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Reinfall am Rhein

Ein Jahr, nachdem bei der ersten Groß­demonstration der »Hooligans gegen ­Salafisten« (Hogesa) mehrere Tausend ­Nazi-Hools marodierend durch Köln ­laufen konnten, floppte das geplante ­Hogesa-Revival.


von Alice Blum, Kevin Culina und Jonas ­Fedders


»Gleicher Ort, gleiche Route, gleiche Uhrzeit, gleicher Anmelder« – so jedenfalls hatten die »Hooligans gegen Salafisten« (Hogesa) die Neuauflage ihres Aufmarsches am Sonntag geplant. Viele von ihnen erhofften sich offenbar eine Wiederholung der gewalttätigen Machtdemonstration des Vorjahres. Stattdessen harrte der Großteil der rund 1 000 Hooligans und Neonazis in einem von der Polizei weiträumig abgesperrten Bereich über mehrere Stunden aus. Einige verließen die Veranstaltung sichtlich enttäuscht bereits nach kurzer Zeit – für sie gab es an diesem Tag nichts zu holen.


Exakt ein Jahr zuvor waren mehr als 4 000 rechte Hooligans, Rassisten und Neonazis randalierend durch Köln gezogen (Jungle World 44/2014). Unter dem Motto »In den Farben getrennt – in der Sache vereint« hatte der Zusammenschluss gegen die »Islamisierung« zum Hauptbahnhof mobilisiert. Der Aufzug war bereits nach wenigen hundert Metern eskaliert. Die sichtlich überforderte und unterbesetzte Polizei löste die Veranstaltung schließlich auf. Es folgten Straßenschlachten mit den Einsatzkräften. Bis spät in den Abend liefen die Hooligans und ihre Kameraden ungestört durch die Innenstadt und griffen Pressevertreter sowie vermeintlich Linke an. Am Ende des Tages zählte die Polizei knapp 50 Verletzte.


Die öffentliche Bestürzung nach diesem Tag war groß. Mit einer solchen Gewaltbereitschaft habe man nicht gerechnet, sagte die Polizei. Auch die Zahl der Demonstrierenden und deren Zusammensetzung sei unterschätzt worden. Rückblickend erscheint diese Verwunderung wenig glaubhaft. So ist mittlerweile bekannt, dass der inzwischen verstorbene Mitgründer von Hogesa, Roland Sokol, als V-Mann für den Verfassungsschutz gearbeitet und die komplette Kommunikation zur Organisation der Veranstaltung in Köln an die Behörde weitergeleitet hatte. Trotzdem gelang der rechten Szene an diesem Tag eine erfolgreiche Machtdemonstration. Dieses »Wunder von Köln«, so der Titel eines Artikels auf dem ­islamfeindlichen Blog PI-News, wollte man nun offenbar am ersten Jahrestag der Krawalle wiederholen.


Dazu kam es aus verschiedenen Gründen nicht. Vorausgegangen waren dem Hogesa-Aufmarsch langwierige juristische Auseinandersetzungen. Die Polizei hatte Ende September die Versammlung mit Verweis auf die Ausschreitungen im Vorjahr komplett verboten. Einem dagegen gerichteten Eilantrag des Veranstalters gab das Kölner Verwaltungsgericht teilweise statt. Zwar blieb der Demonstrationszug wegen Sicherheitsbedenken untersagt, das Gericht hob aber das Verbot der Kundgebung auf. Die Polizei versuchte gegen diese Entscheidung vorzugehen, doch das Oberverwaltungsgericht bestätigte den Beschluss. Die Polizei verlegte daraufhin die Versammlung an den deutlich weniger attraktiven Barmer Platz im Messestadtteil Köln-Deutz. Der Versuch des Hogesa-Anmelders Dominik Roeseler (Pro NRW), diese Auflage juristisch zu kippen, blieb erfolglos.


Am Tag selbst sahen sich die Rechten einem großen Polizeiaufgebot gegenüber. Für die Kölner Polizei galt es, Bilder wie die des Vorjahres zu verhindern. Besondere Brisanz erhielt der Einsatz zudem durch das Attentat eines mutmaßlichen Neonazis auf die inzwischen zur Oberbürgermeisterin gewählte Henriette Reker gut eine Woche zuvor. Abgelegen zwischen Messegelände und Bahnschienen sperrte die Polizei einen großen Platz für die Kundgebung weiträumig mit Gittern ab. In zwei Zelten führten die Beamten vereinzelte Vorkontrollen durch – »nach Augenmaß«, wie ein Polizeisprecher sagte. So wurden allzu alkoholisierte oder bewaffnete Personen von der Teilnahme abgehalten. Während der Kundgebung waren die Demonstranten dann von mehreren Hundertschaften der Polizei und sechs Wasserwerfern umringt. Auf diese Weise sollte jede Hoffnung auf eine Wiederholung der Krawalle bereits im Keim erstickt werden.


Doch auch die antifaschistischen Gegendemonstranten waren in diesem Jahr deutlich besser aufgestellt. Nachdem man der Veranstaltung beim letzten Mal machtlos gegenüber stand, demonstrierten am Sonntag Tausende Menschen gegen Hogesa. An einigen Stellen kam es zu Auseinandersetzungen mit der Polizei, die Schlagstöcke, Pfefferspray und Wasserwerfer einsetzte. An verschiedenen Zugängen zum Kundgebungsort gab es Blockaden, auch am Bahnhof Köln-Deutz wurden über mehrere Stunden Bahnsteige besetzt, um die Anreise der Hooligans zu erschweren. Zeitweise kam deshalb der Zugverkehr zum Erliegen. Einige rechte Reisegruppen erreichten aus diesem Grund erst nach bis zu einer Stunde Wartezeit sichtlich aggressiv den Bahnhof. Hinzu kamen handfeste Auseinandersetzungen mit Antifaschisten auf dem Weg zum Versammlungsort, weswegen einige die Kundgebung gar nicht oder mit einer Platzwunde erreichten.


Der Beginn der Veranstaltung verzögerte sich auch, weil rund eine Stunde nach dem geplanten Beginn noch rund zehn Ordner fehlten, die, wie von Anmelder Roeseler zuvor durchgesagt wurde, »idealerweise weder alkoholisiert noch vorbestraft sind«. Bereits Tage zuvor meldeten sich einzelne Hooligans über Facebook auf den Aufruf, Personen mit Bundeswehr-, Security- oder Polizeierfahrung mögen sich bitte als Ordner zur Verfügung stellen. Eine kurz zuvor angemeldete Kundgebung des Kölner Pegida-Ablegers Kögida in der Innenstadt war nach ihrer polizeilich verfügten Verlegung auf den Kundgebungsort von Hogesa am Sonntagmorgen abgesagt worden. Offenbar hatten sich die Organisatoren erhofft, durch eine alternative Kundgebung an einem anderen Ort doch noch zu ihrem Marsch zu kommen.


Die Stimmung unter den Hooligans war entsprechend niedergeschlagen. Die bundesweit angereisten Rechten standen größtenteils gelangweilt herum. Denjenigen, die frühzeitig den Heimweg antraten, wurde von Seiten der Veranstaltungsleitung »Respektlosigkeit« vorgeworfen. Weder wirkten die Rechten kämpferisch noch hing große Aufbruchstimmung in der Luft. Der Höhepunkt für viele dürfte wohl der Auftritt der Rechtsrockband »Kategorie C« gewesen sein. Der poli­tische Ausdruck beschränkte sich im wesentlichen auf Parolen wie »Antifa – Hurensöhne« und »Wer Deutschland nicht liebt, soll Deutschland verlassen«. In verschiedenen Redebeiträgen wurden die Gegendemonstranten als »feige Bastarde« und »beschissene Zecken« bezeichnet. Nachdem man sich im Vorjahr als Zusammenschluss männlicher Kämpfer stilisierte, wurde nun die Gewalt der Gegenseite angeprangert. War das Thema Salafismus im vergangenen Jahr noch zentraler Ausgangspunkt vieler Reden, ging es dieses Mal nur am Rande um Einwanderung und eine vermeintliche Kritik am Islam. Mehrmals relativierten Redner die Ausschreitungen des Vorjahres. Der Polizeiwagen sei vermutlich von einem Mitarbeiter des Verfassungsschutzes umgeworfen worden, so Roeseler.


Denn nach den Ausschreitungen von Köln begann bei Hogesa die Zeit der Diskussionen – und die der Spaltungen. Das sogenannte »Bündnis Deutscher Hools« beteiligte sich an den rassistischen Aufmärschen gegen Geflüchtete in Berlin, »Gemeinsam-Stark Deutschland« hielt eine kleine Demonstration in Erfurt ab, die »Berserker Pforzheim« fielen bei den Demonstrationen des Pegida-Ablegers »Widerstand Karlsruhe« auf. Beflügelt vom Erfolg in Köln meldete ein Hogesa-Anhänger eine Demonstration in Hamburg an – sehr zum Unmut der dortigen Hogesa-Gruppe, die ihre Unterstützung aus Angst vor antifaschistischer Gegenwehr öffentlich zurückzog. Eine Kundgebung fand dann letztlich in Hannover statt. Umringt von einem großen Polizeiaufgebot standen sich rund 3 000 Hooligans die Beine in den Bauch. Auch die Gruppe »Widerstand Ost/West« versuchte mit einer angekündigten Großdemonstration in Frankfurt am Main im Juni 2015 ein Bündnis zwischen Rechtspopulisten und Nazi-Hooligans zu schmieden – ohne Erfolg. Die Versuche, die Kölner Randalierer verbindlicher zu organisieren oder eine große Bewegung auf die Straße zu bringen, misslangen allesamt.


Interessant ist in diesem Zusammenhang auch das Verhalten von Pro NRW. Nachdem der Parteifunktionär Roeseler bereits im Vorjahr die Hogesa-Demonstration offenbar ohne Absprache mit seinen Parteikollegen angemeldet hatte, hagelte es Kritik. Dass Pro NRW auf diese Weise mit den Krawallen in Verbindung gebracht wurde, wertete der Vorstand in einem Beschluss als »grob parteischädigend«. Zugleich sprach die Partei eine »scharfe Rüge« gegen Roeseler aus und stellte klar: »In einem vergleichbaren Wiederholungsfall würde laut gestrigem Vorstandsbeschluss ein unmittelbarer Parteiausschluss erfolgen.«

Ein Jahr später scheint sich niemand mehr daran zu erinnern. Pro NRW warb dieses Mal selbst offensiv für die Hogesa-Demonstration. Julia Schwarz von der »Antifaschistischen Koordination Köln und Umland« (AKKU) sagte, dieser Sinneswandel resultiere »aus der Angst, in der Bedeutungslosigkeit zu versinken und den entscheidenden Moment gerade zu verpassen«. Durch Spaltungen und den Austritt einiger um ein bürgerliches Auftreten bemühter Mitglieder sei die Partei auf neue Bündnisse angewiesen. Insbesondere Roeseler scheint keinerlei Berührungsängste mit handfesten Neonazis zu haben – er distanziere sich schließlich von niemandem, sagte er vorab in einer Videobotschaft an die eigenen Anhänger.

Entsprechend heterogen war dann auch die Schar der Teilnehmenden. Die Journalistin und Rechtsextremismus-Expertin Andrea Röpke, die sich am Sonntag am Rande der Kundgebung selbst ein Bild von der Veranstaltung machte, sagte der Jungle World: »Der Hogesa-Aufmarsch in Köln bot einen Querschnitt durch die rechten Mischszenen: Kameradschaftsszene, Hooligans, Türsteher- und Kampfsportszene und Oldschool-Nazis.« Neben der Beteiligung von NPD-Mitgliedern und Hooligan-Gruppen wie den »Berserkern Pforzheim« sowie Anhängern der rassistischen »Identitären Bewegung« gab es auch eine offizielle Grußbotschaft von »Autonomen Nationalisten« aus Frankreich und einen Redebeitag von der extrem rechten Aktivistin Melanie Dittmer.


Obwohl das Revival von Hogesa floppte, ist eine Fortsetzung des Projekts nicht ausgeschlossen. Als »kraftvolles und friedliches Lebenszeichen« bezeichnete Anmelder Roeseler die Veranstaltung im Nachhinein auf Facebook. Als er am Sonntag kurz vor der Auflösung der Kundgebung das Publikum fragte, ob es Lust auf eine zukünftige Kundgebung mit anschließendem Demons­trationszug habe und dies von den Teilnehmenden halbherzig bejaht wurde, sagte er: »Ich nehme den Auftrag an.«

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