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Stadtverwaltung ist mit Wirkung ihrer Präventionskampagne zufrieden

„Arbeitet Uli heute?" - Wer diese Frage am Tresen eines Tübinger Clubs, einer Bar oder in der Disko stellt, signalisiert, dass sie oder er belästigt wird und Hilfe wünscht. Mit der Aktion, die im Februar gestartet wurde, soll die Hemmschwelle heruntergesetzt werden und die Mitarbeiter sollen dem Opfer beistehen. Wir wollten wissen, wie die Kampagne läuft: Wird oft nach „Uli" gefragt?

Das Schwarze Schaf am Lustnauer Tor ist bei der Kampagne dabei. Der Tübinger Nachtclub war in der Vergangenheit wegen Vorfällen sexueller Belästigung in den Medien. Vor Ort sagen die Mitarbeiter, die das TAGBLATT angetroffen hat, dass das Codewort bisher laut ihres Wissens noch nicht gefallen sei. Ansonsten gäbe es kaum Beschwerden wegen sexueller Belästigung, sagt ein Türsteher, der lieber anonym bleiben möchte. „Die Mädchen würden schon kommen, wenn was passieren würde", sagt er.

Auch Barkeeper Adrian Schuller bekommt von sexueller oder rassistischer Belästigung nicht viel mit: „Man ist halt während der Arbeit beschäftigt", sagt er und fügt hinzu: „Aber bestimmt passiert ab und zu etwas, Verrückte gibt es immer."

Ein großer Teil der Besucher, so scheint es, kennt das Codewort nicht. Die meisten jungen Frauen im „Schwarzen Schaf" antworten ähnlich wie die 18-jährige Nele und die 19-jährige Lisa: „Wenn jemand versucht, was zu machen, dann sind wir füreinander da und passen gegenseitig auf uns auf."

In der „Butterbrezel" in der Haaggase ist man sich der Problematik bewusst, auch hier gab es unangenehme Vorfälle. Da „Arbeitet Uli heute?" die Situation nicht gravierend verändert habe, gibt es hier seit einigen Wochen einen sogenannten Awareness-Beauftragen. Er ist während der ganzen Party in den Räumen unterwegs und passt auf, dass niemand belästigt wird. Er spricht Opfer und Täter an, versucht zu schlichten und wirft, wenn das nötig ist, den Täter nach einer Ermahnung aus dem Club. „Bisher hat sich dieses Konzept bewährt, denn viele Mädchen trauen sich nicht, Vorfälle zu melden", sagt Türsteher Julius Dombruwski.

Felix Wolf studiert Soziologie und Ethnologie und ist Aware-ness-Beauftragter in der „Butterbrezel". „Betrunkene wissen oft nicht, wo Flirten aufhört und Belästigung anfängt", sagt er. Zum Großteil seien es Männer, die Frauen anmachen, ihnen zu nahekommen oder sie sogar begrabschen. Wenn Wolf Täter anspricht, würden diese oft behaupten „gar nichts gemacht zu haben". Der Vorteil an dem Konzept eines Awareness-Beauftragten: Im Zweifelsfall gibt es einen Augenzeugen. Pro Abend spreche Wolf etwa drei Personen an, in der Regel fliege einer letztendlich aus dem Club.

Eine Besucherin der „Butterbrezel" erzählt, dass ihr vor einigen Monaten in einem anderen Tübinger Nachtclub an den Po gefasst worden sei. Die Kampagne aber kenne sie nicht. In der „Butterbrezel" würden sie und ihre Freundinnen sich allerdings wohl fühlen.

Christina, 21, ist auch öfters nachts unterwegs. Sie sagt, dass Frauen vor allem in der Diskothek Top 10 als Frau unangenehm angemacht werden würden. Björn Zeller, Betriebsleiter des Top 10, sagt, dass das Codewort bisher noch nicht gefallen sei. Er meint, durch die Selektion der Türsteher am Einlass habe die Disco weniger Probleme mit Sexismus oder Rassismus. „Viele Gäste machen sich lustig über die Plakate der Kampagne", so Zeller. Trotzdem finde er die Sache gut.

Christine Arbogast, Erste Bürgermeisterin, ist mit der Aktion sehr zufrieden. „Die Thematik wurde in das Bewusstsein gerufen und es ist toll, dass so viele Lokalitäten die Bereitschaft gezeigt haben, mitzumachen und ihre Mitarbeiter zu den Schulungen zu schicken", sagt sie. Das Codewort diene außerdem nur als Hilfestellung, im Fokus stehe die Sensibilisierung für die Problematik an sich.

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