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ARTE Info: Österreichs rechte Medienwelt

Wie EU und die österreichische Regierung Hetzblätter mitfinanzieren



In Österreich steigt die Zahl rechtsextremer Zeitungen, Online-Portale und Magazine. Finanziert werden sie unter anderem mit Werbung der rechtspopulistischen Regierungspartei FPÖ. Auch deren EU-Gelder fließen ins rechtsextreme Milieu.

 

Auf den ersten Blick ein gewöhnliches Zeitungscover: Eine Frau wirft einen Kuss, im Hintergrund eine Berglandschaft, einsam weht eine rot-weiß-rote Fahne im Wind. Info-Direkt prangt in großen Lettern über dem Bild, Untertitel: Das Magazin für Patrioten. Das liebliche Titelblatt täuscht, man blättert durch, es geht um „Migrantengewalt“, „Gutmenschen“ und die „Gefahr von Multikulti“. Dazwischen: ein seitenfüllendes Inserat von Harald Vilimsky, österreichischer Spitzenkandidat von Europa der Nationen und der Freiheit (ENF) – die Fraktion der Rechtpopulisten im EU-Parlament.   

 

Info-Direkt ist politisch eindeutig positioniert. Laut Einschätzungen der Forschungsstelle Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstands bewegen sich die Inhalte des Magazins an der Grenze zum Neonazismus. Offiziell erhält es keine staatliche Presseförderung, indirekt aber schon: Durch Zeitungsinserate, die politische Parteien drucken und bezahlen, finanziert mit öffentlichen Geldern. 

 

Ein Inserat der EU-Fraktion Europa der Nationen und der Freiheit in Info-Direkt
Ein Inserat der EU-Fraktion "Europa der Nationen und der Freiheit" in "Info-Direkt"
© info-direkt.eu

 

So geschehen auch im Fall der ENF-Werbung. „Dieses Inserat wurde auf jeden Fall mit EU-Mitteln finanziert“, sagt Nicholas Aiossa von Transparency International EU. Darauf weise der kleingedruckte Vermerk „financed by the 400 budget of the ENF“ hin. Jede Partei im Europäischen Parlament erhalte ein bestimmtes Budget für Mitarbeiterkosten, etwa Fortbildungen, Konferenzen und Seminare. Was die einzelnen Abgeordneten mit diesem Geld machen, sei aber nicht nachvollziehbar, kritisiert Aiossa. Es ist paradox: Steuergeld von EU-Bürgern fließt an ein Medium, das nicht nur gegen Migranten, sondern auch regelmäßig gegen die EU hetzt und die Rückkehr zum völkischen Nationalstaat propagiert. 

 

 

Das Zeitungscover der 22 Ausgabe von Info-Direkt abgebildet auf info-direkteu
Das Zeitungscover der 22. Ausgabe von Info-Direkt, abgebildet auf info-direkt.eu
© info-direkt.eu

 

Querverbindungen zur FPÖ

 

Das Magazin geriet in den letzten Wochen erneut in die Schlagzeilen, es steht exemplarisch für die österreichischen Verflechtungen zwischen Rechtsextremen und hochrangigen Politikern. Viele der Info-Direkt-Autoren und Interviewpartner sind in einschlägigen rechten Organisationen unterwegs, besonders die Identitäre Bewegung Österreich bietet ideologisches Futter, so die NGO SOS Mitmensch. Der österreichische Verfassungsschutz bezeichnete die Identitäre Bewegung als „eine der wesentlichsten Trägerinnen des modernisierten Rechtsextremismus“. Der rechtspopulistischen Regierungspartei FPÖ wird wiederum seit Jahren ein Naheverhältnis zur Bewegung nachgesagt. FPÖ-Innenminister Herbert Kickl war 2016 Hauptredner bei einem Identitären-Kongress in Linz, FPÖ-Vizekanzler Heinz-Christian Strache lobte die Identitären in einem Facebook-Beitrag als „junge Aktionisten“.

 

Auf Facebook untersttzte FP-Vizekanzler die Identitre Bewegung Jetzt leugnet die FP Verbindungen zu den Rechtsextremen
Auf Facebook unterstützte FPÖ-Vizekanzler die "Identitäre Bewegung". Jetzt leugnet die FPÖ Verbindungen zu den Rechtsextremen.
© Facebook


Derzeit ist die FPÖ um Distanzierung bemüht, denn im österreichischen Nationalrat diskutiert man die Auflösung der Bewegung. Der Anlass: Eine höhere Geldsumme, die die Identitären als Spende erhielten – vom jenem rassistisch motivierten Attentäter, der im neuseeländischen Christchurch 50 Muslime und Musliminnen ermordet hatte. Erst vor wenigen Monaten war der Australier sogar nach Österreich gereist, inwiefern persönlicher Kontakt zu Mitgliedern der Identitären bestand, wird nun geprüft.    

 

Rechtsextreme Medien und die vermeintliche „Wahrheit“

 

Info-Direkt ist aber nur eines von vielen Medien, die dem politisch rechten Spektrum bzw. der FPÖ zugerechnet werden. In verschiedenen europäischen Ländern existiert ein dichtes Netz aus rechten Zeitungen, Online-Portalen und Blogs, die auffällig ähnlich aufbereitet sind. Sie alle haben zwei Feindbilder: Migranten und das Establishment, inklusive der vorgeblichen „Systemmedien“. Die linke Elite, der auch Journalisten angehörten, würde dem unbedarft patriotisch gesinnten Mann den Mund verbieten. Selbsterklärter Retter seien wiederum Medien wie Info-Direkt, wo endlich „die Wahrheit“ ausgesprochen werden könne, so der rechte Duktus. 
 

Diese Zeitungen seriös anzuerkennen ist absurd, da sie nicht im geringsten versuchen objektiv zu sein. Sie schreiben Hetzartikel, falsche oder bewusst falsch recherchierte Artikel, nicht selten mit antisemitischen Inhalten.  
                  Rubina Möhring, Reporter Ohne Grenzen 

 

In Österreich zählen dazu etwa die Wochenzeitungen Wochenblick und Zur Zeit – die schon mehrmals vom Österreichischen Presserat gerügt, vom Dokumentationsarchiv als rechtsextrem bezeichnet wurden. Dass die beiden Blätter eine öffentliche Presseförderung erhalten, empört Rubina Möhring, Chefin von Reporter Ohne Grenzen Österreich: „Diese Zeitungen seriös anzuerkennen ist absurd, da sie nicht im geringsten versuchen objektiv zu sein. Sie schreiben Hetzartikel, falsche oder bewusst falsch recherchierte Artikel, nicht selten mit antisemitischen Inhalten.“  

 

Die rechte Medienwelt hat gute finanzielle Voraussetzungen. Indirekte Förderungen über politische Werbung haben in Österreich fast schon Tradition: Ministerien, Parteien oder die Regierung zahlen tausende Euro für Inserate und sind damit seit Jahren eine wichtige Geldquelle für Medienunternehmen. In digitalen Zeiten, wo Verkaufszahlen und öffentliche Subventionen zurückgehen, sind Werbeeinnahmen überlebenswichtig. Und tödlich, wenn sie ausbleiben. „Medien können genauso abgestraft werden, indem sie von der Regierung keine Inserate mehr erhalten", sagt Möhring. Die regierende FPÖ hätte so indirekt die Möglichkeit rechte Hetzblätter zu fördern und unbotmäßige Berichterstattung finanziell zu sabotieren. Zuletzt genau so geschehen: Dem regierungskritischen Wochenblatt Falter wurden von der Regierung Inseratengelder gekürzt, das FPÖ-nahe Online-Portal unzensuriert.at wird im kommenden Jahr mehr Werbeschaltungen erhalten.

 

"Demokratiepolitisch ist das natürlich völlig untragbar“, sagt Möhring. Diese einflussnehmende Strategie sei ansonsten in Ländern zu beobachten, wo die Medienfreiheit bereits massiv eingeschränkt ist. Auch in Polen erhalten Aufdeckermedien kaum mehr staatliche Werbeinserate.

 

 

Österreichs Pressefreiheit in Gefahr?

 

Laut einem Bericht des Falter gab die jetzige Regierung im Jahr 2018 über 24 Millionen Euro für Eigenwerbung und Infokampagnen aus. Teile davon flossen ins rechtsextreme Milieu. Muss man sich also Sorgen machen, um Österreich und seine Pressefreiheit? „Ja, absolut“, so Möhring. „Es existieren durchaus Analogien zu Ungarn, wo man am Anfang nicht aufgepasst hat – und jetzt gibt es dort keine kritischen Medien mehr. Wenn Information immer einheitlicher wird, und sogar Bundeskanzler Kurz von ‚Lügenpresse‘ spricht, ist das auf jeden Fall gefährlich“.

 

 

Lina Paulitsch

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