Klaus Ehringfeld

Korrespondent und Reporter für Lateinamerika, Mexiko-Stadt

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Kolumbien: Paramilitärs machen Jagd auf Linke

Der Friedensprozess in Kolumbien hat auch eine dunkle Seite: Seit der Unterzeichnung des Friedensvertrags steigt die Zahl der Attentate stark an.

Die Todesdrohung ziert ein Gewehr und das Siegel der Paramilitärs der AUC: „Wir informieren die Bewohner von Tolima, dass wir jetzt mehr denn je in diesem Gebiet sind, um es von Guerilleros und Kommunisten zu befreien." So beginnt ein Flugblatt, das in diesen Tagen in dem Department im Zentrum Kolumbiens zirkuliert und mit dem sogar ein Kopfgeld von fünf Millionen Peso (1600 Euro) ausgelobt wird für den Mord an explizit genannten Vertretern der Zivilgesellschaft und Führern von Ureinwohnerorganisationen. Die „Autodefensas Unidas de Colombia" (AUC), ehemals ultrarechte Todesschwadronen und im Kampf gegen die Farc aktiv, sind offiziell seit 2006 demobilisiert. Aber schon während der Friedensverhandlungen zwischen Regierung und Farc machten die Paramilitärs wieder von sich reden.

Pamphlete wie diese tauchen seit Monaten überall in Kolumbien auf, vor allem in den Regionen, in denen die Revolutionären Streitkräfte (Farc) stark vertreten waren. Mal sind es die AUC, mal eine Gruppe namens „Águilas Negras" (Schwarze Adler), die wie im Departement Cauca Vertreter der Zivilgesellschaft, Gewerkschafter und Menschenrechtsaktivisten zum Abschuss freigeben. Aber sie drohen nicht nur. Sie machen auch Ernst: „Vor allem nach Unterzeichnung des Friedensprozesses ist die Zahl der Anschläge und Attentate stark gestiegen", sagt Miguel Fernández, Vorsitzender der Menschenrechtskoordination im Departement Cauca. Er sieht wie seit Monaten Vertreter sozialer Bewegungen Opfer von Gewaltverbrechen werden. „Rund 25 Tote hatten wir im Cauca vergangenes Jahr zu beklagen, viele davon erst kurz vor dem Jahreswechsel", sagt Fernández. Die Gewalttaten sollten den Frieden treffen, die Befürworter des Abkommens einschüchtern und so von vornherein verhindern, dass sich die Linksrebellen wie im Abkommen vorgesehen in eine politische Partei umwandeln und ihre Ziele auf demokratischem Wege verfolgen.

Die Zivilgesellschaft als Ziel

Zählungen unterschiedlicher Menschenrechtsorganisationen zufolge sind 2016 in Kolumbien zwischen 90 und 116 Vertreter der Zivilgesellschaft oder linker Parteien ermordet worden. „Viele fürchteten genau, was wir jetzt sehen", sagt Ariel Ávila, Experte von der Stiftung „Frieden und Aussöhnung" in Bogotá. „Dass die Politiker auf lokaler Ebene die Gewalt als Mittel des politischen Wettbewerbs nutzen." Dabei wirkt es absurd, dass ausgerechnet das Jahr, in dem ein jahrzehntealter Bürgerkrieg beendet wird, eines der tödlichsten für Vertreter der Zivilgesellschaft seit langem ist.

Es ist kaum wahrscheinlich, dass Präsident Juan Manuel Santos am Freitag beim Besuch von Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier diese dunkle Seite des Friedensprozesses hervorhebt. Santos wird dem deutschen Minister während dessen zwölfstündigem Blitzbesuch nur die positiven Seiten des Abkommens präsentieren.

Dabei gibt es viele Gruppen, die aus den unterschiedlichsten Gründen keinen Frieden wollen: Die einen hassen die Farc aus tiefstem Herzen und können nicht akzeptieren, dass es für ihre Kämpfer milde Strafen und für ihre künftigen Politiker garantierte Sitze im Parlament geben soll. Auch Großgrundbesitzer und Agrarelite sind nahezu geschlossen gegen das Abkommen. „Sie sind überzeugt, dass mit den Friedensabkommen das Privateigentum in Gefahr ist", betont Ávila. Darüberhinaus fürchten die Landoligarchen den Friedensvertrag, weil er viele Vorhaben zur ländlichen Entwicklung und Stärkung der Kleinbauern vorsieht, die ihre Privilegien beschneiden.

Dabei haben eigentlich nur die Guerilleros der Farc wirklich Grund, Angst zu haben. Sie fürchten, dass sie nach Friedensschluss und Entwaffnung ein ähnliches Schicksal erleiden könnten wie Mitte der 80er Jahre. 1985 wurde die „Unión Patriótica" (UP) als politischer Ableger der Farc im Zuge der damaligen Friedensverhandlungen unter der Regierung von Belisario Betancur gegründet. In den Folgejahren brachten Todesschwadronen rund 4000 Führer und Anhänger der UP um. „Es bestand die Angst bei der politischen Elite, dass der Kommunismus auf demokratischem Wege an die Macht käme, und daher wurden Paramilitärs beauftragt, die politische Linke zu ermorden", erinnert Ávila an das dunkle Kapitel kolumbianischer Politik.


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