Nachts streift er ohne Taschenlampe zwischen Löwen, Elefanten und Nashörnern umher und läuft bis Sonnenaufgang 20 Kilometer. Jurastudent Jörg Ott, 34, ist Nachtwächter im Kölner Zoo. Ein entspannter Job - mit Gruselmomenten. Manche Bewerber halten nur zwei Nächte durch.
Es ist überraschend laut, nachts im Zoo. Fast alle sind wach. Die Wildesel spielen, die Bisons scheuern sich an den Gitterstäben, die Elefanten tröten, der Tiger nimmt ein Nachtbad. Zwischen den dunklen Gehegen läuft Jörg Ott, 34. Er ist der Nachtwächter im Kölner Zoo. Eine Taschenlampe hat er nicht dabei: "Wenn ich mir auf den Weg leuchte, bin ich hinterher wie blind."
Ott ist eigentlich Jurastudent. Den Job hat er angenommen, weil er zwischen den Runden lernen kann und trotzdem Geld verdient. Mittlerweile mag er seine Aufgabe auch, ein wenig zumindest.
45 Minuten gehen. 4,3 Kilometer. Mehr als 6000 Schritte. Und das fünfmal die Nacht, zwischen 18 Uhr abends und 7 Uhr morgens. 16 Checkpunkte, einmal pro Stunde der Kontrollanruf - Jörgs Arbeit lässt sich gut in Zahlen fassen. Die einzige unkontrollierbare Variable ist die Dunkelheit.
"Die Rundgänge zur Dämmerung, da hat man gar keine Angst", sagt Ott. Dann sei der Zoo noch genau wie in den zwei Stunden zuvor. Bei Dunkelheit aber wirke jedes Geräusch erschreckend. "Wenn man etwas hört, dann kann man das nicht lokalisieren, wegen des Windes." In der ersten Zeit habe er sich schnell hinter Gittertore gerettet, wenn der Löwe brüllte.
Kapitulation nach zwei Nächten
Auch den Gehegen hat er anfangs nicht vertraut. "Das habe ich die ersten Nächte wirklich gemacht: Geguckt, wo können die Tiere ausbrechen, und wie komme ich weg", sagt er und lacht. Besonders beim Nashorn misstraute er der Glaswand. "Das sieht doch aus, als würde es Anlauf nehmen und rausrennen!"
Die riesigen Bisons könnten zwar nicht ausbrechen, sich aber sehr wohl mit den Vorderhufen auf das Gehegegitter stellen und dabei sehr bedrohlich aussehen. Erst nach vier Monaten habe er endlich ohne Angst seine Runden drehen können. "Viele hören schon nach zwei Nächten wieder auf", sagt er.
Einmal, bevor der Zoo die Außenwände höher gemauert hat, sind in Jörgs Schicht zwei vermummte Gestalten in Kapuzenpullis über die Mauer ins Wildesel-Gehege eingestiegen. "Du kannst das überhaupt nicht einschätzen: Sind das Jugendliche? Wie alt sind die?" Er rief leise die Polizei an und brüllte dann umso lauter: "Kann ich irgendwas für euch tun?" Da hätten sich die Eindringlinge dann gleich sehr erschrocken. "Die sind zurückgerannt, dann zack, über die Mauer, und weg waren sie." Es sollte wohl eine Mutprobe sein.
Nicht einschlafen ist die eigentliche Arbeit
Meistens ist der einzige Fremde, den Ott auf seinen Runden trifft, ein tierischer Besucher. Ein Fuchs aus der Nachbarschaft macht regelmäßig Spaziergänge durch das Gelände. Beim ersten Mal dachte der Nachtwächter, ein Zootier wäre ausgebrochen. "Ich hab wie verrückt herumtelefoniert, bis mir einer endlich vom Fuchs erzählt hat", sagt er und schüttelt den Kopf. Erst einmal musste er wirklich Hilfe organisieren: Ein Kranich war ausgebüchst.
Meist ist der Nachtwächterjob recht entspannt. "Die eigentliche Arbeit ist, nicht einzuschlafen", sagt Ott und lehnt sich gegen ein Geländer beim Elefantengehege. Hier sitzt er gern, vor allem im Sommer, zwischen seinen Runden. Bei den Elefanten ist immer etwas los, sagt er. Da kann man in Ruhe beobachten, abschalten, lernen. Doch auch im Elefantengehege kann es nachts zu Krawall kommen, das hat kürzlich der Todesfall von Elefantenkuh Chumpol gezeigt: Sie starb nach nächtlichen Kämpfen mit anderen Tieren ihrer Herde.
In dieser Nacht ist alles friedlich, jeder ist da, wo er hingehört, nur eine Ente ist auf Besuch im Pinguin-Becken. Die nächste Runde steht Jörg um Mitternacht bevor. Bis dahin dürften die meisten Zoobewohner schlafen gegangen sein. Nur Wildesel halten nicht viel von der Nachtruhe, die Herde läuft nachts ihre Runden. Genau wie Jörg Ott.
Katrin Kampling, dpa/vet