Jeff Koons ist einer der erfolgreichsten Künstler der Gegenwart und gilt als provokanter "König des Kitsches"[2]. Die Rezeption seines Werkes ist widersprüchlich. Ausstellungsbesuchern, die angesichts der Oberflächlichkeit und Banalität seiner Arbeiten entrüstet sind, stehen Medienberichte und Kuratorenurteile gegenüber, die Koons als "Genie der Oberfläche"[3] feiern. Diese Arbeit möchte nicht vom Begriff des Kitsches aus argumentieren, sondern den der "Oberfläche" einführen, der für die Objektkunst Koons' von zentraler Bedeutung ist. Der Begriff der Oberfläche soll zunächst genauer erläutert werden, um im Folgenden eine Werkauswahl im kunsthistorischen und im gegenwärtigen gesellschaftlichen Zusammenhang zu beleuchten.
Die Oberfläche bezeichnet in der Mathematik und Physik die "Menge aller Randpunkte eines Körpers", physikalisch als "Schnittpunkt zwischen einem festen Körper und dem umgebenden Raum."[4] Sie kann eine primäre (technische) Funktion oder eine untergeordnete Aufgabe haben. Oberflächen entstehen durch Material abtrennende, auftragende oder verändernde Verfahren und können nicht ohne das unter ihnen liegende gedacht werden. In der physikalischen Welt gibt es keine reinen Flächen. Alles ist körperhaft, dennoch nimmt das Auge Flächen nicht als Körper wahr.
Der Begriff der Oberfläche assoziiert auch den der Oberflächlichkeit: also "nicht in die Tiefe gehend, rein äußerlich, flüchtig und nicht gründlich, ohne Ernst oder Ausdauer."[5] Philosophisch gesehen ist das, was uns als Oberfläche erscheint, nach dem Modell des "Höhlengleichnisses"[6] lediglich der Schatten der Eigentlichen. " Plato meint, hinter den Oberflächen, den Erscheinungen, die "Wirklichkeit" der Ideen erblicken zu können"[7]
Die Betrachtung einer Oberfläche bringt immer die Frage mit sich, was unter ihr liegt. Eine Oberfläche, die nur sie selbst ist, unter der einfach Nichts vorhanden ist, bringt uns an die Grenzen unserer bildlichen Vorstellungskraft.
Auch der Kunstbetrachter, der eine Oberfläche erblickt, muss ihr eine Form und Materialität zuordnen und stellt sich dabei eventuell auch die Frage, nach dem, was das Objekt als Idee darstellt. Dabei sieht er vielleicht nicht, „was gesehen werden könne"[8] oder begreift möglicherweise etwas, was nicht gemeint ist. Diese Eigenschaft wohnt der Oberfläche inne; Jeff Koons macht sie sich zunutze.
Jeff Koons' Objekte als Kunst der OberflächeDass der Begriff der Oberfläche bei der Objektkunst Koons' eine wichtige Rolle spielt, wird zunächst an seinem künstlerischen Schaffen deutlich, welches oft als ein Spiel mit der Oberfläche zu verstehen ist. Um den Rahmen dieser Arbeit nicht zu sprengen, sollen vor allem diejenigen Objekte des Künstlers besprochen werden, die evident oberflächlich sind: Werke, die der Alltagswelt entnommene Gegenstände als Grundform haben, und die lediglich in ihrer Oberfläche, eventuell auch Größe, verändert wurden.
Auf Werke, bei denen eine Rekombination oder Neukontextualisierung von Objekten stattfindet, (wie z.B. bei den frühen Serien "The Pre-New", "The New" oder die Basketbälle in den "Equilibrium" Tanks) kann im Folgenden nicht eingegangen werden. Das Augenmerk liegt besonders auf all jenen Werken, denen die Auswahl eines Konsumguts voran geht, welches oftmals billig und banal ist, das aber durch kulturelle und medial vermittelte Einflüsse positive Assoziationen weckt.
Die früheste Werkreihe Koons' zeigt mit "Inflatables"[9] (1979) noch echte Ready-Mades: einfaches Plastikspielzeug, auf Glasspiegel geklebt. Bereits bei den aufblasbaren Blumen zeigt sich ein weiteres Markenzeichen des Künstlers: Die Ausführung derselben Form in verschiedenen Farben, also Oberflächenvarianten. Die Blumen sind nach Größe (Short and Tall) und ihrer Farbe sortiert und meist in grellen Farben kombiniert. Diese Variation kennen wir aus der Konsumwelt, die ein Produkt "für jeden Geschmack" anbieten möchte.
"Oberflächliche" Objektkunst finden wir in den Koons-Ausstellungen schon Mitte der achtziger Jahre; im 21. Jahrhundert werden sie dann zu seinem Markenzeichen. Bereits die Werkreihe "Equilibrium" (1986) zeigt in Bronze gegossene, perfekt ausgearbeitete Produkte wie einen Basketball, Fußbälle verschiedener Marken, drei Schnorchel, Taucherweste und Gummiboot. Die Objekte haben ihre ursprüngliche Funktion verloren. Die metallene Oberfläche vermittelt augenblicklich Schwere und Tiefe, die an den Grund des Meeres denken lässt, auf den man mit ihnen unweigerlich gezogen würde.
Aufgrund ihrer Produktion sind diese Arbeiten noch als Skulpturen einzuordnen, durch die direkte Assoziation mit dem eigentlichen Gegenstand, der uns als Produkt-Prototyp in exakt derselben Größe und Form bildlich vor Augen ist, sind es aber eigentlich Objekte. "Equilibrium" ist auch die erste Werkreihe, bei der Koons von jeder Arbeit mindestens zwei Exemplare fertigen lässt, oftmals auch eines für sich selbst.
Noch mehr Produkte präsentieren sich im selben Jahr bei der Serie "Luxury and Degradation"(1886). Koons zeigt unter anderem den mit Bourbon gefüllten Jim Beam "J.B. Turner Train", ein Modellauto, einen Eimer, eine Kofferbar und ein eigentlich kristallenes Baccarat -Service. Sie besitzen alle dieselbe polierte Edelstahl-Oberfläche, und obwohl die Waren aus verschiedenen Konsumwelten entnommen sind, werden sie dadurch einheitlich. In dieser Serie thematisiert Koons die Ausgrenzung einer breiten Käuferschicht in einer Produktwelt, deren Werbung in ihrem Grad der Abstraktion auf verschiedene Einkommensgrenzen ausgerichtet ist. Er thematisiert hier zum ersten Mal explizit die Idee von Luxus, Abstraktion und der damit verbundenen Diskriminierung und wendet sie auf die Kunst an. "Ich bemühe mich immer, ein Gleichgewicht herstellen. (...) Niemand soll aus dem Dialog ausgeschlossen werden." (...) "Selbst die arglosesten Leute werden nicht in Bedrängnis gebracht (...), etwas nicht zu verstehen." [10]
In der Serie "Statuary" lässt Koons wieder Statuen schaffen, vermischt barocke Büsten mit Märchenfiguren die der Volkskunst entstammen. Mit "Bob Hope" und "Doctor's Delight" stellt er auch einen zeitgenössischen Zusammenhang her. So unterschiedlich die ursprünglichen Ausgangsmotive sind, sie besitzen alle die gleiche glänzende Edelstahloberfläche, die eine Aura von Künstlichkeit ausstrahlt. Hier kann man wieder von Objekten sprechen, da die "Statuen" alle in einem anderen Zusammenhang käuflich zu erwerben sind: Figuren mit großen Wackelköpfen von Sportlern und Prominenten sind in den USA in Merchandise-Läden zu kaufen, Keramik in barocker Anmutung in Museumsshops und die Holzschnitzer-Figuren in Souvenirläden aus Gegenden, in denen dieses Handwerk als regionale Volkskunst gilt. Ihnen allen ist eine Art zweite Hülle verliehen worden, die durch ihre Oberflächenbeschaffenheit aber stets eine Assoziation zum ursprünglichen Material herstellt.
Der aufblasbare Hase aus "Inflatables" taucht 1986 in "Statuary" wieder auf und wird in der späteren Edelstahl-Version als eine von Koons' größten Ikonen gelten, "so etwas wie das Symbol einer ganzen Dekade künstlerischen Schaffens".[11] "Rabbit" ist eine leicht veränderte Form des aufblasbaren Spielzeugs von 1979: die Ohren verkleinert, die Pfoten nach oben gerichtet, Kopf und Bauch sind runder und die Beine sind mit den Pfoten zu abgerundeten, überproportionalen Formen verschmolzen. Das verleiht der Figur einen futuristischen Touch, der von der silbern spiegelnden Oberfläche noch unterstrichen wird. Es ist das erste Werk Koons', das oberflächlich so glatt ist, dass der Betrachter sich selbst und die Spiegelung der anderen Ausstellungsobjekte in ihm erblicken kann.
Mit "Kiepenkerl" (1987) schafft der Künstler eine weitere Statue in Edelstahl, die Serie "Banality" rückt zum ersten Mal extreme Verniedlichungen aus der Welt des Kinderspielzeugs in den Kunstraum. Es finden sich auch religiöse Motive unter den Arbeiten, barocke Spiegel und Engelchen, der Schwerpunkt liegt aber auf Kinderspielzeug. Hier ist die mit den Ausgangsobjekten verbundene Oberfläche weitestgehend erhalten geblieben, Plüschtiere werden in Porzellan gefertigt, behalten aber ihre Farben, die Holzschnitzereien sind klar als bunt bemaltes Holz zu erkennen.
Zu den Objekten, die als typisches Bildprogramm der Oberflächlichkeit für ihn gelten sollen, findet der Künstler mit "Celebration" (1995-98) zurück, seiner teuersten aber auch erfolgreichsten Ausstellungsreihe. Die Werke "Balloon Dog", "Hanging Heart", "Balloon Flower", "Moon", "Sacred Heart", "Smooth Egg with Bow" und "Tulips" haben alle ihre glatte, glänzend polierte Oberfläche gemeinsam, die ihrer Farblichkeit nach entweder an Geschenkpapier oder Autolack erinnert. All diese Objekte waren ursprünglich billiges Spielzeug oder Süßigkeiten und wurden in unterschiedlichen farblichen Ausführungen zu Höchstpreisen an Museen, Sammler, Konzerne verkauft. Anhand dieser exemplarischen Arbeiten soll nun geklärt werden, was Inhalt, Beschaffenheit und Anziehungskraft dieser Objekte ausmacht. Wenn die Erwägungen auch durchaus auf andere Werke Koons' angewandt werden können, ist hier der Anschaulichkeit halber ein eindeutiges Oberflächenprogramm ausgewählt, das den wohlkalkulierten Dialog zwischen Objekt und Beobachter veranschaulicht.
Die Verlockung der OberflächeEinige Charakteristika der Koons-Objekte liegen auf der Hand: "Balloon Flower", "Balloon Dog", "Rabbit" und "Lobster" aus der "Popeye"-Serie (2003) sind alle ursprünglich aufblasbare Objekte, die Koons in Größe, Gewicht und Gewichtung zu Kunst aufgeblasen hat. Dem Betrachter stellt sich sofort die Frage nach der Materialität der Arbeiten, die ertastet werden möchte. Man fragt sich nach dem Inneren der Objekte, sowohl in ihrer Aussage als auch Beschaffenheit. Um zu prüfen, ob sie massiv sind, möchte man sie berühren, mit ihnen in Kontakt treten. Und gerät in Versuchung, sie mit einer Nadel zum Platzen zu bringen
Anhand dieses Berühren-Wollens, das den Betrachter zum Kauf verlocken soll, lassen sich Strategien des Produktdesigns erklären, die oft mit sexuellen Konnotationen agieren.
Koons selbst hat dazu geäußert: "In meiner Kunst hat Sex immer als direkte Kommunikationsleitung zum Betrachter gedient. Die Oberfläche meiner Edelstahl-Arbeiten ist reiner Sex und gibt dem Objekt eine maskuline un eine feminine Seite: Das Gewicht des Stahls verbindet sich mit der Weiblichkeit der spiegelnden Oberfläche."[12]
Diese Objekte laden zum Spielen ein, verwehren dies dem Betrachter aber, weil die ursprüngliche Funktion des Objekts durch seine materielle Umwandlung aufgehoben ist und das Anfassen, die angebotene Selbsbefriedigung, im musealen Kontext nicht angebracht ist. Wer das Objekt begehrt, muss es kaufen. Koons macht sich als genialer Produktdesigner "instinktbedingt sexuelle Konnotationen"[13] zunutze. Die prallen Formen, Blütenstengel, Einbuchtungen der beschriebenen Arbeiten erzielen durch die Assoziation mit Geschlechtsmerkmalen einen Vorsprung an Aufmerksamkeit. Um diesen zu erringen, wird in der Waren- und Werbewelt schon längst mit diesen markanten Schemata das ästhetische Empfinden manipuliert.
"Wie es so schön heißt: "Sex sells." Als wäre das was Neues, ist doch unbestritten, dass die Natur eine gewaltige Sexmaschine ist. Die Blumen sind nur deshalb so schön, weil sie befruchtet werden wollen. So einfach ist das."[14]Das den Objekten von Koons zugeschriebende Begehren entsteht nicht durch den Inhalt der Objekte, durch die Andeutung oder Vorstellung einer Idee, sondern durch unmittelbare Sichtbarkeit. "Ich versuche, im Objekt das Verlangen des Einzelnen einzufangen und seine Sehnsüchte im Zustand der Unsterblichkeit zu fixieren."[15]
"Die Fortschrittsunabhängigkeit eines Kunstwerks unterscheidet dieses vom innovativen Produkt, das durch immer neue Innovationen abgelöst wird, auch wenn die jeweils vorausgegangenen nachwirken."[18] "Ein Kunstwerk wird nur erstgenommen, wenn der Preis entsprechend hoch ist."[19]In der Warenwelt kann die Oberfläche eines Produkts dekorativ oder narrativ sein und soll „Schnittstellen zum visuellen Bedeutungsrepertoire der Betrachter"[16] herstellen. Ein Wechselspiel zwischen Ausdruck und Eindruck, das zum Kauf führen soll. Ähnlich verhält es sich in der Objektkunst, wo die Oberflächen der Werke als Kontaktfläche zum Betrachter zu verstehen sind, der diese im musealen Raum meist ausschließlich visuell wahrnehmen kann. Ein erfolgreicher Produktdesigner hat eine formale Vorgabe und gestaltet dann die Oberfläche eines Konsumartikels in verschiedenen Variationen, die eine möglichst breite Käufermasse anspricht.
Es entsteht bei der Produktvermarktung ein Versprechen an Qualität, Befriedigung und/oder Veränderung der Lebensumstände, das bei Erwerb oder Benutzung der realen Produktes entäuscht werden kann. Dieser Realitätsprüfung entzieht sich die Objektkunst, es handelt sich bei Koons' Arbeiten um "Objekte reiner Schaulust"[17]. Dadurch bleibt das Angebot, die Begierde, auf alle Zeit gebannt.
Die Verlockung der Oberfläche kommt durch materielle Beschaffenheit, ihren wertvollen Schein, aber nicht zuletzt auch durch den Preis der Arbeiten zustande, der im Betrachter den Wunsch erwecken soll, diese luxuriösen Objekte zu besitzen. Koons setzt ihren Warenwert bewusst fest.
Kritik der Oberflächlichkeit und kunsthistorische EinordnungGroße Maler und Bildhauer von Antike bis Neuzeit ist es gelungen, den Eindruck des Flächigen aufzuheben und lebendige Abbilder zu schaffen, die in ihrer Schönheit und Perfektion ein in der Natur und im Menschen unerreichtes Ideal verkörpern. Moderne Künstler wie Frank Stella haben Werke hervorgebracht, die deutlich als bloße Oberfläche erkennbar sind, als mitunter reine Aneinanderreihung von Flächen, die aber durch optische Täuschung Bewegung und Tiefe vermitteln. Koons als postmoderner Künstler nutzt die Beschaffenheit der Oberfläche und thematisiert sie; er bejaht Oberflächlichkeit und Banalität und macht sein Werk weniger angreifbar, indem er mögliche Kritik vorweg zu nehmen scheint.
Dies demonstriert das Koons-Prinzip der "Banality"-Werkgruppe, die eine negativ konnotierte Bewertung bewusst im Titel trägt. "Er eignet sich nicht nur den schlechten Geschmack weiter Bevölkerungsschichten an, sondern erzeugt ihn sogar durch Eigenschöpfungen."[20] Es entstehen Assoziationen, die "formal und inhaltlich so aufdringlich sind, daß die Toleranz über Gebühr beansprucht wird."[21]
Kunst erschließt sich allerdings nicht über Geschmacksurteile. Schon lange vor Koons sind zeitgenössische Werke, die heute selbstverständlich zum kunstgeschichtlichen Kanon gehören, als geschmacklose "schrille Scheußlichkeiten"[22] bezeichnet worden. "Das Kunstwerk tut uns nicht den Gefallen, uns zu gefallen" schreibt Jean-Christophe Ammann, jedoch kann es über erstaunliche visuelle und sinnliche Anziehungskraft verfügen. Koons Arbeiten haben diesen Anspruch auf Anziehungskraft, sie bedienen sich optischer Reize und biedern sich dem Betrachter geradezu an. Seine seriellen Arbeiten finden durchweg Käufer, die bereit sind, Unsummen für einen echten Koons zu zahlen.
"Nach seiner dialektischen Bestimmung ist der Künstler ein Ausdruck des Zeitgeistes, und zwar so, daß er den Geist der Gegenwart ausdrückt und ihn gleichzeitig verneint, um ihn zu überwinden"Koons beabsichtigt "einerseits die Anpassung an ein allgemein annehmbares Niveau, d.h. die größtmögliche kommunikative Reichweite, andererseits die Verewigung im Bereich der Hochkunst"[23] Er operiert also innerhalb eines Systems, in dem er ironischerweise Kunst für den Massengeschmack an exklusive Käufer vermittelt.
"Der Verlust des Glaubens an die Kunst scheint mir eine Generation zu prägen, die festgestellt hat, dass das Erregungsmoment der Kunst in die kommerziellen Bildmedien abgewandert ist." [30]Seit den achtziger Jahren versteht sich die Kunst "nicht als rein kritsche Auseinandersetzung, sondern als inspirierte Reflexion und Reaktion auf Gesellschaft und Kunstszene."[24] "Der Grund hierfür liegt darin, dass mit Jasper Johns und Robert Rauschenberg ab Mitte der Fünfzigerjahre und mit der Pop-Art ab 1962 der banale Alltagsgegenstand als Bedeutungsträger von Massenkultur das visuelle Denken der Künstler geprägt hat."[25]
Duchamp hat mit seinen Ready-Mades sein Publikum mit einer avantgardistischen Haltung zum Kunstwerk noch vor den Kopf gestossen, Koons kann sich der Akzeptanz seiner "kitschigen" Alltagsgegenstände bereits sicher sein, er arbeitet innerhalb einer etablierten Struktur. Für ihn ist der Akt der Festlegung eines Preises integraler Bestandteil der künstlerischen Arbeit, die Wertsteigerung der künstlerische Prozess. " Ich sagte ihnen, diese Arbeit kostet genauso viel wie ein Werk von Anselm Kiefer, also ist sie auch genauso wertvoll. Das war ein integraler Bestandteil der Banality-Ausstellung - ihre strategische Plattform."
Mitte der siebziger Jahre fanden die historischen Avantgarden in der bildenden Kunst ein Ende, zehn Jahre später hat sich Koons gerade etabliert. Stilzuordnungen und Kategorien fallen nach deren Diversifizierung in der Moderne weg, lösen sich ineinander auf und es gilt für jeden Künstler, eine eigene, originäre Bildsprache und -bedeutung zu finden. Laut Ammann besteht das Neue nach der Moderne unter dem Gesichtspunkt von Intensität und Authentizität in der " emotionalen Aufl adung eines traditionellen Formenvokabulars." Legimitiert werden Koons Objekte also durch die Formensprache anderer künstlerischer Stile von Barock bis Pop, durch die postmoderne Entwicklung der Kunst und ihrer Einflüsse aus der Warenwelt, aber auch durch den Zeitgeist.
Wir befinden uns in der westlichen Welt in einer "Informations- und Bilderflut, die uns die eigenen Bilder, die originäre Phantasie rauben und unseren psychisch-mentalen und emotionalen Resonanzraum flach werden lassen"[29] Dies thematisiert Koons und macht sich die genannten Umstände zunutze.
____________________________________________________________________________________________________Die Objekte Koons' holen dieses kommerziell generierte Erregungsmoment in den Kunstraum zurück; er bietet "Easy-Fun" für eine kaufkräftige Elite. Ob er damit Kritik ausübt oder den beschriebenen Wertzerfall unterstützt, sei dahingestellt.
SchlussbemerkungEinem Betrachter, der mit einem Objekt in Kommunikation tritt und ein über-eindeutiges Angebot an Wahrnehmung und Erkenntnis erhält, während er sich vielleicht vielmehr wünscht, sich mit etwas auseinanderzusetzen, kann die Oberflächlichkeit der Koons-Arbeiten langweilen, sogar verärgern. Dies ist der Fall, wenn er die in dem Objekt enthaltene Information als Beleidigung seiner ästhetischen Empfindungen, seines Abstraktionsvermögens erlebt. Und es ist der Fall, wenn sich der Betrachter der Sexualisierung und Manipulation bewusst ist, die er erlebt, diese aber ablehnt. Wer sich vom Kunstwerk lediglich verführen lassen will, wird hingegen von den Objekten Koons' begeistert sein.
http://www.stern.de/kultur/kunst/jeff-koons-in-berlin-bombast-vom-genie-der-oberflaeche-643919.htmlWer sich aber mit tiefer gehenden, ernsten oder ambivalenten Gefühlen auseinandersetzen möchte, wird entweder eine nicht vorhandene Bedeutungstiefe in Koons' Arbeiten hineindeuten wollen, um seine künstlerische Leistung zu überhöhen,, oder er wird das Werk als banal und beleidigend empfinden. Andererseits ist er gewarnt worden: Von einer Werkserie mit dem Titel "Banality" kann man eigentlich keine andere Kritik erwarten, als die offene Darstellung der Allgegenwärtigkeit und Anziehungskraft der Banalität auf die Massen.
Wir werden von ästhetischen Geschmacklosigkeiten und dem Banalem in unserer täglichen Umgebung derart überflutet, dass es Koons' eigenliche Leistung ist, diese in einen stillen, musealen Kontext, in die Kunstwelt zu bringen. Damit zwingt er uns, genau hin zu sehen. Sicherlich wird sein Werk neu interpretiert werden müssen, wenn sich die Bedeutung, der Symbolgehalt, die Herstellung seiner oberflächlichen Objekte nicht mehr von alleine erschließt, sondern rückwirkend in einen gesellschaftlichen Zusammenhang gebracht werden muss; wenn sich Produktionsverfahren, Werte, Verbindungen zu Objekten und deren Nutzung verändert haben.
[1] Jeff Koons: Das Jeff Koons Handbuch. München [u.a.] : Schirmer-Mosel, 1992 S. 31
[2] Petra Bosetti: "MICHAEL JACKSON TRIFFT SONNENKÖNIG" In: art - das Kunstmagazin, 12.09.2008 http://www.art-magazin.de/kunst/10358.html
[3] Anja Lösel : Bombast vom Genie der Oberfläche. In: Stern, 29.10.2008
[4] Vgl. Brockhaus in 30 Bänden, 21. Aufl., Band 20. Mannheim: Brockhaus, 2006. S. 160.
[5] Vgl Wahrig deutsches Wörterbuch, 21. Aufl. Gütersloh/München Wissen Media Verlag, 2002.
[6] Vgl. Dtv-Atlas Philosophie. München: Deutscher Tschenbuch Verlag, 2001. S. 39-41
[7] Vilém Flusser: Lob der Oberflächlichkeit. Für eine Phänomenologie der Medien. Band 1. Mannheim: Bollmann, 1995. S. 15
[8] Horst Bredekamp/Gabriele Werner (Hrsg.): Bildwelten des Wissens. Kunsthistorisches Jahrbuch für Bildkritik. Band 1,2. Oberflächen der Theorie. Berlin: Akademie Verlag, 2003.
[9] Sämtliche Werkserien sind katalogisiert und unter http://www.jeffkoons.com/site/index.html einzusehen
[10] Angelika Muthesius: Jeff Koons. München: Benedikt Taschen Verlag, 1993, S. 58-62
[11] Anette Huesch: Jeff Koons: Celebration. Katalog S. 45
[12] Jeff Koons Handbuch. S. 78
[13] Alex Buck: Dominanz der Oberfläche. Betrachtungen zu einer neuen Bedeutsamkeit der Gegenstände. Frankfurt am Main: Verlag form GmbH, 1998. S.59
[14] Ammann S. 166
[15] Das Jeff Koons Handbuch München [u.a.] : Schirmer-Mosel, 1992. S. 34
[16] Alex Buck: Dominanz der Oberfläche. Betrachtungen zu einer neuen Bedeutsamkeit der Gegenstände. Frankfurt am Main: Verlag form GmbH, 1998. S.12
[18] Ammann S. 37
[19] Keff Koons in einem Interview mit Anthony Haden-Guest, zitiert nach Max Hollein: Zeitgenössische Kunst und der Kunstmatktboom. Wien, Köln, Weimar: Böhlau Verlag, 1999. S. 82
[20] Zaunschirm. S. 71
[21] Zaunschirm S. 71
[22] Vgl. Berliner Tagblatt zur Ausstellung Edvard Munchs im Verein "Berliner Künstler" im November 1892, zitiert nach Amann, Jean-Christophe: Bei näherer Betrachtung. Zeitgenössische Kunst vertehen und deuten. Frankfurt a.M.: 2008. S. 9Munch
[23] Thomas Zaunschirm: Kunst als Sündenfall. Die Tabuverletzungen des Jeff Koons. Freiburg im Breisgau: Rombach 1996. S. 57
[24] Max Hollein: Zeitgenössische Kunst und der Kunstmatktboom. Wien, Köln, Weimar: Böhlau Verlag, 1999. S. 90
[25] Ammann S. 127
[26] Keff Koons in einem Interview mit Anthony Haden-Guest, zitiert nach Max Hollein: Zeitgenössische Kunst und der Kunstmatktboom. Wien, Köln, Weimar: Böhlau Verlag, 1999. S. 82
[27] Ammann S. 15
[28] Vilém Flusser: Lob der Oberflächlichkeit. Für eine Phänomenologie der Medien. Band 1. Mannheim: Bollmann, 1995 S. 231
[29] Ammann S. 27
[30] Ammann S. 79