Lisa Göllert

Dialogjournalismus & Audio, #NDRfragt, Lüneburg

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Was ging bei... Von Wegen Lisbeth im Jazzhaus?

Funky, hip und alternativ sehen die vier Jungs aus, als sie auf die kleine Bühne des Jazzhauses schlendern. Das Kellergewölbe ist in buntes Licht getaucht. Goldkonfetti wirbelt durch die Luft, Lichtflecken gleiten über die Wände. Die Boyband will alles sein, nur nicht Mainstream. Zugegeben speziell ist ihr Kleidungsstil: Frontsänger Matthias Rohde sieht aus, als hätte er modetechnisch eine Zeitreise in die 80er unternommen. Er trägt ein Hemd mit bunten Längsstreifen - dazu eine weite, hellblaue Jeans und schmutzige Adidas-Turnschuhe. Komplementiert wird sein Look durch seine längeren Haare, die ein bisschen an die typische Justin Bieber-Friese erinnern.

Die anderen Bandmitglieder haben sich in Jogginghosen oder geblümte Hawaii-Shorts geworfen - Bassist und Schlagzeuger haben ihre Schuhe vergessen. Der Auftritt der Jungs wirkt ungezwungen - als würden sie spontan im Wohnzimmer für ein paar Freunde spielen. Auch alles andere als Mainstream: Die Band ist mit ulkigen Instrumenten wie Xylophon, Triangel und einem Megafon ausgestattet.

Das Jazzhaus ist bis auf den letzten Zentimeter gefüllt - 450 Tickets wurden verkauft. Das erste Lied ertönt: "Sushi". Der Hit, der die Jungs plötzlich auf allen sozialen Netzwerken berühmt machte und paradoxer Weise die Selbstdarstellung der Nutzer kritisiert. "Linaaaa, ich will dein Sushi gar nicht seheeen", schmettert Matthias Rohde ins Mikro. Um mich herum stehen nur junge Frauen zwischen 15-25 Jahren und hängen wie hypnotisiert an den Lippen des Frontsängers. Sie kreischen, jubeln und kennen jede Zeile. Zugegeben: Die Musik ist tanzbar. Eine circa 15-jährige Mädchengruppe in Jeans, T-Shirt und Turnschuhen hält ein selbstgemachtes Schild mit Liebeserklärungen an die Band in die Luft, dass durch ihr aufgeregtes Gehopse ununterbrochen zum synthetischen Beat wackelt.

Die Band spielt Songs aus ihrem neuen Album "Grande". Frontsänger Rohde schmunzelt: "Eigentlich ist das nicht nur unser neues Album, sondern auch unser erstes." Cool ist: Live werden Xylophon, Triangel und Co. in Szene gesetzt und die Musikinstrumente von allen Bandmitgliedern abwechselnd gespielt. Und plötzlich passiert es: "Bitch, ich bin für dich den ganzen Weg gerannt! Den ganzen Weg alleine - bis zu dir!" So bescheuert der Text auch ist, ich beginne zu hopsen wie eine hormongesteuerte Teenagerin. Der Boyband-Faktor hat auch mich in seinen Bann gezogen. Spätestens als Frontsänger Rohde den gleichnamigen Song zu meinem Namen "Lisa" anstimmt, fühle ich mich direkt angesprochen und stimme in den lauten Gesang ein. "Meine Kneipe" bildet den absoluten Höhepunkt. Das Jazzhaus bebt.


An Alkohol hat das Jazzhaus an diesem Abend jedenfalls wenig Umsatz erzielt. Ich sehe mich in der Menge um: Erblicke kaum Personen, die einen Becher in den Händen halten. Wieso auch Alkohol trinken - die Menge war auch so völlig losgelöst. Immerhin genehmigen sich die Bandmitglieder nach jedem Song einen Schluck Bier.

Die Jungs haben eineinhalb Stunden Vollgas gegeben. Rohde beendet die Show unter lautem Protest mit den Worten: "Wir haben leider nicht mehr Songs." Und ich komme nicht umhin, spätestens nach dieser Aussage mit dem Frontsänger zu sympathisieren. Ob sie nun cool sind oder Mainstream - egal. Jedenfalls sind sie bodenständig, witzig und irgendwie süß.

Wer denkt, Von Wegen Lisbeth komme nur in einer Kreuzberger Alternativen-Szenebar gut an, liegt falsch. Die Jungs hatten Spaß und dafür liebte sie die Menge im Jazzhaus. Klar, die Texte sind wirklich flach ("Das diese Welt nicht zusammenfällt, liegt nur an deinen Beinen?!"), aber um tiefgründige Musik geht es bei den Jungs auch nicht. Es geht ums Tanzen, um Spaß und auch vielleicht darum, sich wieder wie eine verknallte 14-Jährige zu fühlen. Wie die Band in einem ihrer Songs singt: "Mach was du willst, nur mach es richtig." An diesem Abend hat Von Wegen Lisbeth ihre Art des Musikmachens richtig gut gemacht. Bleibt noch zu sagen: "Mach es gut, Chérie!" Ich sage: Bis hoffentlich zum nächsten Mal in Freiburg Von Wegen Lisbeth!

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