Katharina Wasmeier

Freie Journalistin, Autorin, Lektorin, Nürnberg

1 Abo und 4 Abonnenten
Feature

Stille Örtchen - eine etwas andere Führung

Der Informationsgehalt, den die öffentlichen Toiletten des U-Bahn-Verteilers am Plärrer bereithalten, beschränkt sich zwar weitgehend auf einen olfaktorischen, aber das gehört eben dazu, wenn man sich mit dem Thema „Wasser“ beschäftigen möchte. Und genau das hat der gemeinnützige Verein „Gehniessen e.V.“ zuletzt gemacht. „Wir haben uns in fünf Stationen vom Trink- über veredeltes bis hin zum Abwasser gearbeitet“, erklärt Michael Popp, Vereinsvorsitzender und engagierter Führungsleiter mit großer Geduldsspanne. 


Seit sieben Jahren gibt es den Verein „ohne Vereinsmeierei“, dessen Aktivitäts-Palette halbtägige, leichte Sonntagswanderungen und gesellige, kulturelle Unternehmen umfasst. Von der Krimi-Lesung über einen Ausflug zu Lillachtal-Quelle und Bergwald-Theater bis zum „ViViMiSch“, dem „ViertenVierteljahresMittwochSchnabulieren“ ist für alle was dabei, die sich als „positiv denkende, aufgeweckte und aktive Zeitgenossen mit einem gerüttelt Maß Lebenserfahrung“ verstehen. Von denen haben sich am vergangenen Dienstag sieben eingefunden und lauschen (noch) aufmerksam den etymologischen Ausführungen. „Toilette, Closet, Lokus – all diese Begriffe zeigen, wie ungern man sich mit dem Thema auseinandersetzt, für das ‚Scheißhaus‘ der einzig treffende Begriff ist“, erklärt Popp, und dass 40% der Weltbevölkerung keinen Zugang zu WCs haben. Der Aufforderung, sich den Plärrer-Abort doch mal anzuschauen, folgt Empörung, man wisse jetzt aber doch eher schon, wie sowas aussieht. Wie sowas, riecht weiß man, wenn man Glück hat, nicht. Da ging’s den Menschen im Mittelalter anders, aber dazu später mehr. Schnell raus aus dem Stinkeloch, wobei „schnell“ bedeutet, dass halt jeder so geht, wie er dank Stock noch kann. 

„Öffentliche WCs sind im Unterhalt sehr teuer“, referiert Popp am Eingang zur Spittlertormauer, in dessen Richtung das entsprechende Hinweisschild zeigt anstatt hinab zur U-Bahn, „deswegen propagiert die Stadt das nicht so.“ Dafür, ergänzen die Senioren, gäbe es ja Kaufhäuser, im Wöhrl wäre das alles sehr vorbildlich. Ebenso vorbildlich: die alten Römer, die die ersten Anlagen mit fließendem Wasser gebaut und darauf wortwörtlich „ihr Geschäft verrichtet“ haben. An der Mauer entlang schlendert das Grüppchen weiter, während Popp an einer Hunde-Markierung erläutert, wie es hier im Mittelalter überall ausgesehen habe, nachdem die Antike mitsamt ihrer Errungenschaften darniedergegangen war. „Mantelmänner“ oder „Abtrittfrauen“ waren da Luxus: An deren geschultertem Joch hingen zwei Eimer, wer mal musste, schlüpfte unter den Mantel. Der Rest lag „hygienisch schwierig“ auf der Straße herum und stank erbärmlich, was die Zeitgenossen nicht davon abgehalten habe, John Harington 1590 für genau die Erfindung schallend auszulachen, die Alexander Cumming 200 Jahre später als Patent anmeldete: Ein Klo mit Siffon gegen Geruch – das erste dieser Art wurde, hört hört!, von einer gewissen Queen Victoria in Coburg installiert!

Angereichert von Schwänken aus der Jugend der Senioren und des NN-Fotografen führt der Vortrag vom im Garten befindlichen Klohäusel übers Reinigen mit der linken Hand zum dafür verwendeten Material: Während im 14. Jhdt. der Kaiser von China bereits über 720000 Blatt Papier pro Jahr hierfür verfügte, nahm der gemeine Mitteleuropäer Stroh, Wolle, Maiskolben und lebendes Getier (letzteres immerhin mit Selbstreinigugnseffekt), bis dann ein gewisser Hans Klemm 1928 den entscheidenden Durchbruch im Segment Sanitärartikel bewerkstelligte und bis heute Standards setzte: das gute „Hakle“ findet sich bis heute in den Haushalten dieser Welt. Da reicht’s den Senioren jedoch längst, und dass man dann von der Mohrengasse übers Kreuzgassenviertel bis zur Hallerwiese zu zuppeln einwilligt, hat weniger mit dem dort zum In-Platz umgebauten Klo zu tun als vielmehr mit dem Lockruf von Sitzgelegenheit und Käffchen. 


www.gehniessen.de