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„Ich muss zugeben, dass ich viel The Cure gehört habe, bevor wir die Platte aufgenommen haben"

Lüneburg. Es ist bereits mehr als drei Jahre her, da stand ein Musiker auf der Bühne in Lüneburg, den schon lange ein enges Band mit Rick McPhail verbindet, diesem „hanseatischen Amerikaner", wie ihn die Fachpresse einst taufte, hauptberuflich Gitarrist von Tocotronic und gerade mit seiner Zweitband Mint Mind auf mehrwöchiger Deutschlandtour.

An jenem Sommerabend sang Thees Uhlmann auf den Lüneburger Sülzwiesen, auch ein paar Songs seiner ehemaligen Band Tomte hatte der Musiker im Gepäck. „The Rick McPhail Song" war nicht darunter. Dieses Stück aus dem Jahr 2000 ist eine frühe Huldigung an den aus dem US-Bundestaat Maine stammenden Gitarristen Rick McPhail, ein erstes landesweit wahrgenommenes Lebenszeichen des Taussendsassas, lange, bevor dieser den Sound der durch ihn zu einem Quartett erweiterten Band Tocotronic entscheidend erweitern sollte.

Here comes the Fuzz

Es folgten Venus Vegas, Glacier, Hawel/McPhail und eben Mint Mind in McPhails Bandbiographie hierzulande. Auf dem aktuellem Album Letzterer „VG+" - eine Zustandsbeschreibung beim Vinylverkauf ("Very Good Plus") - frönen McPhail, Christian Klindworth und Friedel Viegener ihrer Vorliebe für us-amerikanischen 1980er Jahre Indie-Rock / Post-Punk a la Devo, Dinosaur Jr. oder The B52′s.

Es ist das dritte Album in zum dritten Mal veränderter Besetzung der seit 2014 existierenden Gruppe. „Unser letzter Schlagzeuger hatte immer Probleme frei von seinem Job im St. Pauli-Fanshop zu bekommen, was touren sehr schwierig gemacht hat. Zum Glück ist Christian Klindworth (Gitarre/Bass) schon bei der zweiten Platte dabei", so McPhail, dessen Wunsch es eigentlich sei, eine feste Bandbesetzung zu haben.

„Ich muss zugeben, dass ich viel von The Cure gehört habe, bevor wir die Platte aufgenommen haben."

Rick McPhail

Punkmusik ohne Punk

Der neuerliche Wechsel an den Drums habe aber weniger Einfluss auf den Sound gehabt, da er viele Schlagzeug-Parts beim Schreiben der Songs schon im Kopf gehabt habe. „Ich glaube die größte Veränderung war, dass ich mir bei der neuen Platte vorgenommen habe mehr Synthesizer zu verwenden. Das hat die Türen dafür geöffnet in manchen Liedern in eine andere Richtung zu gehen, als wir es sonst getan haben. Und ich muss zugeben, dass ich viel von The Cure gehört habe, bevor wir die Platte aufgenommen haben."

Der vermehrte Einsatz des elektronischen Instruments macht die Musik noch tanzbarer, ansonsten bleiben Mint Mind gewohnt rau, kantig, unvollkommen. Punkmusik ohne Punk, aber tief mit dessen Attitüte verbunden - wie die Bands des wegweisenden US-Indepentend-Labels SST Records, die zu den großen Einflüssen des Hamburger Trios zählen. Aber auch New Order oder Krautrockpioniere wie Can haben ihre Spuren auf „VG+" hinterlassen.

Mit Venus Vegas im Lüneburger Uniclub

Seit 1999 lebt Rick McPhail bereits in Hamburg, davor in Köln und Wuppertal. In der bergischen Stadt gründete McPhail 1997 auch seine erste Band, Venus Vegas, mit der er einst auch in Lüneburg auftrat. „Ich kann mich noch gut an ein sehr schönes Konzert mit meiner alten Band Venus Vegas im Uni Club, den Namen habe ich vergessen, erinnern. Danach gab es eine tolle Aftershow-Party mit vielen Gästen in dem Haus wo wir geschlafen haben und am nächsten Morgen einen Spaziergang durch die Altstadt."

Mit der Wahl der jetzigen Spielstätte, das Ladencafé Samowar Tea & Records, habe man nichts zu tun, verrät McPhail, das sei Sache der Bookingagentur gewesen. Ob nun beabsichtigt oder nicht, das Teefachgeschäft mit angeschlossenem Schallplattenverkauf passt zu dem Nerdtum, dass McPhail seit jeher ungewollt pflegt.

Tourdaten Mint Mind

02.02 Hamburg - Komet (Wird nachgeholt!)

03.02 Lüneburg - Samowar Tea & Records (mit Neopit Pilski)

04.02 Hannover - Nordstadtbraut

06.02 Zwickau - Projekt 46

07.02 Chemnitz - aaltra

08.02 Leipzig - Noch besser leben

10.02 Berlin - Schokoladen

Neues Album auf Tapete

Achtzehn Shows ab Mitte Januar wird die Band nach dem letzten Konzert am 10. Februar im Berliner Schokoladen gespielt haben. „Die letzte Tour hatte wegen Corona weniger Termine. Wir hatten das Glück den ersten Teil abschließen zu können, bevor der Lockdown kam, hatten aber vorgehabt mehr Termine zu spielen, die immer wieder verschoben werden mussten bevor wir endgültig aufgegeben haben und entschieden, bis zur nächsten Platte zu warten."

Die ist nun draußen, erschienen auf dem Hamburger Label Tapete Records, heute alleine betrieben von Gunther Buskies (Die Liga der gewöhnlichen Gentlemen), einst mitgegründet von Dirk Darmstädter der mit seiner Band Jeremy Days in den 1990er Indie-Erfolge feierte und zuletzt in Reinstorf solo auf der Bühne stand.

„Corona hat viel im Musikbereich gekillt"

Die Tour und letzte Platte sind nun drei Jahre her. „Ich hatte das Gefühl, dass wir mit der letzten Tour ein gutes Wachstum an Publikum hatten, das gestiegen wäre, hatten wir weitermachen können. Jetzt haben wir das Gefühl, dass wir wieder von vorne anfangen, weil der Tour drei Jahre her ist und Corona viel im Musikbereich gekillt hat. Kleine Clubs und Konzertgruppen haben aufgehört und die Menschen gehen weniger auf Konzerte von kleinen Bands", erzählt Rick McPhail.

LZ

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