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Deutsche Post: Konflikte mit Babyboomern? Das sagt eine junge Chefin

Berlin. Sarah Diesing hat rasant Karriere gemacht. Schon mit 25 Jahren war sie Führungskraft. Nun ist sie 33 und Chefin von 2800 Postboten.


Mit festem Schritt läuft Sarah Diesing über den Parkplatz des DHL-Zustellstützpunktes in Berlin-Grünau. Sie schließt eine Tür auf und passiert eine Menschentraube, die auf dem Platz steht. Diesing grüßt und schäkert mit den Mitarbeitern, die rund doppelt so alt sind wie sie. „Bis morgen, Chefin!", ruft ihr einer der Männer nach, Sarah Diesing und der Rest der Gruppe lachen.

Chefin sein, diese Rolle ist der 33-Jährigen wie auf den Leib geschneidert. „Ich hatte in der Schule nie das Problem, Vorträge zu halten oder mich vor eine Gruppe zu stellen", erzählt sie. Heute ist Sarah Diesing Abteilungsleiterin der DHL in der Niederlassung Berlin 1, hat rund 2800 Briefzusteller unter sich und ist dafür verantwortlich, dass in Ost- und Südberlin und Südost-Brandenburg Tag für Tag Briefe und Pakete bei ihren Empfängern ankommen.

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Sie habe schon immer interessiert, wie die Welt vernetzt sei und wie Dinge funktionieren. Tourismus, Logistik, Globales; das sind ihre Themen. „Mich jahrelang in die Uni zu setzen und nur Theorie zu lernen, kam für mich nicht infrage", erzählt Sarah Diesing. Deshalb entscheidet sie sich nach dem Abitur für ein duales Studium bei DHL. Mit 25 Jahren übernimmt sie dann ihre erste Führungsposition als Leiterin des Zustellstützpunktes in Friedrichshain-Kreuzberg.

Fast 300 Mitarbeiter hat Diesing zu dem Zeitpunkt unter sich - und natürlich sei sie am Anfang aufgeregt gewesen: „Du sitzt zu Hause und weißt, morgen geht es los." „Es" bedeutet in dem Fall: Die einzelnen DHL-Standorte besuchen und sich den Zustellern als neue Chefin vorstellen - die auch gerne doppelt so alt sind wie Sarah Diesing zu dem Zeitpunkt. Natürlich werde man als Führungskraft, insbesondere als sehr junge Vorgesetzte, kritisch beäugt, das sei aber menschlich. Zweifel, die aufgrund ihres Alters aufkamen, habe sie durch ihren Einsatz und fachliche Kompetenz ausräumen können. „Als Führungskraft bist du nicht Everybody´s Darling ", meint Diesing. Wer das will, müsse sich einen anderen Job suchen.

Nach zweieinhalb Jahren wechselt Diesing die Stelle und wird Abteilungsleiterin der Briefverteilzentren, 28 Jahre alt ist sie zu dem Zeitpunkt und verantwortet etwa 1000 Mitarbeiter. Mittlerweile ist sie als Abteilungsleiterin Auslieferung in großen Teilen Berlins und Brandenburgs für fast 2800 Brief- und Paketzusteller zuständig. Ihr Studium hat sie auf die Aufgabe vorbereitet; in Talentprogrammen wird sie von Coaches betreut, bekommt eine Mentorin zur Seite gestellt und netzwerkt in einem Förderprogramm für Frauen mit anderen weiblichen Führungskräften innerhalb des Konzerns.

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Am wichtigsten für sie sei allerdings die Unterstützung durch Vorbilder gewesen: „Ich habe von meinen Vorgesetzten immer einen kleinen Schubs bekommen, weil sie an mich geglaubt haben. Ohne das hätte ich mir viel weniger zugetraut", erzählt Diesing. Natürlich müsse in einem Unternehmen auch das richtige Mindset dafür herrschen, Führungspositionen mit jungen Frauen zu besetzen. Ein Netzwerk helfe zwar dem Selbstvertrauen, am Ende komme es allerdings auf die Vorgesetzten an.

Wie junge Führungskräfte ticken

Sarah Diesing gehört zu einer neuen Generation an Führungskräften, die gerade auf den Arbeitsmarkt kommt. Die Generation Y fordert mehr Homeoffice, die Vier-Tage-Woche oder mehr Elternzeit, denkt die Arbeit neu. Diese Generation trifft nun auf die Babyboomer, für die Überstunden und Arbeit auch an Wochenenden Normalität sind.

Kommt es da nicht zu Konflikten? Nein, sagt Sarah Diesing. Man merke definitiv, dass ihre Generation ein anderes Empfinden für die Work-Life-Balance habe, „die älteren Führungskräfte interessieren sich aber sehr für die Anliegen der Jüngeren und sind total offen dafür."

Erfahrung und Nachwuchs sollen sich miteinander verknüpfen

Diesing sieht vor allem die Vorteile, wenn zwei unterschiedliche Generationen aufeinanderprallen. „Es ist immer wichtig, dass man Erfahrung und Nachwuchs verknüpft und dass erfahrene Mitarbeiter Spaß daran haben zu sehen, wie sich die jungen Mitarbeiter entwickeln." Trotz den Forderungen ihrer Generation liege es aber bei jedem selbst, die eigene Work-Life-Balance zu gestalten und sich Zeit zu nehmen: „Wenn man keine andere Säule im Leben hat, die einen stärkt und Kraft gibt, wird man unglücklich und unauthentisch. " Diesings Tage sind vollgepackt, sie versucht, jeden der 50 DHL-Standorte in ihrem Verantwortungsgebiet regelmäßig zu besuchen und mit den Mitarbeitern im Gespräch zu bleiben. Als Ausgleich verbringt sie Zeit mit Familie und Freunden, bewegt sich an der frischen Luft und bereist andere Länder.

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Mittlerweile bildet Sarah Diesing selbst Führungskräfte aus und weiß genau, was besonders wichtig ist: „Immer man selbst bleiben, Mitarbeiter merken, wenn man sich verstellt." Zwar hat sie selbst mit nur 33 Jahren schon eine beachtliche Karriere hinter sich, ihren jungen Führungskräften rät Diesing aber, bei neuen Herausforderungen immer auf das eigenen Bauchgefühl zu hören. Jeder sei zu einem anderen Zeitpunkt für den nächsten Karriereschritt bereit und sollte keine Bedenken haben, neue Jobangebote deshalb abzulehnen. „Das ist keine Schande. Man spürt innerlich, wenn man bereit für den nächsten Schritt ist."

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