Mit dem Soundtrack zum Techno-Film Berlin Calling „Sky & Sand“ ist Techno- und Houseproduzent Fritz Kalkbrenner 2009 bekannt geworden. Am Freitag hat er im ausverkauften Capitol gespielt – aber die Erwartungen nicht ganz erfüllt.
Es ist halb neun und der Laden ist voll: Dicht gedrängt stehen die Zuschauer im Capitol beieinander, einige bewegen sich zu den wabernden Beats von Voract DJ Hrrsn, alle warten auf Fritz Kalkbrenner. Dabei beginnt die Nacht für Freunde elektronischer Tanzmusik normalerweise erst nach Mitternacht. Aber der 36-Jährige mit dem Fünf-Tage-Bart hat sich längst einen Ruf über die Clubszene hinaus gemacht. 2009 wurde Kalkbrenner mit der Dance-Pop-Nummer „Sky & Sand", die er gemeinsam mit seinem berühmten Bruder Paul produzierte, international bekannt. Heute füllt er die Konzertsäle allein, gerade ist er mit seinem vierten Album „Grand Départ" auf Tour.
Endlich auf der Bühne scheint Kalkbrenner im schwarzen T-Shirt mit dem Mischpult zu verschmelzen. Er füllt das Capitol mit atmosphärischen Klangteppichen und souligen House-Beats. Der Bass diktiert wie ein überlautes Metronom einen Vierviertel-Takt. Die 1600 Zuschauer wippen versunken mit den Knien und dem Kopf und werden zu einer wogenden Masse. Die Atmosphäre ist ruhig. Zu ruhig für Kalkbrenner, der die Zuschauer mehrmals auffordert zu klatschen: „Auf zwei und vier. Und los!", ruft er. So richtig passt das nicht: Das Publikum klatscht brav, die Hände sinken aber schnell wieder auf Hüfthöhe. Die Sounds sind erdig und klingen mehr nach Lounge- als nach Tanzmusik.
Aber mit jedem Lied werden die Zuschauer euphorischer und jubeln. Die Wände vibrieren und die Bühnengitter knarzen im Takt - Kalkbrenners Musik kann man nicht nur hören, man kann sie auch spüren. Ein Lied fließt in das andere über, still ist es nie. Dazu brumm-singt er Zeilen wie „I'm Looking for Ways Over Water" („Back Home") oder wiederholt mantraartig Worte wie „Again" im gleichnamigen Song - synthetische Wippmusik mit Sehnsuchtspathos. Die kommerziell erfolgreichen Lieder wie „In this Game" erinnern mit dem tanzbaren Pop-House-Sound alle ein wenig an seinen ersten Hit „Sky & Sand". Dazu knutschen Teenager mit Cappies und schwarzumrandeten Augen neben kopfnickenden Hipstern. Mittelalte Frauen mit gegeelten Haaren und Männer im Karo-Hemd, die schon in der Techno-Hochzeit der Achtzigerjahre die Tanzflächen gefüllt haben dürften, tanzen selbstvergessen. Neben den radiotauglichen Songs, wartet Kalkbrenner nämlich auch mit gleichförmigen Techno-Stücken wie „Pass the Buck" auf.
Auf „Grand Départ" experimentiert der frühere Musikjournalist Kalkbrenner mit Blech- und Holzbläsertonspuren. Das klingt funky und soulig, man hört elegische Waldhornklänge, auch die Drums sind mal nicht ganz so grade. 2012 fand er die Saxophone-Spur für seinen Chart-Hit „Back Home" noch zu „cheesy", erzählt er, und schnitt sie raus - an diesem Abend spielt er sie und die Menge jubelt. Nach etwas mehr als zwei Stunden verlässt Kalkbrenner die Bühne wieder - das Publikum ist warm, könnte jetzt eigentlich auch weitergehen.
Von Kira von der Brelie