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Burschenschafter peitschen Mann mit Gürtel aus, weil er jüdische Vorfahren hat: Wie rechts sind die Verbindungen?

Burschenschaften: Mit diesem Begriff assoziieren viele Menschen alte Traditionen, Trinkgelage und Fechtkämpfe. Immer öfter jedoch geraten einzelne Burschenschaften mit judenfeindlichen und rassistischen Äußerungen und Taten in die Schlagzeilen. Jetzt auch die Heidelberger Burschenschaft "Normannia".


Die studentische Verbindung mit dem Motto "Ehre, Freiheit, Vaterland" wurde nach einem antisemitischen Angriff 130 Jahre nach ihrer Gründung am 3. September aufgelöst. Zumindest teilweise - doch dazu später mehr. Zur Erklärung: Burschenschaften stellen einen spezifischen Typus von Studentenverbindungen dar: Das heißt, nicht alle Studentenverbindungen sind Burschenschaften.


Mit Geldmünzen und Gürteln attackiert

Der antisemitische Vorfall geschah in der Nacht vom 28. auf den 29. August, bei einer kleinen Feier in der Villa der Verbindung. Auf der Feier waren auch Mitglieder anderer Verbindungen zu Gast, unter anderem das Opfer, das Mitglied der "Alten Leipziger Landsmannschaft Afrania" ist. Der 25-Jährige erzählte den übrigen Anwesenden, dass er jüdische Vorfahren hätte - woraufhin ihn plötzlich acht Personen angriffen. Sie bewarfen ihn mit Geldmünzen, bezeichneten ihn als "Juden" und schlugen mit Gürteln auf ihn ein.


Hitlergruß im Verbindungshaus

Ein ehemaliges Mitglied der "Normannia" meldete sich nach dem Angriff bei der " Rhein-Neckar-Zeitung" und berichtete, dass dem Altherrenverband (nicht mehr studierende Mitglieder der Burschenschaft, Anm. d. R.) bereits in der Vergangenheit Informationen darüber vorlagen, dass das Verbindungshaus Treffpunkt der örtlichen rechtsextremen Szene sei. In dem Haus sollen sich schon früher Personen antisemitisch geäußert und sogar den "Hitlergruß" gezeigt haben. Außerdem halte die rechtsextreme "Identitäre Bewegung" regelmäßig Stammtische im Verbindungshaus ab und plane dort politische Aktionen.


"Identitäre Bewegung" beim Angriff beteiligt?

Auch an dem jetzt öffentlich gewordenen antisemitischen Übergriff, soll mindestens ein Mitglied der "Identitären Bewegung" beteiligt gewesen sein. Das zumindest behauptet das Ex-Normannia-Mitglied gegenüber der "RNZ".

Auf der Homepage der Normannia wurde die Auflösung der studierenden Mitgliedergruppe der Burschenschaft, der sogenannten "Aktivitas", bekannt gegeben. Der Altherrenverband der Burschenschaft besteht offenbar weiter.


Wie rechts sind Burschenschaften?

Die Geschichte der Burschenschaften reicht bis ins frühe 19. Jahrhundert zurück. 1815 gründete sich in Jena die sogenannte Urburschenschaft. Wenig später wurden auch in anderen Universitätsstädten Burschenschaften gegründet. Von Anfang an schwankte die burschenschaftliche Bewegung zwischen zwei ideengeschichtlichen Traditionslinien: zwischen völkischem Nationalismus und Liberalismus.

Als im ausgehenden 19. Jahrhundert das Streben nach nationaler Einigung immer stärker wurde, geriet die liberale Strömung in den Hintergrund. Plötzlich stand das Nationale an erster Stelle - was den Antisemitismus, der von Anfang an Teil der Bewegung war, immer drastischere Formen annehmen ließ.


Viele Burschenschafter wurden NS-Funktionäre

In der Folge schlossen sich viele Burschenschaften schon früh dem politischen Projekt des Nationalsozialismus an: Er versprach den Traum vom großdeutschen Reich und die "Lösung der Judenfrage". Viele Mitglieder von Burschenschaften wurden Mitglieder in der NSDAP, im NS-Studentenbund und anderen NS-Organisationen.

NS-Funktionäre wie Heinrich Himmler (Burschenschaft Apollo München, die heute Franco-Bavaria München heißt) und Ernst Kaltenbrunner (Burschenschaft Arminia Graz) sind nur zwei von vielen Burschenschaftern, die sich, teils an höchster Stelle, an den Verbrechen des NS-Regimes beteiligten.


Die Ideologie der Burschenschaften

Der älteste und mit Abstand größte burschenschaftliche Dachverband DB (neben anderen, teilweile liberaleren) vertritt die burschenschaftliche Weltanschauung des völkischen Nationalismus. Hierbei wird das deutsche Volk als Abstammungsgemeinschaft begriffen: Das deutsche Vaterland sei das Band, das Deutsche zusammenhielte - diese definierten sich über Abstammung, Sprache und Kultur und seien eine Schicksalsgemeinschaft. Die Zugehörigkeit zum deutschen Volk setze die Abstammung von Deutschen voraus und könne nicht durch Einbürgerung, Willensentscheid oder Integration erreicht werden.


Unterschiede zwischen Geschlechtern und "Rassen"

Noch extremer nationalistisch formuliert es das äußerste Rechte Spektrum des DB: Der Zusammenschluss Burschenschaftliche Gemeinschaft (BG). In ihrer Grundsatzschrift von 2012 steht, dass das deutsche Volk nicht nur eine biologische Gemeinschaft bildet, sondern es darüber hinaus auch Unterschiede in Fähigkeiten und Verhaltensweisen zwischen Männern und Frauen und auch "zwischen Angehörigen verschiedener Rassen" gebe. Der oder die Einzelne habe eigene Interessen dem vermeintlich einheitlichen Interesse der "Volksgemeinschaft" unterzuordnen. Die Burschenschafter selbst begreifen sich dabei als Elite, die dieses gemeinschaftliche Interesse zu erkennen glauben und deshalb dazu berufen seien, das Volk zu führen.

Zwar lässt sich sagen, dass viele Burschenschaften ein Sammelbecken für Menschen mit rechtsgerichtetem Gedankengut sind - jedoch trifft dies nicht auf alle zu. Immer wieder distanzieren sich einzelne Burschenschaften von rechtsextrem Aussagen oder Taten, einige stehen auch allgemein für ein liberaleres Weltbild als im vorherigen Abstand beschrieben.

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