Katharina Strobel

Freie Journalistin • Brüssel • Edinburgh

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Brüssels Kampfansage gegen Korruption

Erster Anti-Korruptionsbericht der EU-Kommission veröffentlicht

Von Katharina Strobel, Brüssel

Europas Korruption lässt sich beziffern: 120 Milliarden Euro kosten unlautere Praktiken die europäische Wirtschaft jedes Jahr, in etwa so viel, wie das gesamte EU-Budget für ein Jahr. Das ist das Ergebnis des ersten Anti-Korruptionsberichts der EU-Kommission, der gestern in Brüssel vorgestellt wurde.

So viel vorweg: „Korruption gibt es in jedem Mitgliedsland der EU“, erklärt Cecilia Malmström (Schweden), die für den Bericht zuständige EU-Kommissarin für Inneres. Überraschen dürfte das ernüchternde Ergebnis niemanden, denn laut Eurobarometer-Umfrage sind rund 79 Prozent der Europäer davon überzeugt, dass Korruption in Europa verbreitet sei und Probleme bereite.

In Deutschland sind die Meinungen weniger pessimistisch als im EU-Durchschnitt. Aber immerhin glauben auch hier 59 Prozent, Korruption sei gängige Praxis. Die EU-Kommission will das ändern. „Wir wissen, dass wir mit diesem Bericht keine Korruption bekämpfen“, sagt Malmström, „aber hier machen wir einen Anfang.“

Alle zwei Jahre soll es den Anti-Korruptionsbericht künftig geben. Auf diese Weise verspricht die EU-Behörde sich einen besseren Überblick über die Fortschritte in den einzelnen Ländern. „Viele Länder haben bereits Gesetze und Präventionsmaßnahmen – aber die führen nicht immer zum Ziel“, so die Schwedin Malmström. Warum das so sei, wisse sie nicht. Aber ändern wolle sie es.

Wichtig ist der obersten EU-Behörde, die Aufmerksamkeit auf die Missstände zu richten. Ob es Schmiergelder für Aufträge sind oder für eine schnellere und bessere Behandlung beim Arzt – jede Form von Korruption müsse geahndet werden. „Die Steuerzahler werden hintergangen und bekommen vielleicht nicht die Leistungen, die sie verdienen“, sagt Malmström.

Ein EU-weites Ranking liefert die Kommission nicht. Für jedes Mitgliedsland hat sie einen Bericht erstellt, der auch Empfehlungen beinhaltet. Zu Deutschland stellt sie fest: „Im Hinblick auf die Korruptionsbekämpfung gehört Deutschland zu den erfolgreichsten Ländern der EU.“ Allerdings empfiehlt sie, Bestechlichkeit und Bestechung von gewählten Amtsträgern härter zu bestrafen. Auch die Karenzzeiten nach dem Ausscheiden aus bedeutenden Ämtern müssten besser geregelt werden.

Britta Haßelmann, Erste Parlamentarische Geschäftsführerin bei Bündnis 90/Die Grünen im Bundestag, findet deutlichere Worte: " Wir brauchen endlich eine gesetzliche Regelung zur Karenzzeit. Der schwarz-rote Koalitionsvertrag enthält nur eine lasche, unverbindliche Formulierung zur Korruptionsbekämpfung. Es ist enttäuschend, wie sich die SPD hier einfach wegduckt."

Die Probleme beziehen sich aber nicht nur auf Praktiken in den einzelnen Mitgliedsstaaten. Laut Transparency International, eine im Kampf gegen Korruption engagierte internationale Organisation, gibt es viele Fälle von länderübergreifender Korruption. „Es ist gut, dass wir jetzt einen Bericht haben, der ganz Europa mit einschließt und zeitgleich an alle Mitgliedsstaaten geht. Viele Probleme können nur gemeinsam gelöst werden“, sagt Ronny Patz in der Hauptgeschäftsstelle der Organisation in Brüssel.

Der Bericht ist ein Resultat monatelanger Recherchearbeit. Er stützt sich auf Ergebnisse eigener Gutachten und unabhängiger Experten in den jeweiligen Mitgliedsstaaten, sowie auf Überprüfungen durch Organisationen wie Transparency International und das Anti-Korruptionsgremium Greco des Europarats in Straßburg.