Lara Schauland

Politik und Fußball, Berlin

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Nachruf: Ein anderer Fußball

Am Dienstag gab Hertha BSC den plötzlichen Tod Kay Bernsteins bekannt, der seit 2022 Präsident der Alten Dame war. Er wurde nur 43 Jahre alt. "Der gesamte Verein, seine Gremien und Mitarbeitenden sind fassungslos und zutiefst bestürzt. Die Hertha-Familie trauert mit Kays Hinterbliebenen und ist in dieser schweren Zeit in Gedanken bei seiner Familie, seinen Freunden und Wegbegleitern", hieß es in der Mitteilung.

Der Tod von Kay Bernstein ist nicht nur für seinen Klub ein enormer Verlust. In der deutschen Fußballandschaft klafft eine Lücke. Bernstein, ehemaliger Vorsänger und Ultra mit außergewöhnlicher Leidenschaft für den Verein, hinterlässt ein bedeutendes Erbe, sowohl in als auch abseits der Kurve. Schon vor seiner Zeit als Präsident setzte er sich mit viel Verve für den Klub und besonders für dessen Fans ein. Auch als Ultra war er immer um einen Dialog auf Augenhöhe bemüht und versuchte zu helfen, wo Hilfe gebraucht war. Unvergessen ist etwa der Einsatz für den an Leukämie erkrankten Hertha-Fan Benjamin Bienert, für den bundesweit Knochenmarkspender gesucht wurden. Ebenso die "Remember Benny"-Aktionen nach dessen tragischen Tod.

In Bernsteins Amtszeit musste sich Hertha BSC drastisch verändern, um enorme Herausforderungen zu bewältigen, an denen sich viele der problematischen Aspekte des gegenwärtigen Fußballs aufzeigen lassen. Am wichtigsten war sicherlich der Ausstieg von Investor Lars Windhorst und die Übernahme von dessen Anteilen durch das Private-Equity-Unternehmen "777 Partners" Ende 2022 sowie der im Sommer 2023 folgende Abstieg des Vereins in die zweite Liga.

Bekannt für seine Nähe zu den Fans und sein Verständnis für deren Kultur spielte Bernstein eine wichtige Rolle für ihre Einbindung auch in die Vereinspolitik. Unter seiner Führung hat Hertha BSC bedeutende Schritte unternommen, um die Beziehung zwischen Klub und Anhängern zu stärken. Auch bei heiß diskutierten Themen wie dem Verbot von Pyrotechnik plädierte er für einen vernünftigen Umgang mit den aktiven Fans, selbst wenn es ihm viel Schelte in den Medien einbrachte.

Im Beruf Eventmanager und als solcher mit der Geschäftswelt bestens vertraut, stand Bernstein für den Versuch ein, zu alten Werten der Fußballkultur zurückzukehren, ohne die Realitäten des kommerzialisierten Sports zu ignorieren. Er wusste, dass eine vermeintliche Rettung nicht durch einen einzelnen großen Sprung erreichbar ist. Immer wieder sprach er deshalb von einem Prozess, den der Verein durchlaufen müsse, um wieder zu gesunden. Dass damit auch schmerzhafte Entscheidungen einhergehen, zeigt die Übernahme der Windhorst-Anteile an der Hertha BSC GmbH & Co KGaA durch die "777 Partners" ebenso wie die Wahl des neuen Haupt- und Trikotsponsors, ein Onlinecasino und Sportwettenanbieter.

Kay Bernstein wird dafür in Erinnerung bleiben, dass er in äußerst schwierigen Zeiten den Mut hatte, neue Wege zu beschreiten und versuchte, die Interessen des Vereins und seiner Anhänger zu vermitteln. Kay Bernstein hat vielen Fans vereinsübergreifend Hoffnung gemacht - Hoffnung darauf, dass ein anderer, ehrlicherer Fußball möglich ist, dass gemeinsam vieles, was unveränderbar scheint, veränderbar ist. In den Herzen der Hertha-Fans und all jener, die ihn kannten und schätzten, wird Kay Bernstein weiterleben. Es ist von tragischer Ironie, dass Bernstein, der so viel für die Zukunft seines Vereins getan hat, nicht mehr da sein wird, um die Früchte dieser Arbeit zu ernten.

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