Kathrin Fink

Content Creatorin, Redaktorin & Social Media Managerin, Zürich

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Gewissensfrage Adoption

Viele Menschen wünschen sich Kinder, auch jene, die keine bekommen können. So etwa ein Genfer Ehepaar, das bereit ist, viel Mühe und Gewissensbisse auf sich zu nehmen, um einen kleinen Äthiopier in die Arme zu schliessen. Doch das moralische Dilemma bleibt.

"Ich kam mir vor wie ein Kinderdieb. Ich habe mich geschämt, mich schuldig gefühlt." Das sagt ein frischgebackener Vaters, ein Adoptiv-Vater.

Anouk Affolter und Jérôme Ibanez sind ein Paar aus Genf, das sich sehnlichst ein Kind wünscht. Schon seit 3 Jahren warten sie auf eine Nachricht aus Äthiopien - einem der wenigen Länder weltweit, das noch internationale Adoptionen zulässt. Und dann geht plötzlich alles schnell. Nur zehn Tage haben sie Zeit, sich auf die Ankunft ihres Kindes vorzubereiten.

Von einem Polizisten gefunden

Ihr zukünftiger Sohn heisst Fide Wake und ist bereits drei Jahre alt. Seinen Namen hat er von einem Polizisten, der ihn auf der Strasse gefunden hat. Vergeblich versuchten die Verantwortlichen des Kinderheimes, in das der Junge gebracht wurde, seine Eltern oder Verwandte zu finden.

Rund 60'000 Kindern geht es in Äthiopien ähnlich wie Fide Wake. Die meisten, die ins Heim des Schweizer Vereins Pro Ethiopia in der Hauptstadt Addis Ebeba gebracht werden, bleiben nur drei Monate da, bevor sie adoptiert werden. Doch der kleine Fide Wake verbrachte ganze 18 Monate in seinem Zuhause auf Zeit. Das macht es für ihn besonders schwierig, die Betreuerinnen und anderen Kinder zu verlassen und mit zwei fremden Weissen in die Schweiz zu reisen.

"Etwas Egoistisches tun"

Die baldigen Eltern sind sich der bevorstehenden Probleme bewusst und geben sich alle Mühe das erste Zusammentreffen mit ihrem neuen Sohn so schön wie möglich zu gestalten. Doch egal was bei diesem Treffen passiert, erst die Zeit danach, wird zeigen, wie gut oder schlecht sich Fide Wake in seine neue Umgebung integriert.

Alle Kinder in diesem Heim sind bereits Schweizer Eltern zugesprochen. Eines der Paare, das zusammen mit Anouk und Jérôme Ibanez nach Äthiopien reist, um ihr Baby abzuholen, kennt die Schuldgefühle, die eine Adoption mit sich bringt nur allzu gut: "Wir wollen eine Familie aufbauen, aber manchmal haben wir das Gefühl, kämpfen zu müssen und etwas Egoistisches zu tun."

Das moralische Dilemma bleibt: Darf ein kinderlose Paar aus der Schweiz einen Jungen aus Afrika aus seiner Kultur und seiner Heimat reissen, um sich so den lang ersehnten Kinderwunsch zu erfüllen? Eine von Fide Wake äthiopischen Betreuerinnen bringt es so zum Ausdruck: "Es ist sehr schwierig für uns, dass er geht. Er war lange hier, war wie unser eigenes Kind. Aber wenn man an seine Zukunft denkt, ist es so besser für ihn."

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