Lisa Breit

Redakteurin bei "Der Standard", Wien

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Neue Arbeit: Digital, global, prekär?

Arbeiten in der Cloud, Aufträge an die Crowd: Digitalisierung macht vieles möglich, eröffnet Chancen. Auf der anderen Seite entstehen Grauzonen, Parallelwelten des geregelten Arbeitslebens

Crowdworker stehen global zueinander in Konkurrenz und werfen alle arbeitsrechtlichen Rahmen durcheinander

Digitalisierung und Globalisierung stellen die Arbeitswelt neu auf. Nicht nur entstehen neue Berufe vom Webdesigner über Social-Media-Manager bis zu Data-Scientists - auch das Wie des Arbeitens verlagert sich peu à peu ins Netz. Trend ist das sogenannte "Cloudworking", das Arbeiten in der virtuellen Datenwolke.

Unternehmen bieten ihren Mitarbeitern bereits an, Aufgaben zeitlich und örtlich flexibel zu erledigen. Und die Firmengrenzen sind längst geöffnet: Immer mehr übertragen auch einzelne Aufträge an die "Crowd", eine anonyme Masse an Freiberuflern, die ihre Dienste online anbietet, auf spezifischen Vermittlungsplattformen. Dort tummeln sich Fachkräfte aus den Bereichen Design, IT oder Verkauf und Marketing ebenso wie Niedrigqualifizierte, die einfache, repetitive Tätigkeiten (beispielsweise das Beschriften von Bildern) inserieren.

Zwei Euro pro Stunde

Jeder Crowdworker verfügt über ein mit Schlagworten zu Branche und Kompetenzen gespicktes Profil. Darunter Bewertungen der Arbeitgeber.

Rund 15 Millionen Nutzer sind mittlerweile auf der australischen Plattform Freelancer.com registriert, zehn Millionen auf dem US-amerikanischen Pendant - jede Sekunde kommen weitere dazu. Für einige von ihnen ist Freelancen im Netz die einzige Chance auf Einkommen, manchen erwächst so ein Nebenerwerb - andere entscheiden sich aus freien Stücken für diesen Arbeitsstil. Letztere sind meist jung, gut ausgebildet und wollen selbstbestimmter leben. Die sogenannten "digitalen Nomaden" melden ihren festen Wohnsitz ab, lassen Freunde und Familie hinter sich, um ihren Laptop an den schönsten Stränden Südamerikas und Südostasiens aufzuklappen.

Die Kehrseite des Trends: In der Cloud verschärft sich das Prekariat der Selbstständigen weiter. Geregelte Arbeitszeiten sind online ohnehin passé, und wer seine Dienste im World Wide Web anbietet, steht mit der ganzen Welt in zeitlicher und preislicher Konkurrenz. Einen Grafikdesigner mit Topbewertungen findet man auf Freelancer.com etwa schon ab drei US-Dollar, also 2,70 Euro pro Stunde. Suchmaschinen-Optimierer ab vier, der Russisch-Englisch-Übersetzer kostet zwei Dollar. Auf der amerikanischen Plattform sind für ähnliche Leistungen immerhin kaum Angebote unter fünf Dollar zu finden.

Zur schlechten Entlohnung kommen rechtliche Nachteile. In Deutschland wurden die Gewerkschaften erstmals laut, als der Großkonzern IBM 2012 ankündigte, 8000 Stellen abbauen und Projekte vermehrt an externe Crowdworker auslagern zu wollen. Die Kritik: Sie seien schlecht vom Arbeitsrecht geschützt.

Rechtliche Grauzone

Auch hierzulande arbeiten Crowdworker in einer rechtlichen Grauzone. Sie gelten formal als Selbstständige. Wie Martin Risak, Professor für Arbeits- und Sozialrecht an der Uni Wien, erklärt, werden Arbeitsverhältnisse meist durch die AGBs der Vermittlungsplattformen geregelt - die sehr zugunsten der Arbeitgeber ausgelegt sind. Diese dürfen beispielsweise Leistungen ohne Lohn und ohne Angaben von Gründen ablehnen. Oder Wettbewerbe für fertige Projekte ausschreiben und nur den Gewinner bezahlen.

Wie viele digitale Freiberufler es in Österreich derzeit gibt, ist nicht bekannt. Die Arbeiterkammer, die Gefahr im Verzug wittert, rüstet sich jedenfalls: "Wir müssen schauen, dass wir Crowdworking arbeitsrechtlich fassen", heißt es. Die deutsche Verdi-Gewerkschaft ist schon mit Volldampf in diese Richtung unterwegs. (Lisa Breit, 28.5.2015)

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