Die katholische Kirche will mit der AfD nichts zu tun haben. Sie hält die Partei für menschenverachtend, fremdenfeindlich und gefährlich. Deshalb hat das Zentralkomitee der deutschen Katholiken Parteivertreter kürzlich vom Katholikentag ausgeladen. Auch die deutschen Bischöfe haben in dieser Woche auf ihrer Frühjahrsversammlung beschlossen, den neuen Rechten bloß kein Forum zu bieten. Frauke Petry reagiert darauf verärgert, bezeichnet die Kirche als "verlogen". Zwischen ihr und Kardinal Reinhard Marx ist mittlerweile ein Streit entbrannt, von dem jedoch nur einer profitiert: die AfD.
Es ist ein Hin und Her, das beide Seiten seit Tagen über die Medien austragen. Marx wirft Petry und den ihren vor, eine "radikale Hasssprache" zu verwenden, Gräben in der Gesellschaft aufzureißen und "Menschen in die Ecke zu drängen." Von Versöhnung könne gar keine Rede sein, so der Münchner Erzbischof und Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz.
Die AfD-Vorsitzende will die Kritik nicht auf sich sitzen lassen und kontert erzürnt: "Inzwischen erheben einige Amtsträger der deutschen Kirche ihre Stimme offenbar mehr für Muslime als für eigene Glaubensbrüder." Das wiederum mag der Klerus keinesfalls unkommentiert lassen. Stimmt doch gar nicht, was die Petry da erzählt, sagt Marx wütend und verteidigt seine Vorstellung von Flüchtlingspolitik. Und schiebt hinterher: Er habe seine Aussagen nicht ausschließlich auf die AfD bezogen. Damit hat Petry im Grunde genau das erreicht, was sie wollte: Durch ihre Provokation ist die katholische Kirche längst im Dialog mit der AfD. Petry hat gestichelt, Marx ist darauf angesprungen. Eins zu null für die Parteichefin.
Wer AfD wählt, kann kein Christ sein, lautet die BotschaftNur ist es weiterhin keine direkte Auseinandersetzung. Die Entscheidung der katholischen Kirche, den Dialog zu verweigern, spielt den Rechtspopulisten in die Karten: Die AfD bekommt wieder eine schöne Gelegenheit, sich als Opfer zu profilieren, als diejenigen, die vom Establishment ausgegrenzt werden, obwohl sie doch angeblich den Austausch suchen.
Horcht man allerdings auf unteren Ebenen in der Kirchenhierarchie nach, stellt sich heraus: Hinter den Kulissen sucht die katholische Kirche sehr wohl das Gespräch mit AfD-Leuten. Hier und da, in verschiedenen Bundesländern, gibt es immer mal wieder Annäherungsversuche. "Doch im Augenblick gibt es nur sehr wenige Gemeinsamkeiten zwischen der katholischen Kirche und den Positionen der AfD", sagt Winfried Weinrich, Leiter des Katholischen Büros in Erfurt. Er ist die Verbindungsstelle zur thüringischen Landespolitik. Weinrich hat am Anfang den Kontakt zu Björn Höcke, dem umstrittenen AfD-Fraktionsvorsitzenden im Thüringer Landtag, gesucht, mit ihm geredet. Mittlerweile sei ein sachliches Gespräch mit der AfD aber kaum noch möglich. Vor allem seit der Entscheidung des Bischofs Ulrich Neymeyr, die Beleuchtung des Erfurter Doms während der AfD-Demos auszuschalten, ist die Situation angespannt. "Es gibt seitens der Partei einfach keine konstruktiven Ansätze für die Flüchtlingspolitik und das gemeinsame Miteinander", sagt Weinrich. Trotzdem, mit manchen AfD-Abgeordneten gelinge ihm ab und an ein kritisches und reflektiertes Gespräch.
Doch wieso mischt sich die Kirche überhaupt ein in die politische Debatte? Warum äußert sich Bischof Marx zu so einer wie Petry, reagiert auf ihre Anspielungen und schenkt ihr und der Partei damit erst recht Aufmerksamkeit?
Es ist gut, dass die katholische Kirche mal Farbe bekennt, dass sie für eine menschliche Asylpolitik wirbt und Aussagen, die zur Gewalt aufrufen á la "Flüchtlinge zur Not auch mit Waffengewalt abwehren", verurteilt. Doch Aufgabe der Kirche ist es nicht, zu bewerten, welche Parteien schicklich sind und welche nicht. Die Kirche ist kein politischer Player. Es tut ihr selten gut, sich auf dieses Parkett zu wagen. Nun suggeriert sie, die politische Gesinnung stehe im direkten Zusammenhang mit der privaten Glaubenspraxis. Wer AfD wählt, kann kein Christ sein. Das ist die Botschaft.
Dabei belügen sich die Katholiken ein Stück weit selbst, wenn sie so tun, als wenn es unter ihnen sonntagmorgens im Gottesdienst keine AfDler gebe. Vor allem christliche Fundamentalisten spielen innerhalb der rechtspopulistischen Partei aus der Sicht des Soziologen und AfD-Kenners Andreas Kemper eine wichtige ideologische Rolle. Nicht alle können die harte Linie gutheißen, die von Kardinal Marx vorgegeben wurde. Ob ein Dialog nicht doch mehr Sinn ergeben würde, heißt es aus Kirchenkreisen. Offen und namentlich will das aber niemand sagen. Man fürchtet die Kritik an der Kritik. Der Streit zwischen der Kirche und der populistischen Partei macht vor allem diejenigen wütend, die sich zu beiden zugehörig fühlen. Denn ja, das gibt es tatsächlich: Katholische AfDler.
"Ich fühle mich durch die Äußerung von Marx angegriffen und verletzt", sagt Michael Frisch. Er ist Religionslehrer und praktizierender Katholik, engagiert sich aktiv in der Gemeinde - und sitzt für die AfD-Fraktion im Trierer Stadtrat. Die Reaktion seiner Kirche empfindet er als übergriffig, da habe Kardinal Marx sich zu weit aus dem Fenster gelehnt. Er agiere, so Frisch, als Politiker und nicht mehr als Seelsorger, was doch der eigentlichen Rolle der Kirche entspreche. Die einseitige Parteinahme, den Dialog mit Andersdenkenden zu verweigern, das sei "unbiblisch", sagt der Theologe.
Auch andere Parteigenossen, wie Jens Beckmann, Sprecher der Vereinigung "Christen in der AfD", sind enttäuscht. "Ich nehme das als Katholik schon ernst, was Marx sagt und habe daraufhin auch meine eigene Position überprüft", sagt Beckmann, "aber ich kann keinen Widerspruch erkennen." Für ihn passe beides zusammen: sein Glaube und die AfD-Mitgliedschaft. Dass politische Akteure nicht mit der Partei sprechen wollen, könne er ja noch nachvollziehen, aber wieso die Kirche sich so hart zeige, diese Konfrontation suche, sei ihm unverständlich. "Das ist eine Ohrfeige." Andere AfDler drohen jetzt mit Kirchenaustritt, sehen sich in der katholischen Gemeinschaft nicht mehr willkommen.
Es ist ein schmaler Grat, auf dem sich die katholische Kirche im Umgang mit der neuen Partei bewegt. Ihren Funktionären will sie aus dem Weg gehen, sie nicht am Diskurs teilhaben lassen. Den Mitgliedern aber, den verlorenen Schafen, sollte sie besser die Argumente nehmen und sie mit offenen Armen begrüßen. Christliche Grundwerte wie Nächstenliebe und Mitmenschlichkeit sind doch das beste Mittel gegen Rechtspopulismus und Fremdenfeindlichkeit.