3 Abos und 0 Abonnenten
Artikel

Sportwissenschaft: "Wozu habe ich eigentlich studiert?"

Nach der Uni muss sie 18.000 Euro Kredite und Bafög zurückzahlen. Das anonyme Gehaltsprotokoll von einer, die als Quereinsteigerin das Gehalt einer Erzieherin bekommt.



Name: anonym

Alter: 30

Position: Pädagogische Fachkraft in der Jugendarbeit

Branche: Soziale Arbeit

Unternehmensgröße: 5 Mitarbeiter an ihrem Standort


"Ich bekomme ein Gehalt wie eine Erzieherin. Manchmal frage ich mich, wie es dazu kommen konnte, nach acht Jahren Studium und einem 1,0-Magister-Abschluss in Sportwissenschaft und Pädagogik.

Während meines Studiums habe ich Bafög bekommen. In dem Bundesland, in dem ich studierte, gab es auch noch 500 Euro Studiengebühren pro Semester. So musste ich zusätzlich einen Kredit aufnehmen. Nebenher begann ich zu arbeiten, um finanziell nicht nur von der Bank abhängig zu sein. 

Erst in einer Bar, später noch beim Jugendamt in der Einzelfallbetreuung. Durch die viele Arbeit neben dem Studium hat sich mein Abschluss verzögert. Schließlich bekam ich kein Bafög mehr und musste noch einen weiteren Kredit über 300 Euro monatlich aufnehmen. Zusammen mit dem Bafög waren das insgesamt 18.000 Euro, die ich würde abzahlen müssen.

Nach dem Studienabschluss konnte ich die Kredite erst einmal stunden lassen und die Rückzahlung so aufschieben. Dann hab ich begonnen, selbständig in der betrieblichen Gesundheitsversorgung zu arbeiten. Ich wäre gerne dort geblieben, aber selbständig zu sein ist eine heikle Sache, wenn man Schulden hat. Wenn ich krank bin, gibt es kein Geld. Wie sollte ich so je meine Kredite abbezahlen?

Nach zwei Jahren war klar, dass ich als Selbständige keine Perspektive hatte.

Feste Jobs für Sportwissenschaftler liegen leider nicht auf der Straße und so fand ich keine Arbeit.

Als ich noch studiert habe, wollte ich eigentlich immer Sporttherapeutin werden. Die Idee von der Ausbildung zur Sporttherapeutin war zu diesem Zeitpunkt eigentlich kein Thema mehr. Wie auch? Die Spezialisierung hätte mich schließlich noch einmal knapp 8.000 Euro gekostet. So viele Schulden für das Studium, das war schon frustrierend.

Da habe ich mich an meine Arbeit beim Jugendamt erinnert. Zwar hatte ich nicht Soziale Arbeit studiert, aber dank meiner jahrelangen Erfahrung gelang mir der Quereinstieg. Nun arbeite ich bei einem großen Träger in der Jugend- und Familienhilfe. Die Arbeit macht mir Spaß, auch wenn mir der Bezug zu den Sportwissenschaften fehlt.

Ich bin gut darin, Familien zu beraten. Ich komme über die Runden und kann meine Kredite abzahlen. Aber im sozialen Bereich verdiene ich wenig, weil ich keinen passenden Abschluss habe noch weniger. Im Alltag spüre ich oft, dass ich mir wenig leisten kann. Von meinen 1.300 Euro netto, die ich im Monat für 32 Stunden Arbeit im verdiene, gehen 300 Euro für meine Studienkredite drauf. Ein richtiger Urlaub ist da nicht drin. Etwas zurücklegen auch nicht. Wenn eine Nachzahlung kommt, gerate ich ins Schwimmen. Hätte ich die Schulden aus meinem Studium nicht, wäre ich wohl zufrieden mit dem Geld. Ich habe kein Auto und die Miete für mein WG-Zimmer ist günstig. Aber was, wenn ich mal eine Familie möchte oder eine eigene Wohnung?

Natürlich könnte man fragen: "Warum arbeitest du nicht einfach mehr, dann hättest du auch mehr Kohle?" Der Grund ist, dass ich noch einmal angefangen habe zu studieren. Mit einem Masterabschluss in Sozialer Arbeit hätte ich beruflich bessere Chancen.

Zwischenzeitlich habe ich sogar auf 25 Stunden reduziert, um die Seminare besuchen zu können. Da hatte ich dann nur noch 1.100 Euro. Abzüglich der Kredite war ich bei 800 Euro monatlich – minus Miete und Essen. So begann der Teufelskreis, den ich schon aus dem Studium kannte. Ich nahm einen Minijob in einer Bar an und dachte mir "nur ein bisschen am Wochenende". Das war natürlich Selbstbetrug.

Ein Vollzeitstudium war neben der Arbeit nicht zu schaffen und das Fach nebenberuflich studieren war an der Uni nicht möglich. Schließlich wurde alles zeitlich so viel, dass ich unkonzentriert bei der Arbeit und im Studium war. Letzten Monat habe ich es schließlich an den Nagel gehängt. Jetzt habe ich keinen richtigen Plan. Ich bereue mein Studium zwar nicht, aber wenn ich noch einmal studieren würde, würde ich wahrscheinlich anders wählen. Manchmal frage ich mich, ob es für meinen jetzigen Job nicht egal gewesen wäre, was ich studiert habe.

Nach wie vor würde ich gerne etwas machen, das mit Sport zu tun hat. Ich will an dem Punkt, an dem ich jetzt bin, nicht stehen bleiben. Deshalb suche ich immer nach Fortbildungen oder Masterstudiengängen, um meine beruflichen Chancen zu verbessern. Vielleicht kann ich ja eines Tages sogar den Sport und die soziale Arbeit verbinden."



Zum Original