Katharina Wasmeier

Freie Journalistin, Autorin, Lektorin, Nürnberg

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Gentlemans Reggae im Nürnberger Löwensaal

 Gentleman brachte vor gut 15 Jahren den Reggae nach Deutschland - und am Montag im Rahmen der "New Day Dawn"-Tour zurück nach Nürnberg.


Das Team des Löwensaals sorgte für das richtige Setting und heizte den Veranstaltungsort auf karibische Temperaturen. Den Rest besorgten der Künstler und seine Band The Evolution. Mit jamaikanischer Lässigkeit und großer Begeisterung. Dass Gentleman, der eigentlich Tilmann Otto heißt, den Roots Reggae im Blut hat, stimmt jetzt nicht im wörtlichen Sinne: Schließlich wuchs der gebürtige Osnabrücker recht deutsch in Köln auf. Im übertragenen Sinne hat das dann wohl doch wieder seine Richtigkeit: Mit 18 reiste der Künstler erstmalig in das Land, das ihm bald zur Wahlheimat und musikalischen Inspiration werden sollte. Den vorläufigen Höhepunkt seiner Karriere erreichte Gentleman, der weiße Deutsche, 2004 mit zwei internationalen Nominierungen als „Best New Reggae Artist" - das selbe Jahr, in dem das dritte Album „Confidence" erschien und auf Anhieb Platz eins der deutschen Charts erreichte. Seitdem ist viel passiert, sind weitere Alben erschienen, und der Reggae-Hype in Deutschland wird von manchen als merklich abgeflaut beschrieben. Aber sollen die nur reden - Gentleman ist groß, und das nicht nur, wenn er als Headliner des Chiemsee Reggae Festivals die Bühne besteigt, sondern auch im dann doch eher kleineren Löwensaal. Oder grade da. 

Die Fans danken's ihm. Und was noch viel bemerkenswerter ist: Gentleman dankt's den Fans. Betritt mit einer schier unbändigen Spielfreude das Parkett, steigt voll ein und startet durch. Bald 40 Jahre hat der Mann auf dem Buckel, der mit einer Energie agiert, von der manch jüngerer Kollege sich einen schönen Kanten abschneiden sollte. Die musikalische Begleitung kommt von der achtköpfigen Band, die nicht minder motiviert ist, das Publikum in kürzester Zeit zur Ekstase zu treiben. Reggae und Ekstase, wie geht das? Nun, zum einen bietet die ellenlange Setlist eine geschmeidige Mischung zwischen dem eher gemütlichen Roots Reggae und kraftvollem Dancehall. Zum anderen macht der Künstler Show, und das nicht nur für das Publikum, sondern mit ihm. Der gute Mann spricht mit seinen Fans und erkundigt sich nach Liedwünschen. Hat außerdem, und das ist jetzt Band-biografisch durchaus bemerkenswert, den alten Kumpel Daddy Rings dabei („My brother from another mother"), mit dem er sich die Bühne und nicht zuletzt die Lorbeeren über weite Strecken teilt. Nach gut zwei Stunden haben Gentlemans positive Schwingungen auch die letzte Pore durchdrungen. Trotz oder vielleicht gerade auch wegen der Kreol-Sprache Patois, in der die Show größtenteils gehalten ist und die dazu beiträgt, dass man durchaus mal vergisst, dass draußen gar kein Meer rauscht, sondern der fränkische Herbstwald.


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