1 Abo und 0 Abonnenten
Artikel

Im Porträt: Egbert Figgemeier

Zu Schulzeiten hatte sich Egbert Figgemeier noch gegen den Chemie-Leistungskurs entschieden. Heute ist die Elektrochemie sein Fachgebiet. Als Forschungsgruppenleiter am Forschungszentrum Jülich und Professor für Alterungsprozesse und Lebensdauerprognose von Batterien an der RWTH Aachen beschäftigt sich der 49-Jährige tagtäglich mit der Untersuchung und Entwicklung von aktuellen und künftigen Batteriesystemen. 


Lithium-Ionen-Batterien befinden sich in zahlreichen Gegenständen, die aus dem Alltag nicht mehr wegzudenken sind, darunter Mobiltelefone und Laptops. Auch in der Elektromobilität spielen sie eine wichtige Rolle. Ihre voraussichtliche Haltbarkeit einschätzen zu können, ist für Hersteller ungemein wichtig – jedoch gar nicht so einfach. „Das liegt daran, dass wir von sehr langen Lebensdauern reden“, sagt Figgemeier. Bei Batterien in E-Autos liegen diese inzwischen bei über zehn Jahren. Zu lange, um genaue Vorhersagen beim Einbau von neuen Systemen zu treffen. 


Ein wesentlicher Teil der Arbeit des Batterieforschers ist es daher, kommerzielle Batterien auf ihr Verhalten hin zu untersuchen und möglichst präzise Aussagen über ihre Alterung zu treffen. „Das ist die eine Stoßrichtung. Die andere ist es, die Erfahrungen, die man dabei sammelt, auf neue Entwicklungen zu übertragen“, so Figgemeier. Das Ziel: Batteriezellen mit höheren Kapazitäten und längeren Lebensdauern bei gleichzeitig geringeren Kosten und Umweltbelastungen zu entwickeln.


Elektrochemie – alles schon erforscht? 


Figgemeiers akademische Karriere beginnt 1990 an der Universität Paderborn, an der er sich nach dem Abitur zum Chemie-Studium einschreibt. „Ich wollte etwas Naturwissenschaftliches studieren“, sagt er heute. 1998 promoviert er im Bereich der physikalischen Chemie. Während seiner darauffolgenden Post-Doc-Zeit und Auslandsaufenthalten, unter anderem in Dublin und Basel, sei es immer wieder vorgekommen, dass er für sein Forschungsthema belächelt wurde. 


„Die elektrochemischen Grundlagen waren in Deutschland lange Zeit eher als langweilig verpönt“, erinnert er sich. Doch seit etwa zehn Jahren liege das Thema wieder voll im Trend. Bevor Figgemeier im Mai 2016 die Professur an der RWTH Aachen annimmt, wechselt er eine Zeit lang in die Industrie, arbeitet als Chemiker bei Bayer und dem Technologiekonzern 3M. In dieser Zeit wächst sein Interesse an der Batterieentwicklung. 


Im Rahmen der Professur forscht Figgemeier nun an der nächsten Generation Batteriezellen. Dabei hält der Wissenschaftler nicht viel von plakativen Erfolgsmeldungen. „In der Forschung hat man selten Durchbrüche, der klassische Aha-Moment ist ein Klischee“, sagt er. Häufig gehe es darum, kritische Materialien wie Kobalt so weit wie möglich zu ersetzen, zum Beispiel durch Aluminium oder Nickel. Oder aber mit neuen Materialkombinationen noch stabilere Systeme aufzubauen. So könnte zum Beispiel ein höherer Silizium-Anteil die Kapazitäten der Batteriezellen erhöhen. „Das zum Funktionieren zu bringen, sodass es auch kommerziell einsetzbar wäre, ist eins unserer Ziele“, so Figgemeier. 


Bewusste Entscheidung für ein Fahrrad ohne Batterie 


In einer Sache ist sich der Wissenschaftler sicher: Für eine umfangreiche Verkehrswende seien Batteriezellen „absolut zentral“, unabhängig davon, ob die Brennstoffzelle komme oder nicht. „Ich persönlich bin auch der Meinung, dass es ganz viele Jahre nur Batteriefahrzeuge geben wird und Brennstoffzellenfahrzeuge im privaten Pkw-Bereich nur in homöopathischen Dosen“. Klar sei jedenfalls: „Ohne Batterien wird nicht viel laufen“. Kritik äußert der Batterieforscher vor allem an der Automobilindustrie. Zu lange habe diese gemäß eigener Interessen argumentiert und versucht etablierte Geschäftsmodelle zu beschützen. 


Dabei gebe es für einen massenhaften Einsatz von Elektromobilität im Individualverkehr eigentlich keine Hürden, so Figgemeier. Zumindest keine, die Fragen der Haltbarkeit und Reichweite der Batterien beträfen. Zwar seien die Herstellungskosten gegenwärtig noch sehr hoch, könnten aber durch Massenproduktion gesenkt werden. „Da sehen wir auch nach wie vor Fortschritte“, sagt der Professor. 


Auch der Energieverbrauch ließe sich seiner Einschätzung nach, ähnlich wie es im Bereich Photovoltaik geschehen sei, über Skalierungseffekte senken. Er sagt aber auch: „Wir lösen nicht alle Umweltprobleme mit Batterien.“ Und: „Wenn man die Welt retten will, ist das Fahrrad ohne Batterie die bessere Lösung.“ Figgemeier selbst fährt in seiner Freizeit leidenschaftlich Fahrrad. Am liebsten weite Strecken – und ohne Elektroantrieb. 

Kathrin Becker 


Vier Fragen an Egbert Figgemeier: 


1. Welches Auto kaufen Sie als nächstes? 

Mit Sicherheit wieder ein batterie-elektrisches Fahrzeug 

2. Wie halten Sie es mit dem Fliegen? 

Nur dienstlich und immer weniger. 

3. Wer gibt in der Mobilitätsbranche das Tempo vor?

Ganz klar Tesla mit einer unfassbaren Dynamik und Risikobereitschaft.

4. Wo würden Sie gerne das Rad neu erfinden? 

Autos mit Batterien, die ewig leben.

Zum Original