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Von Brut- und Problemvögeln

Wenn im Frühjahr die Vögel mit dem Zwitschern beginnen und ihre Nester bauen weiß jeder – der Frühling ist da. Doch wer überprüft den Artbestand der Vögel, woher weiß man welcher Vogel im Garten brütet und wo können die Vögel ihre Jungen aufziehen, wenn ihre ursprünglichen Bruthöhlen oder Nester nicht mehr vorhanden sind? Mit diesen und weiteren Fragen beschäftigt sich die Ortsgruppe Oberhaching des BUND Naturschutz in Bayern nun seit 20 Jahren.

Eike Hagenguth, Initiator und Ideengeber der Vogelbeobachtung und des Schutzes der geflügelten Gefährten kam 1996 von Sachsen-Anhalt nach Oberhaching. Bereits als Kind war er verrückt nach Tieren – vor allem Vögel hatten es ihm angetan. Deshalb ist ihm auch aufgefallen, dass einige Vogelarten in seiner Heimat immer weniger wurden. „Früher gab es Massen von Rebhühnern und Fasanen,“ erklärt Hagenguth. Dieser Artenrückgang war 1992 Anlass seines Vorschlags im BUND Naturschutz, die Vögel zu beobachten und zu schützen. Die Ortsgruppe Oberhaching kümmerte sich damals hautsächlich um Amphiben.
Zu Beginn war die Aktion nicht einfach, da ein eigenes Computer-Programm benötigt wurde. Doch das Problem konnte durch ein Mitglied der Ortsgruppe aufgehoben  werden: „Frau Straub beherrschte den PC – der damals ja ganz neu war – und hat ein Programm für uns entworfen.“
Die daraus entstandenen Listen  führen genau auf, welcher Vogel wann und wo gesehen oder gehört wurde.  Wichtig ist auch, dass die Brutpaare erfasst werden. Als solches gelten sie, wenn sie nistend beobachtet werden, ein Gelege gefunden wird oder sie mit Futter im Maul herumfliegen.
 
Beobachtungen
Zu Beginn waren es um die 15 Beobachter, mittlerweile sind es 58, die in den 20 Jahren des Bestehens 23.900 Beobachtungen gemeldet haben. Dadurch lässt sich unter anderem feststellen und dokumentieren, welche Vögel ortsansässig sind, wie viele es gibt und ob sie weniger werden. „Wir wollen vor allem das Interesse an Vögeln wecken und auf die Umstände des Verschwindens eingehen,“ so Hagenguth. Durch Vogel-Wanderungen werden die Tiere den Beobachtern näher gebracht, außerdem wurden für Laien Vogelunterscheidungsmerkmale aufgestellt. Der Vogel-Experte beruhigt: „Das kommt alles mit der Zeit. Man lernt die Vögel immer besser kennen.“
 
Lebensraum
Ein immer größeres Problem ist das Verschwinden der Lebensräume der Vögel.  Öffnungen in Kirchtürmen werden wegen der Verschmutzung durch Tauben vernetzt, Bäume werden gefällt, Gärten werden zu  sehr gepflegt und Felder werden mit Pestiziden behandelt oder zu riesigen Monokulturen. Die Folge: fallen die Insekten durch die chemische Behandlung weg, fehlt es den Vögeln an Nahrung.
Mit einem postiven Beispiel geht der Kiesgrubenbetreiber in Oberhaching voran. Der Flussregenpfeiffer brütet in vegetations- und störungsfreien Kiesflächen – eine Kiesgrube bietet also ideale Voraussetzungen. Da das Gelege des Zugvogels kieselähnlich ist und mit blosem Augen nur schwer erkennbar, ist es sehr gefährdet von Fahrzeugen beschädigt oder überschüttet zu werden. Um den Schutz des Geleges zu gewährleisten, ermitteln die Vogelschützer den Brutplatz durch Beobachtung der Vögel. Der Kiesgrubenbetreiber sichert dieses dann vor Störungen.
Auch das gezielte Anlegen einer Kiesfläche speziell für diesen Vogel  führte bereits zu erfolgreichen Bruten.
Erna Pletschacher vom Oberhachinger Bund Naturschutz bezeugt: „Wir haben wirklich Glück mit dem Kiesgrubenbetreiber, dass er uns so beim Vogelschutz unterstützt.“

Schaffung von Nistmöglichkeit
Für viele Vogelarten haben sich die Lebensbedingungen trotzdem immens verschlechtert. Um dem entgegen zu wirken hat der Bund Naturschutz verschiedene Maßnahmen eingeleitet.
Durch gezieltes Aufhängen von Nistkästen haben bereits viele Vögel eine neue Brutstätte gefunden. Doch nur mit dem Aufhängen der Kästen ist es nicht getan: „Einmal im Jahr werden die Kästen gereinigt und wenn nötig repariert.“
Aktuell werden durch die Mitglieder des Bund Naturschutz ca. 160 Nistkästen kontrolliert.
Leider kommt es immer wieder zur mutwilligen Zerstörung der Nistkästen. Oft bleibt keine andere Möglichkeit, als die Nistkästen abzunehmen.
Teilweise muss auch spontan gehandelt werden, so hat Hagenguth schon einen Korb in einen Baum gehängt, da die Krone abgsägt wurde und auch das darin versteckte Nest betroffen war.
Viele Tierarten – insbesondere Vogelarten – finden im sogenannten „Viecherlturm“ in Oberhaching einen geeigneten Brutplatz. Das umgebaute Trafohaus wurde zu einem Tierwohhnheim und bietet vielen Tieren ein Zuhause. 10 Brutplätze für Vögel und Insekten können bewohnt werden. Auch Honigbienen und Hornissen haben im Viecherlturm ihre Heimat gefunden.

Zugvogelschwund
Viele Zugvögel kommen außerdem nicht mehr an ihrem Brutort an – sie haben die lange Reise aus dem Süden nicht überlebt. Das liegt an vielen Faktoren. Zum einen werden die Biotope und Rastplätze an den Überwinterungsorten zerstört, zum anderen werden Vögel  abgeschossen. Im Mittelmeerraum gelten einige Vogelarten als Delikatesse. Deshalb werden jedes Jahr fast drei Millionen Zugvögel, wie Rotkelchen oder Nachtigall, allein auf Zypern gefangen und landen als Delikatesse auf den Tellern von Restaurants.  Aber auch aus Spaß wird getötet. „Teilweise werden die Vögel einfach so abgeschossen. Gerade im Mittelmeerraum ist die Lage schlimm. Die rote Liste wird immer länger,“ beklagt Hagenguth. Auch die Verschmutzung in Bayern ist ein Problem. Plastik gefährdet die Vögel und kann sie das Leben kosten, wenn sie es beispielweise zum Nestbau nutzen. Erst vor Kurzem hat Hagenguth selbst erhängte Schwalben gefunden.

Problemvögel
Krähen gelten jeher als „Problemvögel“.  So kursieren Geschichten über angreifende oder müllfabrizierende Rabenvögel in den Köpfen vieler Menschen. Doch Rabenvögel gelten nicht nur als die intelligentesten Vögel sondern leiden auch unter ihrem schlechten Image.  Eine Ursache für den Angriff von Krähenvögeln ist das Annähern an die noch flugunfähigen Jungvögel. Mülleimer werden von den Vögeln durchsucht, um an Nahrung zu kommen, wenn sie andernorts keine mehr finden.
Auch der Eichelhäher wird sogar den „Schadvögeln“ zugeordnet und bayernweit gejagt – jährlich erfolgen ca. 25.000 Abschüsse. Dass der Eichelhäher durch das Vergraben von Eicheln für die Nachzucht von Eichen sorgt, ist vielen nicht bewusst und bleibt bei seiner Verfolgung außer Acht.
Ein, bei betroffenen Hausbesitzern, ungerngesehener Untermieter ist der Buntspecht. Er benutzt seinen Schnabel um den Partner durch lautes Trommeln auf sich aufmerksam zu machen. Solange es sich nur um trockene Äste handelt stört sich niemand daran, doch auch der Specht geht mit der Zeit und trommelt an Antennen oder an wärmegedämmten Fassaden. Da es beim Klopfen hohl klingt, verwechselt er es mit Faulholz und trommelt munter weiter. Betroffenen wird geraten die Spechte durch Rufen, Pfeifen oder mit Tüchern zu verjagen. Es empfielt sich Plastikbänder oder Ketten aus CDs aufzuhängen. Auch Eulen- oder Greifvogelattrappen, die an der Fassade angebacht werden, gelten als gute Abwehrmöglichkeit.

Aufzucht
Oft passiert es, dass junge Vögel aus dem Nest fallen oder aus anderen Gründen nicht mehr von den Altvögeln versorgt werden. Eike Hagenguth  hat in solchen Fällen bereits mehrmals die Aufzucht übernommen. Mit viel Aufwand werden die Küken aufgepäppelt und ausgewildert. Das erweist sich als keine leichte Aufgabe, da sich die jungen Vögel schnell an die pflegende Person gewöhnen. „Sie hätten so keine Möglichkeit draußen zu überleben,“ erklärt der Experte. Deshalb dürfen die Kleinen tagsüber in den Garten und werden nur zur Fütterungszeit angelockt. Dazu gewöhnt Hagenguth die Jungtiere an einen gewissen Pfiff, auf den sie reagieren. Irgendwann werde dann das Futter in den Garten gestellt und die Kleinen erlernen die selbstständige Futteraufnahme, erläutert der Vogel-Spezialist.

Vogelschützer
Vogelschützer kann jeder werden. Mit nur kleinen Taten kann Vögeln schnell geholfen werden.
Ein naturnaher Garten bietet Singvögeln wie Amseln, Zaunkönige oder Rotkelchen die nötige Nahrung. In perfekt gepflegten, unkrautfreien Gärten  mit kurzem Rasen leben kaum noch Insekten, die für die Ernährung der Vögel wichtig sind.
Das Aufhängen von Meisenknödeln ist jedoch umstritten. Hilfreich ist es sicherlich, wenn man Kindern Vögel näher bringen kann, da das Beobachten der „gängigen“ Vogelarten bei der Winterfütterung ermöglicht wird.
Wer einen verletzten oder kranken Vogel findet, sollte sich im Zweifel auf jeden Fall Hilfe suchen. Bei einem Vogel der gegen eine Scheibe geflogen ist, benommen am  Boden sitzt und  nicht verletzt ist oder aus dem Schnabel blutet kann eine vorsichtige Brustmassage lebenserhaltend sein. In einem, mit einem Tuch ausgelegten, Karton kann sich der Vogel erholen. Sobald es in der Kiste rumort, kann der Vogel freigelassen werden.    
Für immer wieder von Vogelschlag betroffene Fensterscheiben werden im Handel Folien oder ein „Birdpen“ angeboten.     L.Pettenkofer