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Wütend, weil die Welt so traurig ist - Praxis

"Ich würde abtreiben, wenn ich wüsste, dass es [das Kind] Polizist wird", singt die argentinische Rapperin Sara Hebe in ihrem Song A.C.A.B. Ihre Botschaft ist laut, sie ist gegen Polizei und für mehr Macht der Frauen.

"Ob in Argentinien oder im Rest der Welt: Die Polizei ist immer schlecht", sagt Sara Hebe. Oft höre sie von Polizeigewalt, der Bruder einer Freundin sei auf einem Polizeikommissariat gestorben. Sie ist sich sicher, dass er dort ermordet worden ist. "Sin poder hay vida", singt sie in dem gleichen Song - übersetzt heißt das etwa: Ohne Macht gibt es Leben. Die argentinische Rapperin erzählt, wie sie Probleme bei der Ein- und Ausreise in Europa hatte. Das läge an ihrem lateinamerikanischen Pass. Trotz Visum hätte sie in Spanien einmal beweisen müssen, dass sie Sängerin sei und zu ihrem eigenen Konzert einreisen wolle. "Das zeigt, dass Menschen wegen ihrer Herkunft anders behandelt werden. Das ist Rassismus", sagt Sara Hebe. Der harte Ton, die scharfe Kritik und die klare Positionierung seien genauso zu verstehen, wie sie sich in ihrer Musik ausdrücke. "Ich bin wütend, weil die Welt so traurig ist." Trotz der oft eindeutigen Texte ihrer Songs sehe sie sich nicht als Aktivistin. "Ich bin Künstlerin", sagt sie. Ihre Message sei klar und unabdingbar: Antifaschistisch und feministisch.

„Mich inspiriert absolut alles", sagt Rapperin Sara Hebe. Foto: Sara Hebe

Ihr politisches Interesse habe bereits früh begonnen, erzählt sie. Die Sängerin ist in Trelew, einer Kleinstadt im Süden Argentiniens aufgewachsen. Als sie 13 Jahre alt war, hätte ihre Schulklasse Besuch eines Mitglieds der Madres de Plaza de Mayo bekommen. Als Mütter der Plaza de Mayo bezeichnen sich die Frauen, die seit der Militärdiktatur in den 1980er Jahren jeden Donnerstag auf der Plaza de Mayo vor dem Regierungsgebäude demonstrieren. Sie kämpfen seit Jahren um ihre während der Diktatur verschwundenen und getöteten Kinder. Sie gelten als Ikonen im Ringen um Menschenrechte und haben die junge Sara begeistert. "Alles ist politisch", sagt sie heute.

Vor kurzem sang sie in einem Gefängnis vor Dragqueens und trans Menschen. "Viele sind nur wegen ihres Körpers eingesperrt, deshalb möchte ich dort hingehen und etwas geben", sagt sie. Das sieht sie nicht als Aktivismus oder soziales Engagement, sondern als selbstverständlich. Marginalisierten Menschen eine Freude zu bereiten ist für sie eine natürliche Geste, die es nicht explizit hervorzuheben gilt. Unter anderem deshalb ist Sara Hebe für die Community eine Identifikationsfigur.

Mit 24 Jahren begann Sara Hebe Hip-Hop zu produzieren. "Ich lud mir Instrumentaltracks runter und begann darauf zu rappen", sagt sie. Rap habe sie schon seit einiger Zeit fasziniert. Ihre Songs schreibt sie zu Hause, auf Reisen oder wo immer sie gerade unterwegs ist. "Mich inspiriert absolut alles", sagt sie. In Ihrer Musik bricht sie die Grenzen zwischen Rap, Dancehall und Punk Rock auf. Energisch interpretiert sie die Welt aus ihrer Sicht.

"Sexismus gibt es in der argentinischen Rap-Szene, genauso wie es ihn in einem Krankenhaus oder an einem anderen beliebigen Ort gibt. Die Geschichte ist sexistisch", sagt sie. Offensichtlich beginnen diese sexistisch geprägten Strukturen zu bröckeln. Während die Hip-Hop-Szene in Deutschland noch männlich geprägt ist, gibt es in Lateinamerika inzwischen viele erfolgreiche Frauen wie Anita Tijoux oder Rebeca Lane. Auffällig ist, dass sie sehr politisch sind. Die Frauen seien jetzt da, um zu kämpfen, meint Sara Hebe. "Rapperin zu sein, ist für mich das Größte."

Dieser Text ist ein Auszug aus dem Magazin "BE LONGING", das im Rahmen des Mentorenprintprojekts im Wintersemester 2019/20 unter Leitung von Wolf Kampmann von den Studierenden des Jahrgangs 17 produziert wurde. Das gesamte Heft gibt es als PDF auf der Seite des Studiengangs.

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