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Der frühere Bürgermeister Heinz Hilger verabschiedet sich nach 24 Jahren Amtszeit in den Ruhestand.
Wie schwer fällt Ihnen der Abschied?Überhaupt nicht schwer. Ich hatte in den 24 Jahren den wahrscheinlich interessantesten Job, den man haben kann. Man ist immer fachlich in einem Segment drinnen und man bekommt alles mit. Mit Planen, Bauen und mit Sozialfällen, mit Kampfhunden und mit Riesenschlangen. Man hat immer verschiedene Probleme auf dem Tisch und muss dafür eine individuelle Lösung finden.
Was hat sich in der Gemeinde in den vergangenen 24 Jahren verändert?Die Alterstruktur hat sich verändert. Es sind immer wieder Reihenhäuser frei geworden und verschiedene Leute sind eingezogen. Die Gemeinde ist Mitte der 70er Jahre bis Ende der 80er Jahre stark gewachsen. Manchmal sind bis zu 1000 Einwohner pro Jahr zugezogen. Ehepaare, aber auch Familien mit Kindern.
Sie haben eher auf die Qualität des Wohnens gesetzt, als auf das Wachstum. Ist das auch ein Grund dafür, dass sowohl jüngere als auch ältere Bürger in die Gemeinde gezogen sind?Wir haben ja auch das Pflegehaus mit dem betreuten Wohnen gebaut, damit wir dieses Angebot auch vor Ort haben. Das ist ein Beitrag, damit die älter werdende Generation vor Ort bleiben kann. Genauso ist es mit der ganzen Sozialarbeit, die wir leisten, da sind wir im Landkreis spitze. Anerkannt spitze beim Landratsamt bezüglich der Schulsozialarbeit, des Streetwork, der Mittags- und Seniorenbetreuung. Die Seniorenbetreuung ist mobil. Quasi Streetwork für Senioren. Und inzwischen haben wir in der Verwaltung einen Sozialmanager, der das Ganze vernetzt.
War es ihr langgehegter Wunsch, Bürgermeister zu werden?Das war nicht mein Lebensziel, eher 1000 Zufälle. Ich war einzelner Gemeinderat und mein Vorgänger ist abgewählt worden und ich bin es geworden. Als einzelner Gemeinderat in einer 12.000 Einwohnergemeinde ist das nicht normal, aber ich bin es halt geworden. Und dann habe ich eine Therapie gemacht. 40 Stunden. Weil ich gewusst hab, ich brauch Hilfe. Der Mensch braucht Hilfe.
Hat Ihnen die Therapie geholfen?Das waren 40 Stunden in ungefähr zwei Jahren und ich habe viel Philosophie gelesen, weil ich versucht habe, die Menschen zu verstehen, warum sie so sind, wie sie sind.
War die Therapie mit Angst begründet?Nein, gar nicht. Es ging darum, dass man versucht, jemanden zu verstehen. Etwa, wenn einer mit einem Anliegen kommt, wo man vielleicht die Hände über dem Kopf zusammen schlägt. Aber die wollen ja Hilfe, auch wenn man weiß, es geht überhaupt nicht. Und wenn es geht, dann nicht so, wie die exakte Vorstellung ist, sondern mit einem Kompromiss. Das muss man erklären und dann gibt es welche, die verstehen es schnell und es gibt auch welche, die verstehen weniger schnell. Und das darf man dann nicht persönlich nehmen, die meinen ja nicht mich. Ich vertrete ja nur die Gesetzte und die sind demokratisch zu Stande gekommen.
Das Helfen stand bei Ihnen also immer im Vordergrund?Helfen hat bei mir einen sehr hohen Stellenwert. Und es macht ja auch Spaß. Ich glaube, es gibt nicht viel Schöneres, als wenn man jemanden helfen kann.
Wie haben Sie die 24 Jahre als Bürgermeister verändert?Klar, war es prägend, ein viertel Jahrhundert Bürgermeisteramt. Aber ich bin von Natur aus geduldig und gelassen. Es hat einmal einen Gemeinderat gegeben, der hat gesagt: Ich bin wie eine Teflonpfanne. Außerdem haben mich die Therapie und die Philosophie gestärkt.
Haben Sie es persönlich zu spüren bekommen, wenn einer nicht bekommen hat, was er wollte?Nein, eigentlich überhaupt nicht. Und dadurch, dass ich drei mal wieder gewählt worden bin, denke ich, das war eine Bestätigung für meine Arbeit und ich nicht verkehrt bin, mit meinem Weg, den ich eingeschlagen habe.
Was wünschen Sie sich für die Gemeinde?Seit vielen Jahr ist es mein Wunsch, dass sich die Gemeinde einen Ortspark leisten kann. In der Mitte, zwischen Kirchheim und Heimstetten. Weil ich mir denke, das hat Qualität, wenn die Bäume groß werden können (formt mit den Armen einen großen Kreis). Das hat was. Dieser Ortspark wird ja bearbeitet, in einem Wettbewerb. Das wird bearbeitet. Aber das ist ein langer Prozess.
Was ist das Besondere an Kirchheim-Heimstetten?Es ist das Spannungsfeld zwischen städtisch und dörflich. Wir haben eben noch Äcker, wir haben Traktoren und die fahren wie nochmal was (lacht). Ich finde, da muss man einen Kompromiss finden und daran haben wir gearbeitet. Ich würde mir für Kirchheim-Heimstetten wünschen, dass das beibehalten wird.
Ist man als Bürgermeister eher begeistert oder mehr frustriert?Begeistert. Weil Sachen im Gemeinderat oder Entscheidungen sind eigentlich zu 100 Prozent so eingetreten, wie ich mir das gewünscht habe. Klar, hätte ich meinen Ortspark schon gerne lange gehabt. Er wäre gesichert, würden die Bäume schon stehen.
Was war vor über 30 Jahren entscheidend für Ihren Entschluss, nach Kirchheim zu ziehen?
1976 war die Entscheidung, mit meiner damaligen Frau. Wir haben damals in Daglfing gelebt und wollten ein Reihenhaus und kannten den Baggersee, den Fidschi. Ich bin in Berg am Laim aufgewachsen und schon damals immer mit dem Fahrrad an den Fidschi gefahren. Das war schon immer unser Badesee. Und wir wollten ein Reihenhaus an der S-Bahn und darum sind wir damals nach Heimstetten gekommen. Und 1978 wurden dann die Orte zusammengelegt.
Welches politische Projekt ist Ihnen in den 24 Jahren besonders ans Herz gewachsen?Das Zusammenbringen von Baulichem und einem grünen Gedanken. Orte wo Gemeinbedarf stattfindet und dazu Platz für Bäume ist.
Was war ein Höhepunkt in Ihrer Karriere?Das erste Dorffest auf dem Pfarrer-Kasper-Mayer-Platz. Da hatte ich die Idee, die Straße umzugestalten. Es gibt da jetzt so tolle Möglichkeiten, wie man den Platz sperren kann und unterschiedlich viel Platz zum Feiern hat. Als da 2000 dann das erste Dorffest war, hat mich das sehr gefreut, weil ich mir diese Ortsmitte einfach gewünscht habe.
Was muss der neue Bürger-meister Max Böltl mitbringen, um die Gemeinde erfolgreich weiter zu führen?Er muss lernfähig sein und das annehmen können, was ihm die Verwaltung erarbeitet und dass er die demokratisch geschaffenen Grundlagen, also die Gesetze, akzeptiert und nicht eigene Kirchheimer Gesetze macht.
Welchen Satz über sich würden Sie gerne in einer Würdigung über sich lesen?(Überlegt) Vielleicht: Er hat Demokratie gelebt.
Wie werden Sie Ihre Zukunft verbingen?Ich habe einen Weingarten in der Südsteiermark. Das ist zwischen Graz und der Slowenischen Grenze. Jetzt möchte ich das Verhältnis umdrehen. Mehr dort sein, als hier. Aber ich werde Kirchheim-Heimstetten trotzdem erhalten bleiben. Ich muss ja schauen, was aus meinem Ortspark wird.
Vielen Dank für das Interview und eine geruhsame Zukunft.
Laura Pettenkofer