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Dieses Projekt zeigt Bremer Jugendlichen den Weg ins Ehrenamt

Unter der Anleitung von Illustrator Jeff Hemmer (links) zeichnet Ibrahim einen Comic über seine Heimat Guinea. Foto: Christina Kuhaupt

Ein Bild allein macht noch kein Comic. „Erst eine Folge von Bildern erzählt eine Geschichte“, sagt Jeff Hemmer. Der Illustrator und Comic-Zeichner bringt jungen Menschen bei, wie sie ihre eigene Geschichte erzählen können. Bleistift, Anspitzer, Radiergummi, zwei schwarze Filzstifte sowie weißes Papier sind alles, was sie dafür brauchen – und eine Antwort auf die Frage „Was willst du in der Welt verändern?“

Der Comic-Workshop ist Teil von „Spot On Democracy“, ein dreijähriges Projekt, das jungen Erwachsenen zeigt, an welchen Orten Demokratie passiert und sie dafür begeistern will, sich zu engagieren. Gefördert wird die Kooperation zwischen Fluchtraum Bremen, Flüchtling für Flüchtling und dem Bremer Jugendring vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge. Wegen des Lockdowns sind die Präsenztermine im Creative Hub an der Falkenstraße derzeit ausgesetzt.

„Es gibt viele Chancen für junge Menschen, in der Gesellschaft mitzumischen“, sagt Insa Bertram von Fluchtraum. Das Projektteam organisiert Veranstaltungen mit Parteien und Organisationen für Jugendliche – bestenfalls, um sie anschließend ins Ehrenamt zu vermitteln. Teilnehmen können alle Bremerinnen und Bremer bis 27 Jahre, egal ob zugewandert oder nicht.

SPIELERISCHER ZUGANG

Viele junge Menschen hätten Lust, sich zu engagieren, wüssten aber nicht wie und wo das geht, sagt Ribanna Mitrovic von Flüchtling für Flüchtling. Das sollen die Veranstaltungen ändern. Im Gespräch mit den Jusos, der Jugendorganisation der SPD, haben die Teilnehmenden zum Beispiel erfahren, dass man für eine Parteimitgliedschaft keinen deutschen Pass braucht. Ihre Grundrechte haben sie in einem Workshop mit der Landeszentrale für politische Bildung kennengelernt. Das Projekt will den Jugendlichen auch zeigen, dass Politik über die Parteienlandschaft hinaus geht. Darum haben die Teilnehmenden etwa mit zwei Stadtführern der „Zeitschrift der Straße“ über Obdachlosigkeit gesprochen. „Gleichzeitig wollen die Organisationen zeigen, dass Jugendliche ein Interesse daran haben, sich zu engagieren“, sagt Bertram.

„Der Comic-Workshop soll einen spielerischen Zugang zu politischen Themen ermöglichen“, betont Mitrovic. Viele Jugendliche wüssten gar nicht, wo genau ihre Interessen liegen, erklärt die 33-Jährige. Wofür brennst du? Der Antwort auf diese Frage sollen die Jugendlichen näher kommen, während sie die schwarzen Kästchen unter Hemmers Anleitung füllen.

„Ich kann nicht gut zeichnen“, sagt Ibrahim. Darum geht es laut Hemmer auch nicht. „Ich muss eine Geschichte erzählen und nicht supergeil zeichnen können.“ Ibrahim ist 22 Jahre alt und lebt seit knapp drei Jahren in Bremen. Es ist die erste Veranstaltung von „Spot on Democracy“, die er besucht. Die Geschichte, die sein Comic erzählt, spielt in seiner Heimat Mamou, ein Ort im westafrikanischen Guinea. Ibrahim hat ein Haus mit Garten gezeichnet, in dem ein Mädchen steht. „Das ist Habiba. Sie ist alleine zu Hause und sorgt sich um ihre Eltern“, sagt Ibrahim. Die Eltern seien im Dorf, um zu arbeiten, das Mädchen habe Angst um sie. „Viele Kinder in Guinea machen sich Sorgen, dass ihre Eltern nicht wiederkommen.“

Einen leichten Start hatte „Spot on Democracy“ nicht. Das Projekt ist im März angelaufen, mitten in der Pandemie. „Unsere Veranstaltungen unterliegen vielen Regularien. Die Jugendlichen müssen sich zum Beispiel vorher anmelden“, sagt Mitrovic. „Das ist für viele eine Hürde.“ Abgesehen davon wollen die Organisatoren ihr Angebot möglichst niedrigschwellig gestalten. „Jeder kann dazu kommen.“ Das hat laut Mitrovic jedoch auch zur Folge, dass die Zusammensetzung der Gruppe von Workshop zu Workshop meist wechselt.

Einer, der schon öfter dabei war, ist Buba. Er stammt aus Gambia und lebt seit acht Monaten in Bremen. „In einem der Workshops haben wir das Grundgesetz kennengelernt“, sagt der 16-Jährige. „Ich kann nicht in einem Land leben, ohne die Gesetze zu kennen.“ Buba möchte in die Politikwissenschaft, um Regierungen und Führungskräfte zur Verantwortung zu ziehen, wie er sagt. „Ich bin sehr froh, Teil der Gruppe zu sein und zu lernen, wie ich mich jetzt schon politisch engagieren kann.“

Bertram wünscht sich, dass ein Projekt wie „Spot on Democracy“, auch dort angeboten wird, wo sich junge Menschen ohnehin aufhalten. „Bis die Leute zu uns finden, muss viel passieren“, sagt die 32-Jährige. „Es wäre leichter, wenn es in Übergangswohnheimen oder der Jugendhilfe eine Person gäbe, die den Jugendlichen hilft, ihre Interessen zu entdecken. Aber dort gibt es nur Raum für das Notwendige.“ Deswegen übernehmen Bertram und ihr Team diese Aufgabe – zumindest für die kommenden zwei Jahre.

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