Katharina Wasmeier

Freie Journalistin, Autorin, Lektorin, Nürnberg

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Julian Vogel macht Graffiti für den Frieden

Graffiti, so das Vorurteil, das hat irgendwas zu tun mit Sachbeschädigung, mit Gestalten unter Kapuzen, die nachts Züge und Häuser besprühen, die U-Bahn-Sitze beschmieren und Scheiben zerkratzen. Graffiti ist aber längst noch etwas ganz anderes: Eine Kunstform, die vielfältig, progressiv, bunt und poetisch sein kann. Das beweist auch der Nürnberger Julian Vogel.


Julian Vogel ist 32 und, wie er sich selbst nennt, „Malerei betreibender Graffiti-Künstler". Unlängst erhielt er den Ritterschlag: Wenn am 4. Mai zur Blauen Nacht die Burg in neuen Farben erstrahlt, dann wird er die darauf zu sehenden Formen zu verantworten haben. Der Weg dorthin war lang. Julian Vogel absolvierte eine Schreinerausbildung, weil „ich immer schon gern handwerklich gearbeitet habe". Zu dieser Zeit war er schon längst mit dem in Berührung gekommen, was heute seinen Lebensinhalt darstellt. Inspiriert von den „Wuselbildern" eines älteren Freundes, begann Vogel Anfang der 90er Jahre, Comics zu malen und schnell sogenannte „Tags", die er in der Schoppershofer Nachbarschaft fand, zu analysieren und nachzuzeichnen.

Ein „Tag" bezeichnet das Signaturkürzel, das unter großflächigen Bildern genau so zu finden ist wie in der Urform des Graffitis, des „Scratchings". Im Alter von 13 Jahren fiel ihm das Werk des Münchner Graffiti-Pioniers Loomit in die Hände. Aufgrund dessen „abgespacter Bilder und 3D-Buchstaben" hat sich Vogel Sprühdosen und Leinwände besorgt und erste Gehversuche im elterlichen Garten unternommen, was „super schwer war, so allein für mich". Erst mit 18 lernt er andere Sprayer kennen - ganz klassisch über's Skaten. Später studierte Vogel Kommunikationsdesign an der Ohm-Hochschule. Eine seiner zahlreichen Reisen führte ihn 2007 in den kurdischen Teil des Iraks. Er ist erschüttert von den Zuständen. „Ich habe mir überlegt, was das Land brauchen könnte, wie man mit Hilfe von Kunst ein Zeichen für eine friedliche Welt setzen könnte", erzählt er, und dass er kurzum die Wand eines alten Hussein-Palastes bemalt hat. Das Interesse der Bevölkerung war groß, ebenso das mediale Echo, so dass Julian Vogel sich entschloss, das „World Peace Walls"-Projekt zu konzipieren, das er praktischerweise direkt zu seiner Diplomarbeit machen konnte. Mittlerweile stehen rund um den Globus verteilt zehn solcher bunten Wände. Das stets wiederkehrende Motiv der Friedenstaube ist verbunden mit traditionellen Elementen der jeweiligen Kultur - und teils mit sozialen Projekten direkt vor Ort. In einem Jugendzentrum in Jamaika etwa bemalten Kinder mit ihm eine Wand.

Stets sind die Orte mit Bedacht gewählt. In Frankreich leuchtet eine Wand am Schauplatz der Unruhen von 2005, in Uganda das Rathaus, in dem die Friedensverträge zwischen Rebellen und Regierung ausgehandelt wurden. „Reisen und kulturelle Konzepte integrieren", sagt Julian Vogel, das mache er am liebsten. So gern, dass die nach dem Studium gegründete Agentur bald wieder geschlossen wird, um sich voll auf die Kunst konzentrieren zu können. Die verschönert nicht nur die Welt, sondern auch die Heimat. Jüngst und, nach fünfmonatiger Arbeit, endlich abgeschlossen ist die Gestaltung eines 70 Meter langen Tunnels im neuerrichteten Theo-Schöller-Bau des Nordklinikums. Obligatorisch: Das Tragen einer Atemschutzmaske. „Ich möchte gar nicht wissen, wie sich diese Arbeit auf meine Lebenszeit auswirkt", lacht er und erzählt, dass er aber ein bisschen weg will von den Lackdosen, sich ausprobieren, nicht festlegen. So finden sich unter seinen Werken durchaus andere Medien: ganz herkömmlich Farbe und Pinsel, aber auch sogenannte „Tape-Art", digitale Kunst oder Illustrationen von Büchern für Kinder. Die, verrät der Vater eines elfjährigen Sohnes, lägen ihm ohnehin besonders am Herzen: „Es ist mir wichtig, Wissen weiterzugeben und den Kids in der coolen Form von Kunst zu einer Perspektive oder einfach nur einem Ventil verhelfen zu können." So gibt er Workshops in Schulen, Jugendhäusern und Förderzentren. Die können einen Nachmittag dauern oder gleich mehrere Wochen. Da wird er jedoch ein bisschen zurückstecken müssen in der nächsten Zeit. In der Blauen Nacht gilt es, zu einem spezifischen Thema viele kleine Geschichten zu erzählen. Und die wollen erstmal erarbeitet werden. „Danach", sagt Julian Vogel, „mache ich erstmal Urlaub". Danach, heißt das wohl, gibt es irgendwo auf der Welt wieder eine neue bunte Wand. http://ju-li-an.com/

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