Auge um Auge Wort um Wort
Trump-Anhänger: Sind das nicht ungebildete Rednecks, mit schlechten Zähnen und rassistischen Vorurteilen? Falsch. Es gibt auch viele Studenten, die ihn gewählt haben – und den Kampf um Amerikas Selbstverständnis an die Unis tragen. An den Hochschulen der USA wird gestritten wie selten zuvor. Von Lara Wiedeking "Unter Studenten hat es viele versteckte Republikaner gegeben." Mehr als 60 Prozent der 18- bis 29-Jährigen gingen nicht zur Wahl. "Die Wahl von Trump war ein Weckruf." – Meredith Forsyth, 19.
Washington, die letzten Tage des Semesters, es fühlt sich immer noch fürchterlich an: Die Studenten des Demokraten-Klubs sitzen im Keller eines roten Backsteinhauses an der altehrwürdigen Georgetown University. Sie müssen noch einige Dinge besprechen, bevor sie in die Sommerpause gehen. Den üblichen "Orga-Kram". Aber am Ende landen sie wieder bei der Nacht, die alles verändert hat: der Wahlnacht im November, in der Donald Trump triumphiert hat, auch über sie. Ihre Idee von Amerika. Wie Studenten an einer amerikanischen Universität miteinander reden, umgehen, leben sollten. Respektvoll, diplomatisch – was ihre Gegner eben als "politisch korrekt" bezeichnen und verachten.
Caroline Healy, 19, studiert Politik und Soziologie. Sie hatte sich in der Wahlnacht mit anderen Studenten zum "Rudelgucken" getroffen und am Ende Tränen in den Augen: "Es war die traurigste Nacht in meinem Leben." Sie konnte es damals nicht fassen, kann es bis heute nicht verstehen: "Zu sehen, wie die Ergebnisse reinkommen, hat mir das Herz gebrochen. Ich bekomme immer noch Kopfschmerzen, wenn ich daran denke."
Dieselbe Stadt, aber ein ganz anderes Gefühl: Sara Doughertys Herz hüpft immer noch – vor Begeisterung. Sie studiert Politische Kommunikation an der George-Washington-Universität und ist das Sprachrohr der College Republicans. Vor einigen Wochen hat sie Kellyanne Conway im Weißen Haus getroffen, die Sprecherin des undiplomatischsten Präsidenten aller Zeiten. Sie sagt: "Eine großartige Frau." Seitdem kämpft sie noch eifriger: "Wir haben eine Rekordzahl an Neuzugängen", erzählt sie bei einem schnellen Kaffee. Die Zeit ist knapp, bald sind Abschlussprüfungen. Aber die Botschaft ist ihr wichtig: "Unter den Studenten hat es viele versteckte Republikaner gegeben, die sich endlich raustrauen." Sagen, was sie denken, tun, was sie wollen, ohne Angst haben zu müssen, dafür verurteilt zu werden. "Viele stehen plötzlich stolz zu ihrer Überzeugung", so Sara Dougherty.
Der neue Präsident spaltet nicht nur Amerika, er spaltet auch die amerikanischen Universitäten. Dort wird der Kampf darum, wie das Land sein soll, so heftig geführt, wie vermutlich noch nie. Was soll erlaubt sein, was nicht? Was darf man in der Ära Trump sagen, und was wird man angeblich doch mal sagen dürfen? Und was – Oh, my God! – auf keinen Fall, weil jedes harte Wort angeblich den Tatbestand der Menschenrechtsverletzung erfüllt? Zwar war die Stimmung an den Unis schon aufgeladen, bevor Donald Trump zum 45. Präsidenten der Vereinigten Staaten gewählt wurde. Aber weil die Diskussion an der Bruchkante von Trump-Anhängern und -Gegnern verläuft, hat sein Sieg die Gräben noch mal vertieft.
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