Der Sommer kehrt zurück und mit ihm auch die Sportveranstaltung „Tuesday Night Skating" (TNS). Nach zwei Jahren Pandemie-Pause rollen wieder jeden Dienstag Tausende Skater durch die Frankfurter Innenstadt. Beim Skaten kommen die Menschen schnell ins Gespräch, lernen sich zwanglos kennen, quasi im Vorbeirollen. Manchmal entstehen so Freundschaften. Manchmal Beziehungen. „Es gab noch kein Parship, das gemeinsame Skaten war die perfekte Singlebörse", erinnert sich Marc Bakker, einer der freiwilligen Ordner, an die Anfänge. In knappen, engen Jeansshorts düst ein anderer Inlineskater an ihm vorbei. Er dreht sich, fährt nun rückwärts und tanzt, während er seine Beine überkreuzt. Dienstagabends gehören die Straßen der Stadt wieder den Skatern. Der Autoverkehr wird immer streckenweise für die rollende Masse gesperrt.
Startpunkt ist der Hafenpark am Ostend, Pünktlich um 20.30 Uhr setzt sich der rollende Zug in Bewegung. 80 ehrenamtliche Ordner, ebenfalls auf Skates, sowie vier Motorräder der Polizei begleiten die Skater. Das Schlusslicht bildet ein Krankenwagen.
Von der Sandwichbar zum SporteventDie Idee für die Skate-Nacht hatte Dirk May, Flugbegleiter bei Lufthansa. Mehr als 25 Jahre ist das nun her: „Ich habe neben meinem Beruf eine Sandwichbar betrieben", erzählt May. Dort habe er, ähnlich wie in einem amerikanischen Diner, Sandwiches auf Inlineskates serviert. Einige der Gäste seien von dem Service auf Rollen so angetan gewesen, dass sie sich als kleine Gruppe jeden Dienstagabend nach dem Essen zum Skaten trafen. An einem Sonntag Mitte der Neunzigerjahre organisierte May dann eine Schnitzeljagd für Inlineskater. „Die Leute fanden das so toll, dass sie auch zu unseren wöchentlichen Treffen kamen, und plötzlich waren wir statt fünf auf einmal 50 Skater", sagt May. Die folgenden Wochen wurden es immer mehr begeisterte Inline-Fahrer. May entwickelte ein Konzept, um das wöchentliche Treffen auf Rollen für so viele Menschen wie möglich zugänglich zu machen. Seit 1999 zählt das Tuesday Night Skating zu den offiziellen Veranstaltungen des Sportamtes der Stadt und findet heute noch nach dem gleichen Konzept wie zu Ursprungszeiten statt.
Die Skater-Truppe ist bunt gemischt: Sowohl Senioren und Teenager als auch Profi-Skater und Anfänger finden zusammen. Auch Kostüme sind beim TNS gern gesehen - zum Oktoberfest etwa wird in Tracht gefahren. Der passionierte Inliner-Fahrer Rüdiger Jung trägt einen Helm mit Schweinchenohren, er fährt seit 13 Jahren jedes Mal bei gutem Wetter mit: „Einmal Skaten, immer Skaten, bis die Knochen platzen", sagt der Industriemeister.
Sehen und GesehenwerdenDie Strecken variieren und sind zwischen 25 und 32 Kilometer lang. Zehn verschiedene Tourrouten in alle Himmelsrichtungen hat May festgelegt. „Jede Tour hat ihren Reiz. Manche haben lange Geraden, auf denen man ordentlich Gas geben kann, bei anderen - wie bei den City-Touren - geht es eher um Sehen und Gesehenwerden", sagt May. Manche Touren führen in den Westen, Richtung Höchst, andere gehen in den Norden. „Auf der Rosa-Luxemburg-Straße können wir die Musik dann auch richtig aufdrehen, da die Straße einer Autobahn sehr ähnlich ist und wir hier niemanden stören", erklärt May.
Mit Bässen, die aus Musikboxen dröhnen, die in umfunktionierten Kinderwagen transportiert werden, wird die Stimmung unter den Teilnehmern angeheizt. Die „City-Touren" führen nach Sachsenhausen, am Roßmarkt vorbei und über verschiedene Brücken, die eine Aussicht auf die Skyline bieten. Dabei ist der Bodenbelag in der Stadt aber nicht zwingend besser zum Fahren. Bahnschienen, Baustellen und Löcher im Asphalt erschweren das Skaten. Manchmal rollt es nicht, wie es soll. Ein Inlineskater muss genau das an diesem Abend lernen. Mitten auf der Strecke streikt eine seiner Rollen. Er darf in den Krankenwagen einsteigen, der kurzerhand zur Werkstatt umfunktioniert wird.
Auf Inlineskates am Römer geheiratetJeden ersten Dienstag im Monat findet eine sogenannte „Light Tour" statt, bei der die Strecke kürzer ist und die Pause am Start- und Endpunkt im Hafenpark eingelegt wird. So können auch unerfahrenere Skater teilnehmen, die bei der halben Tour nach etwa zehn Kilometern aussteigen können. Sicheres Fahren und die Fähigkeit, zu bremsen, werden vorausgesetzt, das Tragen eines Helmes zudem empfohlen. Wer zu langsam oder zu unsicher fährt, bekommt schnell verdeutlicht, dass man bis zum nächsten Mal noch etwas üben sollte, um dann abermals wiederzukommen. „Inliner ist kein Standsport", witzelt Ordner Marc Bakker.
Das Event lebt von den Menschen, die schon seit Jahren zur Skater-Community der Stadt gehören. Aber auch neue Gesichter sind willkommen: „Ich fahre heute zum zweiten Mal mit, letztes Mal hat es mir so gut gefallen, dass ich unbedingt wieder dabei sein wollte", sagt Alisha Kress. Aber auch treue, langjährige Tuesday-Night-Skater finden sich unter den Teilnehmern, die eine besondere Geschichte mit der Veranstaltung verbinden. „Ich war die letzten sieben Monate in China und bin gestern erst nach Frankfurt zurückgekommen, TNS war für mich der erste Anknüpfungspunkt, meine Freunde, die ich noch aus den Neunzigern kenne, wiederzusehen", sagt Susanne Reinhart. Für sie gebe es nach einem langen Arbeitstag nichts Besseres, als durch die beleuchtete Stadt mit Blick auf die Skyline zu rollen, Freundschaften zu schließen und Kontakte zu knüpfen. So hat sie im Jahr 1999 sogar ihren jetzigen Ehemann bei TNS kennengelernt: „Zwei Jahre später haben wir auch auf Inlineskates am Römer geheiratet", erzählt sie. Mittlerweile fährt auch Sohn Malte regelmäßig mit.
Tuesday Night Skating Frankfurt beginnt und endet jeden Dienstag zur Sommerzeit am Hafenpark. Der Start ist pünktlich um 20.30 Uhr. Der nächste Termin ist Dienstag, 10. Mai.