Nach mehr als 40 Jahren soll das Transsexuellengesetz in diesem Jahr abgeschafft werden. Wie schwer war es in den 1980er-Jahren, trans zu sein? Ist es heute leichter? Janka Kluge und Eli Kappo über den Kampf um Selbstbestimmung. Ein Blick aus zwei Generationen.
Frau Kluge, wie war das damals, als Sie sich geoutet haben?
Janka Kluge: Meine Familie hat extrem ablehnend und feindlich reagiert. Das war Anfang der Siebzigerjahre und es war eine Zeit, in der das Thema Trans überhaupt noch nicht in den Medien war, überhaupt nicht präsent war. Dass es trans Menschen gibt, war keinem bewusst. Wenn überhaupt, dann haben die Leute an die Travestiekünstlerinnen „Mary and Gordy“ gedacht. Für mich war die Einführung des Transsexuellengesetzes (TSG) 1981 deswegen ein ganz wichtiger Schritt. Das hat mir buchstäblich das Leben gerettet.
Wie meinen Sie das?
Kluge: Ich habe in Berlin studiert und über eine Kontaktanzeige andere trans Frauen gefunden, die alle auf den Strich gegangen sind. Es gab für trans Menschen einfach keine legale Möglichkeit, so zu leben wie man ist. Ich habe damals in Berlin Häuser besetzt, demonstriert gegen AKWs und Nazis und konnte mir Prostitution für mich nicht vorstellen. Dann dachte ich, vielleicht bin ich ja doch schwul und traue mich nur nicht, mit Männern intim zu werden. In der Berliner Schwulenszene habe ich dann wunderbare Menschen kennengelernt, aber auch gemerkt, dass ich einfach nicht schwul bin.
Wie ging es dann weiter?
Kluge: Ich hatte das Gefühl, für mich gibt es keinen Ort auf der Welt. Es gibt einfach keinen Platz. Das war eine ganz schreckliche Zeit. Ein Suizid war der einzige Ausweg, den ich gesehen habe. Ich hatte es schon geplant und dann habe ich eine kleine Notiz über das TSG in der Zeitung gelesen. Diese kleine Notiz hat verhindert, dass ich mich 1980 umgebracht habe. Deswegen sage ich bis heute, dass das TSG mir das Leben gerettet hat.
Herr Kappo, Sie haben sich 30 Jahre später geoutet. Wie war das bei Ihnen?
Eli Kappo: Ich wusste relativ früh, dass es Transgeschlechtlichkeit gibt und dass das etwas mit mir zu tun hat. Als die trans Sängerin Dana International 1998 den Grand Prix gewann, wurde in meiner Familie sehr viel darüber diskutiert, wie gut sie als Frau durchgeht. Für mich war aber auch schon immer klar, dass es ein sehr schwieriger Weg ist. Einen sozialen Tod sterben und dann weiterleben als neue Person – das waren die Bilder, die ich im Kopf hatte. Ich bin viele Jahre sehr unglücklich gewesen, hatte einen großen Leidensdruck. Dann bin ich 2011 in die Sprechstunde einer Transgender-Ambulanz gegangen und habe gesagt: „Ich glaube, ich bin transsexuell.“ Das waren meine Worte. (lacht) Das TSG war für mich wie eine Anleitung, wie ich das bekommen kann, was ich haben will. Es gab damals nichts anderes.
Heute ist das TSG umstritten und in Teilen sogar verfassungswidrig. Frau Kluge, würden Sie es noch verteidigen?
Kluge: Ich finde es total richtig und wichtig, dass die ganzen Punkte aus dem TSG rausgeklagt worden sind. Wir hatten 1980 einfach eine andere Gesellschaft als in den 2000er-Jahren...Zum Original