Unternehmen brauchen wegen der Digitalisierung Konzepte, um Verbraucher anzusprechen. Das Beratungshaus Service Value hat ermittelt, worauf Kunden Wert legen.
KölnBei der Volksbank Mittelhessen bekommen Kunden bald einen neuen Helfer, die Spracherkennung „kiu". Im Oktober soll ein Test starten. Kontoinhaber müssen dann nicht mehr lange rechnen: Auch bei Fragen nach Mietausgaben im letzten halben Jahr oder den Gesamtkosten für Versicherungen pro Monat soll „kiu" umgehend eine präzise Auskunft geben.
Die Digitalisierung erfasst die Kundenfachberatung - und führt zu einem grundlegenden Wandel. Studien prognostizieren, dass in diesem Feld etliche Jobs durch Maschinen ersetzt werden. Wie aber nutzen Unternehmen die neuen technischen Möglichkeiten, um die Bedürfnisse der Kunden besser zu befriedigen? Und welche Rolle spielt der klassische Berater vor Ort?
Antworten darauf liefert eine Erhebung der auf Servicequalität spezialisierten Beratungsgesellschaft Service Value in Zusammenarbeit mit dem Handelsblatt. Dabei wurden Kunden von Dienstleistern und Einzelhändlern aus über 30 Branchen befragt.
Die Volksbank Mittelhessen schnitt am besten ab in der Kategorie „Banken regional" - und erreichte zudem die beste Bewertung aller beteiligten Unternehmen. Offenbar gelingt es, Technik und persönliche Beratung in Einklang zu bringen.
Das Prinzip der Volksbank: Simple Fragen beantwortet die Spracherkennung. Für die komplexe Beratung aber ist nach wie vor der Mensch da - wobei Technik ihn an verschiedenen Stellen unterstützt. „Die Digitalisierung ermöglicht es uns, nah am Kunden zu bleiben", sagt Lars Witteck, Vorstand der Volksbank Mittelhessen.
Die Kunden können ihrem Berater schnell eine Nachricht bei WhatsApp schreiben, den Robo-Advisor nach dem Wertpapierdepot befragen oder im Gespräch mit dem Berater auf einen gemeinsamen Bildschirm zugreifen, um Inhalte zu visualisieren. „Wir merken, dass auch junge Leute an Scheidepunkten in ihrem Leben eine persönliche Beratung wünschen", so Witteck.
Versicherer beraten besonders gutDie Studie zeigt, wie Kunden die Beratung eines Unternehmens wahrnehmen, und gibt Aufschluss darüber, was gut ankommt. „Hervorzuheben ist, dass die Versicherer es insgesamt auf den zweiten Platz geschafft haben - trotz des schlechten Rufs der Branche", sagt Service-Value-Chef Claus Dethloff. Für Jochen Bohne, Leiter der Abteilung Vertriebstraining und -beratung bei der Provinzial Rheinland, ist das der Lohn für einen stärkeren Einsatz hinsichtlich der Mitarbeiterkompetenz: „Die Versicherer haben in den vergangenen Jahren viel investiert, um ihre Vermittler weiterzubilden."
Die Provinzial Rheinland hat es unter den Versicherern an die Spitze des Rankings geschafft. Bohne stellt fest: Die Anforderungen der Kunden wachsen. Um ihnen gerecht zu werden, will sich die Provinzial Rheinland breiter aufstellen - auch über reine Versicherungsprodukte hinaus. Bohne nennt ein Beispiel: „Nach einem Starkregen in Leichlingen konnten wir Kunden erklären, mit welchen Produkten sie Schäden in ihrem Keller in Zukunft ganz vermeiden können."
In den nächsten Jahren will die Provinzial Rheinland solche Dienstleistungen ausweiten - also etwa zum Smarthome beraten. Zugleich sei die Vermittlung von Handwerkern, Gärtnern oder sogar Pflegekräften möglich.
Auch das reine Versicherungsgeschäft werde immer komplexer, sagt Bohne. Deshalb glaube er nicht an Studien, die das langsame Aussterben des Vermittlers prophezeien. Selbst Mitarbeiter der Versicherungen hätten zu Beginn oft Schwierigkeiten, neue Produkte zu verstehen. Es komme letztlich auf den Menschen an, der den Kunden Durchblick verschafft.
„Wir stellen fest, dass die Mitarbeiter, die sich regelmäßig weiterbilden, erfolgreicher sind", sagt Bohne. Das Interesse des Versicherers: „Wir wollen unsere Vermittler vor allem lange an das Unternehmen binden", so Bohne. Die Fluktuation sei im Branchenvergleich niedrig. Damit will das Unternehmen auch erreichen, dass die Vermittler in der Region verwurzelt sind. Sie sollen dann nicht nur beraten, sondern etwa auch das Sponsoring für den lokalen Fußballverein organisieren.
Die Kundenbefragung von Service Value bestätigt, dass regionale Bindung ein Vorteil ist - so lagen etwa regionale Banken im Schnitt besser als bundesweit tätige Institute. Claus Dethloff überrascht das nicht: „Banken vor Ort investieren augenscheinlich in mehr Beratungszeit für ihre Kunden."
Generell ist Zeit ein wichtiger Faktor: So landeten Baumärkte und Möbelhäuser im Ranking auf den hinteren Plätzen. Einen möglichen Grund ganz unabhängig von der Beratungsqualität zeigen andere Untersuchungen: Kunden müssen dort vergleichsweise lange warten, bis ein Mitarbeiter Zeit hat.
Wartezeiten bringen MinuspunkteEin angemessener zeitlicher Aufwand ist in den meisten Branchen ein wichtiger Faktor für die Kaufentscheidung. Das zeigt eine Sonderauswertung der Studie. Besonders bedeutend ist außerdem oft, wie lösungsorientiert der Berater sich im Gespräch zeigt und wie passend er ein Angebot vermittelt.
Daneben zeigen sich in einigen Branchen spezifische Erfolgsfaktoren: Bei den Massivhausanbietern entscheiden vor allem die erste Kontaktaufnahme und das persönliche Entscheidungsbild des Beraters darüber, ob der Kunde das Haus am Ende kauft. Auch in Baby- und Computerfachmärkten sowie bei Krankenkassen legen die Kunden besonderen Wert auf die äußere Erscheinung des Beraters.
Die absolute Spitzenwertung der Studie erhielt die Provinzial Rheinland für das Beratungsthema „Auto und Mobilität". „Standard" nennt Jochen Bohne die Beratungen in diesem Bereich - von der Konkurrenz abgrenzen könne man sich dort kaum. Grundsätzlich schwerer haben es Berater, die komplexere Themen vermitteln müssen.
Im Branchenranking liegen die Reisebüros vorn. Vor allem Lufthansa City Center (LCC) überzeugte die befragten Kunden. Die Kette versucht, sich von der Konkurrenz aus dem Netz abzugrenzen. Zwar buchen Deutsche ihren Urlaub noch immer gerne im Reisebüro - aber immer öfter auch online, wie Daten des Deutschen Reiseverbands zeigen. „Um uns von Suchmaschinen im Internet abzugrenzen, müssen wir dafür sorgen, dass sich unsere Mitarbeiter in den Reiseländern gut auskennen", sagt Holger Laube, Bereichsleiter Franchise bei LCC. Der Kunde sei heute viel informierter.
Der Franchisegeber bietet deshalb Trainingsprogramme, Fortbildungen zu technischen Tools oder Webinare, die über Neuheiten in den Zielländern informieren. Auf einer internen Plattform können Angestellte sich außerdem mit Mitarbeitern in Reisebüros in mehr als 80 Ländern austauschen. Die Kette hat auch mit Algorithmen experimentiert. Doch der persönliche Berater liefere dem Kunden deutlich bessere Ergebnisse - man sei zu dem Schluss gekommen, dass die zwischenmenschliche Beziehung unverzichtbar ist.
Was letztlich nötig ist, um Kunden gut zu beraten, ist von Branche zu Branche verschieden. Eines allerdings gelte für alle, sagt Service-Value-Chef Dethloff: „Unternehmen, die in der Studie weiter vorn liegen, wenden auch mehr Energie für das Personalmanagement auf."