Kim Lucia Ruoff

Freie Journalistin, Stuttgart

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Kolumne

Zugang nur mit doppeltem X-Chromosom

Eigentlich halte ich nichts von pessimistischen Prognosen. Ich würde sagen, ich bin Optimist. Zumindest meistens. Ich bin zum Beispiel immer sehr optimistisch, wenn es darum geht, ob ich die nächste Bahn noch erreiche, auch wenn ich vorher noch eine Mail verschicken möchte, meinen Lidstrich ziehen und mein Frühstücksei medium aufsetzen und genießen will. Meistens verpasse ich die Bahn dann. Ändert aber nichts an meinem Optimismus. Ab und zu erwische ich mich aber doch dabei, mir ein Katastrophenszenario in allen Details auszumalen. 

Aktuelles Beispiel: Die AfD gewinnt die Landtagswahl in Baden-Württemberg und zieht danach in den Bundestag ein und Trump wird 45. amerikanischer Präsident. Da bleibt nichts übrig von meinem Optimismus. Ich ertappe mich dabei, wie ich in meinem Kopf eine Liste alternativer Wohnorte durchgehe. Alphabetisch. Da Amerika schon mal nicht in Frage kommt, überlege ich weiter. Asien wäre schön, aber für meinen Geschmack etwas zu hektisch. Und dieser Smog ist ja auch eher ein Minuspunkt. Algerien wäre schon etwas weniger dicht besiedelt. Wohnen möchte man da gerade aber auch nicht. Vielleicht doch Asien aber etwas spezifischer. Burma, Myanmar. 

Wie auch immer.  Aung San Suu Kyi hat mit ihrer Partei NLD eine historische Wende in dem kleinen asiatischen Land eingeleitet. Das erste demokratisch gewählte Parlament seit 50 Jahren. Aung San Suu Kyi ist eine Frau. Für Anhänger der europäischen Sprachfamilie nicht auf den ersten Blick erkennbar. Auch in den USA sollen Frauen verhindern, dass dort ein populistischer, frauenverachtender Nationalist ins Weiße Haus einzieht. 

Frauen als Anker, gegen den Sturm einer nationalistischen und protektiven Welle. 

Ein schönes Bild. Vielleicht sollte man aber auch umdenken und einfach das ganze Schiff von Frauen steuern lassen. Die vielen Jahre, in denen sie konsequent vom Wahlrecht ausgeschlossen waren, einfordern und Männer für die nächsten 50 Jahre von den Parlaments-und Präsidentschaftswahlen ausschließen. Sozusagen ein Soli für Frauen. Zugang zu den Wahlurnen nur mit doppeltem X-Chromosom. Das würde auch der Afd den Wind aus den Segeln nehmen. Nach der jüngsten Umfrage von Emnid würden 17 Prozent der befragten Männer die Afd wählen, wenn diesen Sonntag Bundestagswahl wäre. Der Anteil der Frauen liegt bei 2 Prozent. Stellt euch das einmal vor. 

Wie würde die Welt wohl aussehen, wenn nur Frauen entscheiden könnten, wer uns regiert? Radikale Parteien würden mit Anlauf gegen die 5%-Hürde klatschen und nach drei Versuchen ohne männliches Sprungbrett ihre eigene Auflösung bekanntgeben? Weil Frauen einfach empathischer sind, rücksichtsvoller, Dinge mehr ausdiskutieren, anstatt grölend durch die Straßen zu marschieren? 

Petry heil, wahrscheinlich nicht. Bloß auf ein Geschlechtschromosom lässt sich der Wahlunterschied zwischen Männern und Frauen wohl eher nicht zurückführen. Vielleicht hängt es aber mit etwas Anderem zusammen. Ehrenamtliche Flüchtlingshilfe wird überdurchschnittlich oft von Frauen ausgeübt. Und wer einmal dabei war, wenn eine Mutter Bilder ihrer in alle Himmelsrichtungen geflohenen Familie zeigt, dem fällt es montags wahrscheinlich schwerer in die undifferenzierten Stammtischparolen einzustimmen. Egal ob mit oder ohne X-Chromosom.