Über eine so berühmte Primadonna sollte längst alles gesagt sein, ließe sich annehmen. Wohl keine andere wurde mit so vielen Büchern geehrt wie Maria Callas (1923-1977), ihre Platten füllen ganze Regale und wurden mehrfach in stets besserer Qualität neu aufgelegt. Und doch gibt es auch 40 Jahre nach ihrem Tod noch etwas zu entdecken. Jedenfalls konnte sich der Filmemacher Tom Volf Zugang zu Archiven mit kostbaren Materialien verschaffen, die unveröffentlicht geblieben sind: Fernsehinterviews und -reportagen anlässlich von Tourneen und Auftritten, Negative, Fotos, sogar nie gesehene Videos mit Auszügen aus Konzerten: Allein dieser Fundus lohnt die dokumentarische Collage.
Einen vergleichbar anspruchsvollen, eleganten, erstklassigen Film auf dem Gebiet der klassischen Musik hat man überdies lange nicht gesehen. Das fängt damit an, dass in „Maria by Callas" niemand außer der Diva selbst zu Wort kommt, kein Kommentar eines Kritikers, keine Fachsimpelei schleicht sich ein in dieses intime Porträt. Zudem hütet sich Volf davor, die Musik zu verstümmeln, alle ausgewählten Arien aus Opern wie „Norma", „Carmen", „Cavalleria Rusticana" oder „Tosca" darf die Assoluta in ganzer Länge aussingen.
Und dann sind da noch diese wunderbaren Briefe, die Maria Callas an ihre Lehrerin Elvira de Hidalgo schrieb, aus denen Fanny Ardant (in der deutschen Synchronfassung Eva Mattes) mit sanfter Stimme vorträgt. Sie bringen einem die Sängerin in ihren ganz privaten Gedanken und Empfindungen näher als jede Biografie. Mit großer Zärtlichkeit spricht die Griechin da von der Liebe und offenbart sich in ihren Verletzbarkeiten.
So verdichtet sich der Eindruck, dass Presse und Intendanten, die ihr im Zuge von Skandalen schlecht nachredeten, ihre hohen künstlerischen Ansprüche mit Allüren verwechselten. Da ist beispielsweise die nicht zustande gekommene Vertragsverlängerung mit der New Yorker Met: Maria Callas mochte die altmodischen Inszenierungen nicht, sie wollte bessere Regisseure. Und dass sie einmal in Rom eine „Norma"-Vorstellung abbrach, geschah, um ihre Stimme angesichts einer Bronchitis nicht vollends zu ruinieren.
Weitere spannende Einsichten beschert ein TV-Interview mit David Frost, das sich wie ein roter Faden durch den Film zieht. Darin finden sich auch Äußerungen, die für ein irritierend altmodisches Frauenbild stehen, etwa, dass sie viel lieber Mutter als Sängerin geworden wäre. Und dass sie und der von ihr geliebte Milliardär Aristoteles Onassis bis zu dessen Tod gute Freunde blieben, obwohl er sie sehr enttäuschte, als er Jackie Kennedy heiratete.
Nur eines ist schade: Dass Volf den Film musikalisch überfrachtet, indem er ihn komplett untermalt. Die Musik wäre stärker zu ihrem Recht gekommen, wenn es bei den von Callas gesungenen Arien geblieben wäre. Aber das ist Kritik auf hohem Niveau.