"Ab dem zweiten Verhandlungstag sind fast keine Schweizer Journalisten mehr nach Bellinzona gekommen", sagt Mariam Sankanu, während sie gleichzeitig auf den Monitor schielt, auf dem die Verhandlung aus dem Gerichtssaal nebenan übertragen wird. "Aber ich nehme es euch nicht übel. Der Prozess kann für euch unmöglich so viel bedeuten wie für uns."
Mariam Sankanu ist 24 Jahre alt. Sie schreibt für " Malagen", ein investigatives gambisches Onlinemagazin, das sich der Aufdeckung von Korruptionsfällen und anderen Verbrechen verschrieben hat. Zudem ist sie für das Projekt " Justice Info" tätig - ein Onlineportal, das von einer Stiftung mit Sitz in Lausanne unterstützt wird und insbesondere über Prozesse von transitional justice berichtet, also über die Aufarbeitung von Bürgerkriegen oder autoritären Herrschaftsperioden.
Sie ist in die Schweiz gereist, um den Prozess gegen Ousman Sonko vor dem Bundesstrafgericht zu verfolgen. Sonko war unter dem autoritären Herrscher Yahya Jammeh, der Gambia während zweier Jahrzehnte regierte, Innenminister. Nun muss er sich in Bellinzona wegen zahlreicher Verbrechen gegen die Menschlichkeit verantworten. Das Gericht in der Schweiz muss beurteilen, welche Verantwortung Sonko für die Gewalt jener Zeit trägt.
Sankanu hat keine Minute der Verhandlungen verpasst. Bislang.
In der entscheidenden Woche jedoch wird sie nicht mehr in der Schweiz sein. Nach Abschluss des Beweisverfahrens ist der Prozess am 24. Januar nach zweieinhalb Wochen unterbrochen worden. Am 4. März soll er mit den Parteivorträgen wieder aufgenommen werden.
Doch Sankanu fliegt nun zurück nach Gambia. Ihr Visum läuft ab. Vor der Abreise treffen wir sie zum Kaffee und blicken mit ihr auf die Zeit am Bundesstrafgericht zurück. Wie hat sie den Prozess erlebt? Wie wurde in Gambia darüber berichtet? Und was bedeutet das Verfahren in Bellinzona für den dortigen Aufarbeitungsprozess der 22 Jahre dauernden Herrschaft von Yahya Jammeh?