Lisa Brüßler

Journalistin. Print, Online & Social, Berlin

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Abgetaucht

Reportage | Oktober 2013 | Ausgabe 121 - Wasser


Drei Wochen Deutschland den Rücken kehren für ein ganz besonderes Abenteuer: Maria und Saskia aus Bremen umschnorchelten Kretas Westküste. 200 Kilometer in 14 Tagen nur mit Maske, Flossen und Schnorchel. Alleine mit sich und dem Meer.

Steilküste, verträumte Fischerdörfer, atemberaubende Schluchten, karibische Strände und azurblaues Meer. Das ist der Südwesten von Kreta. Auch im Herbst lockt die Insel noch mit milden Temperaturen, die viele zum Baden, Sonnen und Wandern anlocken. Der ideale Ort, dachten sich Maria und Saskia aus Bremen, als sie ihren abenteuerlichen Trip durch das herbstliche Mittelmeer planten.

„Ich kannte einen Teil der Südküste Kretas schon von einem Urlaub und dann kam uns die Idee, doch als erste überhaupt die Westküste zu umschnorcheln", erzählt Saskia. Tauchlehrerin Saskia und Maria, die als Dozentin für Ergotherapie arbeitet, kennen sich vom Tauchen in Deutschland und teilen die Leidenschaft für Extremsport. Die beiden planten 18 Tage lang täglich 6 Stunden im Wasser zu verbringen - ein Sprung ins kalte Wasser, denn beide waren noch nie so lange unter Wasser unterwegs. Auf der Tour lauerten somit allerlei Gefahren: Kilometerlange Steilküsten ohne Anlandemöglichkeit, Herbststürme, Unterkühlung und das Gewicht der 50 Kilo schweren Ausrüstung, die sie selbst in einem kleinen Schlauchboot hinterherziehen mussten.

Zeit zum Träumen

Die 24-jährige Maria hatte im Bremer Unisee trainiert, um sich vorzubereiten. Saskia trainierte in Kroatien. „Eine realistische Vorbereitung ist aber nicht möglich", sagt Maria. „In Bremen gab es einfach andere Wassertemperaturen, der See ist nicht annähernd so blau wie das Meer und die Sonne knallt auch nicht von oben."

Auch Zeit zum Träumen blieb den Abenteurerinnen. Foto: Lisa Brüßler

Das Schnorchelabenteuer führt die beiden von Chania über die Lagune Balos Gramvousa nach Paleochora und zum kleinen Küstenort Agia Gallini. In der Regel wird nach anderthalb Stunden im Wasser eine Pause gemacht, denn beiden geht es nicht nur darum, viele Kilometer zurückzulegen, erklärt Saskia: „Wir möchten auch mal an schönen Stellen bleiben und die Unterwasserwelt genießen - runtergehen in kleine Lagunen und Grotten." Übernachtet wurde im Zelt an Stränden. Durch die kalten Nächte und den oftmals harten Steinboden war das aber oft keine wirkliche Erholung. Es ist das Gesamterlebnis - alleine mit sich und der Natur zu sein - das beide von Anfang an reizte.

Schmerzen und Stürme

Schöne Stellen bot die Südwestküste den beiden Sportlerinnen genug. Etwa die Lagune Elafonissi, an deren Strand man sich in der Südsee wähnt oder die vielen kleinen Küstenorte, die nur über den Seeweg erreichbar sind. Wegen Herbststürmen war es jedoch an vier Tagen zu gefährlich ins Wasser zu steigen, so dass die Etappen per Taxi oder mithilfe gastfreundlicher Einheimischer zurückgelegt wurden. „Wenn Sturm ist, gehen wir nicht ins Wasser, weil wir nicht das Risiko eingehen wollen, abgetrieben zu werden", erklärt Saskia. „Auch muskulär ist es eine Höllentour, da die Fußgelenke beim Schnorcheln dauernd gestreckt sind und es nach einiger Zeit einfach schmerzt", ergänzt Ergotherapeutin Maria.

Festgehalten für die Ewigkeit

Neben dem Abenteuer an sich filmten und fotografierten die beiden ihr Vorhaben auch, denn bisher gibt es keine Veröffentlichungen über die Unterwasserwelt der Südküste Kretas. Der Film könnte sogar auf der International Ocean Film Tour gezeigt werden und somit in den Kinos landen. „Und wenn nicht", lacht Saskia, „dann haben wir einfach einen schönen Familienfilm, den wir noch unseren Enkeln zeigen können."

Über die regelmäßigen Blogeinträge bekamen Maria und Saskia viel positive Resonanz. Foto: Lisa Brüßler

Jeden Abend schrieben sie zudem Blogeinträge über ihre Erfahrungen und luden das Material auf Facebook hoch. Dank modernster Technik vieler Sponsoren - beispielsweise eine mobile Solarstromzelle oder zwei Unterwasserkameras - war dies möglich. Mit so viel Unterstützung hatten die beiden Frauen gar nicht gerechnet: „Am Anfang haben wir uns gefragt, ob das tatsächlich jemanden interessiert, aber mit der Zeit kamen immer mehr Anfragen. Später mussten wir sogar zwei Sponsoren absagen, weil das Gewicht des Bootes sonst zu schwer geworden wäre", erzählt Maria.

Geschichte geschrieben

Die letzten Kilometer des Trips waren für die Sportlerinnen eine echte Herausforderung: Immer mehr Zweifel kamen auf, warum sie sich so etwas antun. Das Kartenmaterial entsprach oft nicht der Realität im Meer und so dauerten die Tagesetappen häufig länger als geplant. Manchmal war es für Maria und Saskia auch schwierig, Entfernungen einzuschätzen. „Man sieht Land und denkt, dass man gleich da ist, aber dann dauert es immer noch 90 Minuten", schildern die beiden die Situation. Ein Leck im Boot mit der Ausrüstung, verursacht durch sehr starken Wellengang, sorgte für einen weiteren Schrecken. Aber die Unterwasserwelt mit ihren vielen tollen Facetten entschädigte für viele Strapazen und schweißte die beiden Frauen zusammen.

Durch Mundpropaganda und ihre Präsenz im sozialen Netzwerk Facebook hatte sich das Projekt mitsamt den Erfahrungen an der Südküste herumgesprochen und die Einheimischen begrüßten sie überall mit außergewöhnlicher Gastfreundschaft. Immer wieder wurden sie zu Essen, einer Dusche oder einem Schlafplatz eingeladen und auch Saskias kaputte Flossen wurden kostenlos ersetzt. Viele Einheimische fieberten mit und manche sprachen sogar davon, dass die beiden Geschichte geschrieben hätten. Mit so viel positiver Resonanz hatten beide überhaupt nicht gerechnet, und diese war es auch, die die Tour entscheidend bereichert und zu einem unvergesslichen Erlebnis gemacht haben.

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