Laura Goudkamp

Freie Journalistin , München

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Artikel

Die dunkle Seite des Weihnachtsgeschäfts Die Wahrheit hinter dem Klick bei Amazon

In Leipzig hat die österreichische Journalistin Nina Strasser vom Magazin NEWS pünktlich zur Weihnachtszeit bei Amazon angeheuert. Ihr Job: Als Stower muss sie neu angelieferte Waren in die Regale räumen. Über 100 Millionen verschiedene Artikel lagern anscheinend völlig unsortiert in der riesigen Lagerhalle - Teddys neben Fressnäpfen neben Sexspielzeug. Amazon nennt das sein „Chaosprinzip" - ein System das allerdings höchst effizient und platzsparend sein soll. Und effizient soll es auch beim Personal zugehen.

Auch in Wales sieht es nicht anders aus

Im über 1000 Kilometer entfernten Swansea in Wales macht Carole Cadwalladr vom britischen Guardian ähnliche Erfahrungen mit Amazon. Sie arbeitete Undercover als sogenannte Pickerin. Mit einem großen Wagen sammelt sie die bestellten Produkte zusammen. Dabei läuft sie über 15 Kilometer am Tag - ein echter Knochenjob. Die halbe Stunde Pause am Tag entpuppt sich als Farce.

Monotone Arbeit, kurze Pausen, harte Regeln, das alles gibt es nicht nur bei Amazon, sondern auch in anderen Fabriken. Carole Cadwalladr sprach während ihrer Undercover-Recherche mit vielen Arbeitern. Die Mehrheit ist sich einig: Bei Amazon ist es im Vergleich zu ähnlichen Unternehmen am schlimmsten. Anders als in Deutschland, wo Gewerkschaften Ende November zu Streiks gegen die schlechten Arbeitsbedingungen aufgerufen haben, bleibt es in Wales allerdings ruhig.

Viele Arbeiter in der strukturarmen Gegend sind froh überhaupt einen Job zu haben - vor der Finanzkrise waren sie Elektriker, Manager oder IT-Spezialisten. Jetzt hoffen sie bei Amazon bleiben zu können. Das nutzt der Konzern aus und setzt die Arbeiter mit einem Punktesystem unter noch mehr Druck.

Nachtrag: Amazon Deutschland legt in einer Stellungnahme gegenüber dem Zündfunk Wert darauf, dass es kein Punktesystem bei Amazon in Deutschland gebe. Desweiteren würden auch im Standort Swansea in Wales/UK Mitarbeiter, die sich ordnungsgemäss krank melden, selbstverständlich nicht entlassen.

Amazon - eine Menschenfabrik?

Nach zwei Wochen sind die beiden Journalistinnen froh nie wieder in die Amazon Warnwesten schlüpfen zu müssen. Trotz ihrer Erfahrungen schließen beide nicht aus, künftig wieder bei Amazon zu bestellen. Einige Produkte gibt es ausschließlich beim Online-Giganten zu kaufen und der Preis ist unschlagbar. Ein Erfolgsmodell mit bitterem Beigeschmack: Amazon hat mit seinem Preisdumping nicht nur viele Fachgeschäfte in den Ruin getrieben, sondern zahlt bei 61 Milliarden Euro Umsatz im letzten Jahr auch noch kaum Steuern. Amazon - eine Menschenfabrik, die so erfolgreich ist wegen unseren vielen Klicks.

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