Eine Frau liegt am Strand, die Haut ist perfekt gebräunt, kein Gramm Fett quillt aus dem Bikini. Ich scrolle weiter, die nächste postet ein Spiegelselfie nach dem Training - so rausgeputzt sah ich nicht mal auf meinem Abiball aus. Auch Werbebanner in der Innenstadt und der Film auf meinem Bildschirm zeigen mir hauptsächlich Frauen, deren Körper dem Schönheitsideal entsprechen. In meiner Pubertät ging das nicht spurlos an mir vorbei. Ich wollte auch so aussehen.
Also fing ich an mit Fitnesstraining durch YouTube-Videos, angeleitet von makellos aussehenden Frauen mit einem Lächeln auf dem Gesicht. Irgendwann quälte ich mich jeden Tag vor den Bildschirm, um die Bewegungen nachzuäffen, die mir laut Titel ein Sixpack oder einen wohlgeformten „Booty" bescheren sollten. Wenn ich abends erst spät nach Hause kam, hielt ich vor dem Zubettgehen zumindest noch für ein paar Minuten die Plank-Position. Ein Tag ganz ohne Workout war nicht denkbar, das schlechte Gewissen wäre zu groß gewesen. Spaß machten mir die Übungen meistens nicht. Ich trainierte, um einer Norm zu entsprechen. Es ging nicht um mein Wohlbefinden, sondern darum, dass ich besser aussehe.
Fitness-Influencer bringen viele Menschen dazu, den eigenen Körper zu trainieren. Und das ist per se erst mal gut, wie zahlreiche Studien belegen. Die Ergebnisse fasst Ingo Froböse von der Deutschen Sporthochschule in Köln im Deutschen Ärzteblatt zusammen: „Regelmäßige körperliche Bewegung eignet sich wunderbar zur Prävention von Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Bluthochdruck, Typ-2-Diabetes, Krebserkrankungen, Osteoporose, Übergewicht, Stress und Burnout."
Das Problem ist: Oftmals liegt der Fokus auf dem Aussehen. Gerade in den sozialen Medien kommt es zu Vergleichen. Warum hat die Influencerin so einen flachen Bauch und ich nicht? „Fitness-Influencer sind oft genetisch anders ausgestattet, trainieren sehr hart und nehmen nicht selten illegale Mittel ein", erklärt mir Personaltrainer Arlow Pieniak. Die gleiche Figur ist für einige schlicht unerreichbar. Als Teenagerin war mir das nicht bewusst, und auch heute erwische ich mich noch manchmal dabei, wie ich nur trainiere, um schlank zu bleiben. Aber passt das überhaupt zusammen: Fitnessübungen machen und dennoch den eigenen Körper so annehmen, wie er ist?
Body Positivity vs. Body NeutralityDem Eifern nach Schönheitsidealen arbeiten viele Bewegungen mit anderem Namen und ähnlichen Zielen entgegen, wie die Body-Positivity-Strömung. Entstanden in den USA und ursprünglich unter dem Namen Fat Liberation, kämpften primär schwarze dicke Frauen dafür, dass kein Körper diskriminiert wird. Die Bewegung soll zwar allen nutzen, aber trotzdem als sicherer Ort für die Gründerinnen dienen.
Die Industrie aber roch Geld. So dauerte es nicht lange bis man Duschgel, Bauch-Weg-Hosen und Vitaminkapseln mit dem Slogan Body Positivity kaufen konnte - beworben durch meist weiße, normschlanke Frauen. Nicht nur deshalb entstand die Body Neutrality-Bewegung. Sondern auch weil manche das Gefühl hatten, dass der Begriff Body Positivity suggeriert, immer alles an seinem Körper lieben zu müssen. Das erzeuge Druck in die andere Richtung. Die Strömung möchte weg von zwanghafter Positivität hin zu schlichter Selbstakzeptanz. Den Körper schätzen für das, was er ist: ein Körper.
Selbstakzeptanz kann man lernenAuch mich hat die Bewegung dazu gebracht, die Schönheitsideale zu hinterfragen, denen ich solange nachgeeifert habe. Muss ich wirklich in eine Jeans der Größe 34 passen? Trotzdem bin ich noch weit entfernt davon zu sagen: Mein Körper ist nur eine Hülle, mein Aussehen ist mir egal.