Aus: Ausgabe 33/2015
Ein letzter Atemzug, die Lungen voll Luft pumpen und einfach abtauchen in die dunkle Tiefe. 30 Meter, 50 Meter, 60. Apnoetauchen, das hat Natalja Moltschanowa mehr als alles andere geliebt. Ihr Rekord lag bei 101 Metern. Die Welt vergessen, sich auf den eigenen Körper konzentrieren, völlig schwerelos sein, wie ein Fisch im Wasser. Das Freitauchen war ihr Leben, neun Minuten die Luft anzuhalten gab ihr den Kick. Denn das Ringen um Sauerstoff berauscht wie ein Droge. Moltschanowa brauchte dieses Gefühl der Atemlosigkeit, die Extreme, die Kontrolle über den eigenen Körper. Ihre Tauchgänge waren legendär. Sie war die Beste: 41 Weltrekorde, 23 Welttitel. Immer tiefer, immer mehr.
Am 2.?August tauchte die 53-jährige Russin vor der Insel Formentera ab. Mit Bleigewichten, ohne Sauerstoffflasche. 35 Meter will sie runter. Für die erfahrene Taucherin ein Klacks. Vielleicht ist es diese Sicherheit, das trügerische Gefühl der Unbesiegbarkeit, das der Sportlerin zum Verhängnis wird. Denn Natalja Moltschanowa taucht nicht wieder auf. Sie sinkt in die Tiefe und verschwindet. Hubschrauber, Schiffe und Taucher, sogar ein Roboter suchen im Mittelmeer nach ihr. Vergebens. Die Familie vermutet, dass die Strömung Moltschanowa fortgerissen hat. "Es sieht so aus, als würde sie im Meer bleiben. Ich glaube, das hätte ihr gefallen", sagt der 28-jährige Sohn. Hunderte Male hat Natalja Moltschanowa die Luft angehalten, ist abgetaucht - und hat mit dem Tod gespielt. Nun ist sie an ihre Grenze gestoßen. Sie ist gestorben, wie sie gelebt hat: am Limit.