dass du weird bist. Am meisten hat mich geflasht, als ich angefangen habe mit dem Markus (Anm.: Christls Ehemann) Österreich-Urlaub zu machen. Für viele Leute am Land ist die Kombi aus einem weißen Mann und einer Schwarzen Frau offenbar immer noch 'mindblowing'.

Einmal waren wir auf einer Trachtenhochzeit am Land eingeladen, also hab‘ ich ein Dirndl angehabt. Die Leute haben Sachen gesagt wie 'Na sowas hab ich auch noch nie g'sehn, a N*****n im Dirndl!'. Das Oage ist, dass die nicht damit gerechnet haben, dass ich sie verstehe – das macht die ganze Sache noch auf einem völlig anderen Level unangenehm.

Ich glaube, jede*r der*die schon mal eine Rassismuserfahrung gemacht hat, weiß: Sowas vergisst man nicht in einer halben Stunde. Das kann einem den Tag, wenn nicht sogar den Urlaub versauen. Wenn jetzt dauernd Leute auf Social Media sagen: 'Macht's doch Österreich-Urlaub! Muss man wirklich wegfahren, um sich zu erholen?', dann kann ich nur antworten: 'Ja, denn eine Woche Österreich-Urlaub bedeutet für mich in Wahrheit noch eine Woche Gesprächstherapie, um alles zu verarbeiten, was ich mir hab geben müssen'. Das ist natürlich überspitzt dargestellt, aber unterm Strich ist mein Österreich-Urlaub eine ganz andere Erfahrung als der von weißen Menschen. Das haben viele nicht am Radar – speziell diejenigen, die erst 2020 drauf gekommen sind, dass Rassismus nicht nur was mit Rechtsradikalismus und Springerstiefeln zu tun hat.

Abgesehen davon ist Österreich-Urlaub teuer: Ich überlege mir drei Mal, ob ich 1.000 Euro für einen Urlaub in Griechenland ausgebe, wo mir niemand auf die Nerven geht, oder in Österreich, wo ich vielleicht diskutieren muss und mir mein Tag versaut wird, weil irgendwer was Blödes sagt oder man mich auf Englisch anspricht."

 

Amani Abuzahra
Autorin & Trainerin für Interkulturalität und muslimische Lebensstile

"Ich glaube, die meisten weißen Menschen können im Urlaub einfach abschalten. Das ist ein echtes Privileg - das ist vielen nicht bewusst. Wenn du Urlaub buchst, dann schaust du vielleicht auf die Kosten, fragst dich: 'Bekomme ich auch was für mein Geld? Wo gibt's coole Ausflugsziele?' Unsereiner muss noch so vieles andere miteinberechnen, um unangenehme Erfahrungen auszuschließen. Ich mache mich vorher bei Freund*innen oder Familie schlau. Ich frage, welche Herbergen sie empfehlen können, erkundige mich, wie das mit dem Schwimmen mit Burkini im jeweiligen Bad ist – wie viel Energie das alles kostet! Also der Startpunkt, wo der Urlaub beginnt, ist schon ganz ein anderer.

Mit dem Burkini gibt’s zum Beispiel immer wieder Schwierigkeiten. Ich schwimme sehr gerne und weiß inzwischen, wo ich hingehen muss, damit mir nichts passiert. Das bedeutet aber auch, dass ich schon oft Erfahrungen mit Leuten gemacht habe, die komisch reagieren. Dann weiß ich: Da brauch‘ ich nicht mehr hingehen. Einmal waren wir schwimmen und der Bademeister hat uns rausgepfiffen und gemeint, dass "dieser Burkini" so nicht passe. Es war aber rechtlich gesehen erlaubt und genau das zählt auch zur Vorbereitung: Dass du weißt, wo es keinen Konflikt mit dem geltenden Gesetz gibt. In Wien ist Schwimmen mit Burkini etwa erlaubt, in manchen Städten in Oberösterreich nicht. Dieser Bademeister hat uns erklärt, dass sich die Mehrheit der Badegäste gestört fühle – das Recht war aber offiziell auf unserer Seite. Wir mussten mit ihm diskutieren. Eine seiner Kolleginnen meinte dann: 'Das ist voll okay, die dürfen das'. Allein diese Diskussion zu führen war so unangenehm! Man geht ja schwimmen, um Sport zu machen oder zur Erholung. Im Urlaub hat niemand Lust auf Diskussionen und dumme Argumente. Man will einfach seine Ruhe haben.

Ich weiß, dass einige gezielt ins Ausland fahren, um sich solche Erfahrungen zu ersparen. Das mache ich auch, aber es gibt in Österreich so schöne Orte, da denke ich mir: 'Nein, das lass ich mir nicht nehmen! Ich mache hier genauso Urlaub, denn es ist auch mein Land, meine Gesellschaft. Warum soll ich mich hier nicht erholen?'"

 

Imoan Kinshasa*
Journalistin, Aktivistin & Consultant

moan Kinshasa

Foto: Tokia Hope Carter

"Viele von uns kennen das ja auf dem Dorf oder im ländlichen Raum – da ist jeder suspekt, den man nicht kennt. Ist man weiß, wird man allerdings nicht gleich als Bedrohung wahrgenommen. Ist man aber Schwarz, dann kann es schon sein, dass Leute glauben, wir würden auskundschaften, wo wir später am Abend einbrechen gehen. Ein generelles Misstrauen, als würden wir irgendetwas tun, was nicht okay ist – obwohl wir natürlich auch nur ganz normal Urlaub machen: spazieren, wandern, Natur genießen. Es ist auch traurig, wenn man nicht so freundlich und herzlich begrüßt wird wie andere Tourist*innen. Man merkt ja, ob eine Person nur zu den weißen Gästen nett ist.

Entspannen kann ich im Österreich-Urlaub immer nur bis zu einem gewissen Punkt. Dann passiert wieder irgendwas. Letztes Jahr war ich in einem Schwimmbad und direkt neben mir war eine Frau, die wohl mit afrikanischen Kindern zu tun hat. Sie hat erzählt und dabei das N-Wort benutzt – da war für mich die Entspannung wieder vorbei. Es sind solche Sachen, die dir das Urlaubsgefühl vermiesen.

Was mir auch in Erinnerung bleibt, sind die Blicke der Männer. Gerade im Urlaub ist man viel im Bikini unterwegs und trägt kürzere Sachen. Man wird dann schon sehr sexualisiert, weil viele Männer Frauen, die wie ich aussehen, offenbar nur aus Pornos kennen. Man wird angestarrt, es wird geredet – das ist nicht schön. Manchmal sag ich dann auch was, wenn mich jemand durchgehend anstarrt. Aber ganz ehrlich: Oft weiß ich nicht, wo ich anfangen soll, wo ich aufhören soll, weil einfach so viel passiert. So viele Leute reden, schauen deppert... Es gibt Orte, an die man nicht gehen kann, weil die Leute so unerträglich sind, dass es nicht auszuhalten ist. Rassismus macht leider keinen Urlaub, daher muss man sich immer für die Rechte anderer einsetzen, auch wenn man keinen Bock hat. Ich hab ja auch keinen Bock darauf, komisch angeschaut zu werden. Trotzdem: Zivilcourage ist auch im Urlaub wichtig."

 

Asma Aiad
Künstlerin & Aktivistin

"Ich als sichtbare Muslimin kann einen Urlaub nicht einfach buchen und wegfahren. Ich muss mich vorher genau informieren. Meistens frage ich andere Muslim*innen oder PoCs, ob sie Orte kennen, an denen sie gute Erfahrungen gemacht haben. Diese Infos teilt man gerne untereinander. Im Urlaub will ich mich entspannen und nicht schon wieder gegen Rassismus kämpfen. Ganz konkret ist es etwa beim Badeurlaub in Österreich: Schwimmen mit Burkini kann zu sehr unguten Situationen führen - angefangen beim angestarrt und beleidigt werden bis zu aus dem Pool rausgehaut werden. Auf das habe ich im Urlaub keinen Bock.

Schlecht bedient zu werden, oder dass Menschen über eine*n sprechen und schimpfen – das gehört leider zur Tagesordnung. Ich finde es immer sehr unangenehm, wenn dich die Leute wie ein Alien behandeln. Du sitzt einfach da und die Leute reden über dich, beschimpfen dich oder geben sehr rassistische Aussagen von sich und du denkst dir nur 'Oida?! Glaubst du, ich hör dich nicht?' Und wenn du sie darauf ansprichst, tun sie so als hätten sie nichts gesagt oder als würdest du gar nicht existieren. Auch im Zug habe ich rassistische Erfahrungen gemacht als eine Gruppe von Fahrgästen meine Freundinnen und mich rassistisch beleidigt und auch rechtsextreme Aussagen getätigt hat. Manchmal hilft es da, wenn man den Schaffner informiert. Ich habe aber auch schon die Erfahrung gemacht, dass der Schaffner total ungut war.

Für viele Muslim*innen oder POCs ist Rassismus im Urlaub in Österreich leider sehr üblich und auch der Grund, warum ich meist eher im Ausland Urlaub mache. Diesen Sommer heißt das für mich, eher an Orte zu fahren, die ich von anderen empfohlen bekomme. Also irgendwo raus aus der Stadt in die Natur, aber immer im Hinterkopf die Hoffnung, dass ich auf niemanden treffe, der ein Problem mit mir hat. Wenn es wieder möglich sein sollte - hoffentlich - wieder etwas weiter weg zu reisen, dann würde ich gerne wieder nach Malaysien. Dort kann ich wirklich Urlaub machen, und zwar auch mal Urlaub vom Alltagsrassismus."

 

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