[erschienen 04/2007 in: kulturrisse - zeitschrift für kulturpolitik]
Dass es in Linz natürlich nicht beginnt, und dass Linz immer noch an der
Tramway liegt, ist irgendwie eh allen LinzerInnen klar. Schließlich
fühlt man sich ja wohl in der Provinz. Aber etwas passiert in und mit
dieser Stadt: der selbstauferlegte Weg von der Stahl- zur
Kultur(haupt)stadt ist mit massiven städteplanerischen Eingriffen und
sozialen Umbrüchen verbunden. Dass Umbrüche auch immer ihre
VerliererInnen produzieren, und dass der öffentliche Raum ein ebenso
leichtes wie frühes Opfer zu sein scheint, mag in der Natur von
Standortwettbewerben liegen.
Sichtbares und Fühlbares
Die
Stadt Linz verändert sich rasant. Beispiele? Solarcity, Bindermichl,
Bahnhofsviertel inkl. Skyline, Kulturmeile, Wienerstraße,
Frachtenbahnhof und so weiter. Stadtteile werden aus dem Boden
gestampft, abgerissen oder erneuert. Doch die Eingriffe in das
städtische Leben geschehen nicht nur auf einer Ebene der
architektonischen Stadtplanung, zwischen Gentrifizierung und
Kulturbautenhype. Zu den direkten Folgen kommen reaktionäre
Sperrstundenregelungen, Verdrängung von SandlerInnen, Vertreibung der
Bahnhofspunks, Plakatierverbote, ... Diese Maßnahmen treffen ganz
besonders marginalisierte Gruppen ohne Lobby.
In Linz mehren
sich die Stimmen, die diese Veränderungen dem hereinbrechenden
Europäischen Kulturhauptstadtjahr 2009 ankreiden, mitsamt der
nachträglichen Erfüllung von Hitlers Plänen für das Linzer Zentrum.
Natürlich eine unzulässige Vereinfachung! Das Kulturhauptstadtjahr ist
nicht Grund, sondern Resultat der Neupositionierung von Linz im
Städtewettbewerb. Dennoch: 2009 wirkt – ob es will oder nicht – auch als
Beschleuniger und Multiplikator für Bestrebungen der (regionalen wie
globalen) Wirtschaft, die mit Duck´schen Dollarzeichen in den Augen dem
Jahr 2009 entgegenfiebert und gerne bereit ist, Unsummen in die
vermeintliche Attraktivierung und Kommerzialisierung der Stadt zu
investieren. Hand in Hand mit der hiesigen Provinzpolitik werden
zusätzlich noch unzählige Hotels, Tiefgaragen und Gastrobetriebe
geschaffen, die im Jahr 2009 Massen aus aller Welt beglücken sollen.
Kultursubventionen für freie Gruppen stagnieren hingegen. Wer mehr Geld
braucht, wird auf 2009 vertröstet.
Verdrängung freier Kultur
Ein
Beispiel im konkreten? Im Jahr 2005 privatisierte die Stadt die
öffentlichen Litfaßsäulen im Zentrum. Anlass war der angebliche
Wildwucher von (freien) Plakaten und die Beschwerden kommerzieller
Veranstalter, die sich durch freie Initiativen in ihrem Geschäft bedroht
sahen. Das Linzer Zentrum bietet seitdem keine Plakatmöglichkeiten mehr
für freie Initiativen (für die Palakte und Flyer trotz Internet immer
noch primäre Mobilisierungsfaktoren darstellen), lediglich kapitalstarke
und kommerzielle Kulturveranstalter können ihr Kulturprogramm dort
veröffentlichen. Der öffentliche Raum im Linzer Zentrum wurde
teilprivatisiert, von freier Kultur bereinigt und durchaus im Rahmen
anderer städteplanerischer Aktivitäten präpariert für glatte
Massenkultur ohne Ecken und Kanten.
Säulenbesetzung
Die
KAPU, ein Sack Linzer Musik- und Kulturfuzzis inklusive mir, fühlte
sich nach dem Quasi-Plakatverbot im öffentlichen Raum als Opfer
städtischer Veränderung und Kommerzialisierung und aktionierte dagegen.
Am 19.10.2007 besetzten 10 AktivistInnen unangemeldet die privatisierte
und verglaste Litfaßsäule einer privaten Werbefirma am Linzer
Hauptplatz: rund um die bestehende Litfaßsäule wurde eine zweite,
hölzerne Säule hochgezogen. Anschließend wurde die neue Säule mit
Plakaten von Initiativen der freien Szene (STWST, Schl8hof, Treibsand,
MAIZ, A&P;, KAPU) beklebt, zusätzlich ein optisch auffälliger
Infotext zur unserer Aktion und deren Hintergründe affichiert. Die
Aktion wurde durchgeführt, um der Thematisierung des Problems der
zunehmenden Privatisierung des öffentlichen Raumes und der Verdrängung
von unerwünschten Gruppen aus demselben Nachdruck zu verleihen; unser
hehres Ziel war es, eine öffentliche Diskussion über die Nutzung und
Verwertung öffentlichen Raumes anzuzetteln – wobei wir nicht die
einzigen sind:
Szene, Widerstand, Resignation
Die
freie Kulturszene – in Linz ein überschaubarer Haufen von AktivistInnen,
Kunstunimenschen, Nerds und Vereinsmeiern – scheint ihrer aufgedrückten
wie selbsterwählten Funktion nach geeignet, städtebauliche Maßnahmen
und Kommerzialisierung öffentlich zu thematisieren, zu bearbeiten und zu
bekämpfen. Neben der KAPU arbeiten verschiedene freie Gruppen auf
unterschiedlichste Weise zum öffentlichen Raum: die Stadtwerkstatt
tourte mit „capture your city“ durch die Linzer Viertel, die Gruppe
Fruchtgenuss kartografierte sämtliche zentralen Leerstände, die Gruppe
A.Ort.A beschäftigt sich intensiv theoretisch mit der Wienerstraße und
publizierte in Szenemedien dazu, die Fabrikanten veranstalten kritische
Diskussionsveranstaltungen und so weiter. Alle teilen wohl das selbe
hehre Ziel wie die KAPU – Diskurs schaffen, breite Aufmerksamkeit für
das Thema „Stadt“ zu erwecken und letztendlich gegen die
Kommerzialisierung zu agitieren. Doch alle Gruppen scheinen eben an
diesem Ziel zu scheitern: Außerhalb der eigenen kulturlinken oder
akademischen Zusammenhänge interessiert sich keine Sau dafür. Linz wird
Standortwettbewerbssieger.
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