Stand jetzt: Donald Trump zählt mit seinen 74 Jahren zur Riskogruppe. Er ist in das Militärkrankenhaus „Walter Reed" bei Washington gebracht worden - als Vorsichtsmaßnahme wie eine Sprecherin des US-Präsidialamtes mitteilte.
Der Präsident werde in den kommenden Tagen die Amtsgeschäfte von der Klinik aus führen. Er habe die Amtsgeschäfte NICHT an seinen Vize Mike Pence übergeben.
Aber: Sollte Trump doch arbeitsunfähig werden, würde der Vizepräsident übernehmen. BILD gibt einen Überblick über Regelungen und Präzedenzfälle. Die allgemeine Regelung in der US-Verfassung▶︎ Festgehalten ist die Übergabe der Amtsgeschäfte an den Vizepräsidenten in der US-Verfassung.
Im ersten Abschnitt des zweiten Artikels heißt es: „Im Falle der Amtsenthebung des Präsidenten oder seines Todes, Rücktritts oder der Unfähigkeit zur Wahrnehmung der Befugnisse und Obliegenheiten seines Amtes geht es auf den Vizepräsidenten über."
▶︎ Die genauen Abläufe bleiben dort aber sehr vage. Deshalb gibt es den 25. Zusatzartikel zur Verfassung.
Demnach kann der Vizepräsident die Geschäfte zeitweise, vorübergehend oder im Ernstfall sogar dauerhaft übernehmen - zumindest bis zu den Wahlen.Hintergrund: Die Regeln der Amtsübernahme wurden nach der Ermordung von Präsident John F. Kennedy (1963) im 25. Zusatzartikel zur Verfassung präzisiert. Er trat 1967 in Kraft und sieht verschiedene Szenarien vor.
Die Szenarien: Wann regiert der Vize?Mit dem Fall einer schweren Erkrankung des Präsidenten befasst sich zunächst Abschnitt 3 des Zusatzartikels. Demnach kann der Präsident die Spitzen des Kongresses darüber informieren, „dass er unfähig ist, die Befugnisse und Obliegenheiten seines Amtes wahrzunehmen".
In diesem Fall werden „diese Befugnisse und Obliegenheiten vom Vizepräsidenten als amtierendem Präsidenten wahrgenommen". In der US-Geschichte wurde dieser Abschnitt drei Mal angewandt. Im Juli 1985 musste sich der damalige Präsident Ronald Reagan unter Vollnarkose einen Polypen aus dem Dickdarm entfernen lassen. Sein Stellvertreter George H.W. Bush übte das Präsidentenamt damals für rund acht Stunden aus. Bereits vier Jahre zuvor war ein entsprechendes Schreiben an den Kongress aufgesetzt worden, nachdem Reagan bei einem Attentat schwer verletzt worden war. Der Brief wurde letztlich aber nicht abgeschickt.Präsident George W. Bush übertrug dann im Juni 2002 und im Juli 2007 die Macht jeweils kurzzeitig an seinen Vize Dick Cheney, als er sich unter Betäubung Darmspiegelungen unterzog.
▶︎ Szenario 2: Der Präsident kann - oder will - das Amt nicht übergebenDer 25. Verfassungszusatz sieht noch einen weiteren Fall vor: Der Präsident kann seine Unfähigkeit zur Amtsausübung nicht selbst erklären - oder er will es nicht.
In diesem Fall können laut Abschnitt 4 der Vizepräsident und eine Mehrheit des Kabinetts den Kongress darüber informieren, dass der Präsident amtsunfähig ist. Widerspricht der Präsident dieser Einstufung, müsste der Kongress entscheiden.Notwendig für eine Übertragung des Amtes gegen den Willen des Präsidenten wären Zweidrittel-Mehrheiten in Senat und Repräsentantenhaus. Abschnitt 4 ist in der US-Geschichte noch nie zur Anwendung gekommen.
Wahrscheinlichkeit der Szenarien im Fall Trump Derzeit wird der Präsident nach Angaben des Weißen Hauses mit „leichten" Symptomen in der „Walter Reed"-Klinik behandelt und führt deswegen weiter die Amtsgeschäfte. Sollte er schwer erkranken, könnte eines der beiden oben genannten Szenarien eintreten.„Wenn dem Präsidenten klar wird, dass sich sein Zustand verschlechtert und er nicht in der Lage ist, seine Amtspflichten wahrzunehmen, kann er Abschnitt 3 aktivieren", erklärt John Hudak von der Denkfabrik Brookings Institution.
Sollte sich der Zustand des Präsidenten aber rapide verschlechtern und er das Amt nicht selbst an seinen Stellvertreter Pence übergeben können, könnten der Vizepräsident und die Regierung Abschnitt 4 aktivieren. Doch wie wahrscheinlich sind die beiden Szenarien?Klar ist: Seit zwei Tagen gibt es es ein positives Testergebnis bei Trump. Aber: „Den Zeitpunkt der Infektion können wir nur abschätzen. Perspektiven, wie der Krankheitsverlauf sein wird, sind deshalb vollkommen unpräzise", erklärte Prof. Uwe Janssens, Präsident der deutschen Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin, bei BILD live.
Trump erhält Remdesivir, eine antivirale Substanz, die bereits erfolgreich bei einzelnen Covid-19-Patienten eingesetzt wurde.„Diese Substanz sollte möglichst frühzeitig verabreicht werden." Janssens erklärt: „Remdesivir hat eine beschränkte Zulassung in Europa für schwer erkrankte Patienten über zwölf Jahren und kann zu einer Absenkung der Sterblichkeit führen."
Aber: Trump ist mit seinen 74 Jahren Risikopatient! Die Wahrscheinlichkeit eines schwereren Krankheitsverlaufs ist somit größer. Bei höherem Alter und schwerem Verlauf wächst zudem erheblich die Gefahr, an Covid-19 zu sterben.„Im Alter zwischen 60 und 74 Jahren haben die Patienten ein 90-fach höheres Sterblichkeitsrisiko als Patienten zwischen 16 und 29 Jahren, um das mal drastisch zu verdeutlichen.", so Jannsens in BILD live.
Heißt: Es besteht die - statistische - Wahrscheinlichkeit, dass sich Trumps Zustand verschlechtert!Jannsens: „Herr Präsident Trump befindet sich noch nicht in einer kritischen Situation. Dennoch stehen wir erst am Anfang der Erkrankung. Die kritischen Situationen stellen sich in der Regel erst zwischen Tag sieben und Tag zwölf nach Infektion ein."
Was macht Vize-Präsident Mike Pence?BILD-Reporter Herbert Bauernebel berichtete bei BILD live aus Washington: „Vize-Präsident Mike Pence hält sich offensichtlich bereit. Und natürlich, wenn es schlimmer wird mit dem Präsidenten, geht die Macht auf ihn über."
Der amerikanische Vizepräsident lebt in der Naval Observatory, das ist am Stadtrand von Washington D.C. „Dort stehen bereits Journalisten vor den Toren und das zeigt, wie dramatisch diese Lage hier ist in Amerika", berichtet Bauernebel.Und weiter: „Was man hört aus dem Umfeld des Vize-Präsidenten, dass er sich bereit hält und wartet, was möglicherweise auf ihn zukommt."
Brisant: Sollte auch Mike Pence an Corona erkranken und nicht in der Lage sein, die Geschäfte zu führen, würde tatsächlich eine Demokratin die Amtsgeschäfte übernehmen.
In diesem Fall wäre nämlich die Vorsitzende des Repräsentantenhauses am Zug: Nancy Pelosi (80). Sie steht in der Rangfolge an dritter Stelle nach dem Präsidenten und dem Vizepräsidenten.
Außerdem: Der Verfassungszusatz regelt auch die Nachfolge für den Fall des Todes, Rücktritts oder einer Amtsenthebung: Dann hätte der bisherige Vize-Präsident alle Vollmachten - in Trumps Fall also Mike Pence. Falls auch Pence ausfiele, würde auch hier Pelosi nachrücken. Stecken die USA bereits in einer politischen Krise?Politikwissenschaftler Prof. Thomas Jäger bei BILD live: „Wie weit das ( Trumps Erkrankung, d.Red.) Amerika in die Krise stürzt, kommt ganz darauf an, wie der Krankheitsverlauf ist."
Fest stehe: Bei jedem anderen Menschen würde es sich um ein Gesundheitsproblem handeln, aber wenn der amerikanische Präsident sich infiziert, dann sei das ein veritables politisches Problem.
Die Abwehrkräfte und Energie des Präsidenten würden nun darüber entscheiden, wie tief die amerikanische Präsidentschaft in diesem Wahlkampf in die Krise stürze.
Jäger: „Das ist ein Wahlkampf, der vor Überraschungen nur so strotzt. Man weiß gar nicht, was man noch alles erwarten wird in diesen nächsten Tagen bis zum 3. November."